Letzte Ruhe unter Bäumen: Trend zu Bestattungen im Wald

Hannover (dpa) · Wie umweltverträglich ist die eigene Beerdigung? In Großbritannien oder den USA ist diese Frage durchaus ein Thema. In Deutschland lautet der Trend eher: Ruhen in der Natur.

 Andachtsplatz des Friedwaldes in Schönebeck in Sachsen-Anhalt: Immer mehr Menschen tendieren dazu, Angehörige in Wäldern beisetzen zu lassen. Foto: Jens Wolf

Andachtsplatz des Friedwaldes in Schönebeck in Sachsen-Anhalt: Immer mehr Menschen tendieren dazu, Angehörige in Wäldern beisetzen zu lassen. Foto: Jens Wolf

Naturnah bestattet werden - das liegt im Trend. Auch „Öko-Bestattungen“ speziell mit umweltfreundlichen Materialien gibt es, sie sind aber selten. „Särge aus Papier oder Pappe - das war einmal“, sagt der Trendforscher Peter Wippermann. Es gebe jedoch das Verlangen, einem größeren Ganzen anzugehören und in der Natur Frieden zu finden. Dazu passt der Wunsch, sich unter Bäumen bestatten oder die Asche im eigenen Garten verstreuen zu lassen.

Wippermann spricht einerseits von der Individualisierung des Ökologiegedankens, wenn Menschen gewissermaßen zur Natur dazugehören wollten. Was „spirituell hochinteressant“ sei. Anderseits wolle man echte Nachhaltigkeit am liebsten delegieren: und zwar an die Unternehmen, in diesem Fall an die Bestatter.

Bestattungen mit dem Label „Öko“ sind vor allem in den Niederlanden, in Großbritannien und den USA ein Thema. In Deutschland sehen erste Bestatter eine „zunehmende Sensibilität“ für das Thema. So zeigte die weltgrößte Bestatterfachmesse Befa im Mai Totenhemden aus Material wie Baumwolle oder Leinen, umweltfreundliche, vergängliche Särge und Urnen oder verbrauchsarme Leichenwagen. Für mögliche Kunden gibt es aber ein Nadelöhr: den Bestatter.

Gefragt sei der Bestatter, der die Angehörigen nach Todesfällen auf umweltfreundliche Produkte hinweise, sagt Thomas Coners, Bestatter in Nordenham bei Bremerhaven. Von sich aus zeigten die Menschen in der Regel kein großes Interesse an abbaubaren Materialien und ökologisch einwandfreien Beerdigungen: „Für mich ist ein Trend noch nicht erkennbar.“ Beim Autokauf sei der Blick auf Schadstoffausstoß oder Umweltverträglichkeit ein anderer, als wenn ein Mensch sterbe. „Wenn man mit einem Sterbefall zu tun hat, trägt man einen Mantel der Trauer mit sich herum.“ Was sonst geschehe, sei weniger wichtig.

Oliver Wirthmann vom Bundesverband Deutscher Bestatter weist darauf hin, dass laut dem Bestattungsgesetz eigentlich ohnehin nur vergängliche Stoffe ins Erdreich dürfen. Tote in ihrer persönlichen Kleidung zu bestatten, die möglicherweise Kunstfasern enthalte - das sei eher nicht so gut.

Die angeblich naturnahe Bestattung im Wald - für Wirthmann ist sie eine Mogelpackung. Warum? Weil bei Bestattungen in Wäldern eine ökologische Dimension herbeigeredet werde, die es auf Friedhöfen ebenso gebe. Auch Bestatter Coners betont: Vollholzsärge seien ebenso wie Urnen umweltfreundlich: „Das sind abbaubare Stoffe.“ Dies gelte sogar für die Lacke.

Statt mit teureren Öko-Bestattungen beschäftigt sich die Branche eher mit einem bekannten Phänomen. Weniger Hinterbliebene sind bereit - oder in der Lage - , das Geld für eine opulente Bestattung aufzubringen, wie Trendforscher Wippermann sagt. Eine Bestattung kostet in Deutschland nach Angaben des Verbandes etwa zwischen 2800 und 3500 Euro, dazu kommen Kosten für die Grabpflege.

So werden tausende Deutsche aus der Grenzregion in den Niederlanden eingeäschert. Denn dort ist es wesentlich billiger. Und: Mit der Urne können die Angehörigen nach einer bestimmten Zeit tun, was immer sie wollen. Beispielsweise die Asche ausstreuen - was auch in Bremen inzwischen erlaubt ist. Allerdings in keinem anderen Bundesland.

Stichwort Einäscherung: Die sei tatsächlich ein starker Trend und in den vergangenen zehn Jahren immer gefragter geworden, sagt Coners. An der norddeutschen Küste liege der Anteil der Feuerbestattung teils bei über 80 Prozent, in eher katholischen Gegenden immer noch bei 40 bis 50 Prozent.

Warum wollen Menschen im Wald bestattet werden? Jana Gieß, zuständig fürs Marketing bei der Friedwald GmbH , muss nicht lange überlegen. Der Umweltgedanke spiele keine große Rolle, vielmehr sei der Wald für viele Menschen ein Ort, der ihnen Trost spende. Die Folge: 51 300 Beisetzungen an bundesweit 52 Standorten gab es bislang - weitere 110 000 Menschen haben sich ihren Baum bereits ausgesucht.

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