Mein Feind, der Baum - Wer bei Wurzelschäden haftet

Bochum (dpa/tmn) · Baumwurzeln können unberechenbar sein. Unsichtbar bahnen sie sich unter der Erde ihren Weg in fremde Gärten. Dabei richten sie mitunter teure Schäden an. Doch wie lässt sich herausfinden, von welchem Baum die Wurzel stammt? Und wer haftet?

 Baumwurzeln können unter der Erde große Schäden anrichten, etwa an Rohrleitungen. Für die Kosten muss der Baumbesitzer aufkommen. Foto: Uwe Zucchi

Baumwurzeln können unter der Erde große Schäden anrichten, etwa an Rohrleitungen. Für die Kosten muss der Baumbesitzer aufkommen. Foto: Uwe Zucchi

Sie werfen Schatten und lassen ihr Laub und Obst einfach aufs nächste Grundstück fallen: Bäume geben immer wieder Anlass zum Streit zwischen Nachbarn. Richtig teuer kann es aber werden, wenn die Wurzeln eines Baumes auf das Nachbargrundstück vordringen. „Wurzeln sind wie ein Medusenkopf“, sagt der Baumsachverständige Markus Streckenbach. „Wenn man eine abschneidet, wachsen drei nach.“

Der Bochumer Biologe ist Experte für Schäden durch Baumwurzeln. „Die häufigsten Schäden, die bei mir landen, sind Wurzeln, die in Kanalisationssysteme eingedrungen sind“, sagt Streckenbach. Wenn der Abwasserkanal eines Hauses mit Wurzeln zugewachsen sei, könne das zu Rückstauungen führen. „Durch Überwuchs von Wurzeln können sehr schnell sehr große Schäden entstehen“, bestätigt Kai Warnecke vom Eigentümerverein Haus & Grund Deutschland in Berlin. Dabei seien verstopfte Abwasserrohre oder Risse in der Auffahrt noch das geringste Problem. Wird das Fundament des Hauses angehoben, kann es zu Rissen in den Wänden kommen.

Bleibt die Frage, wer für die teure Wurzelbehandlung zahlen muss. „Prinzipiell gilt: Wenn die Wurzeln über die Grundstücksgrenze wachsen und es zu einer Beeinträchtigung kommt, haftet dafür der Baumbesitzer“, sagt Warnecke. Der Geschädigte habe Anspruch auf Beseitigung. Komme der Nachbar dem nicht nach, dürfe man den Schaden auch selbst beseitigen und in Rechnung stellen.

Doch die Tücke liegt im Detail: „Das Gebiet ist nicht vollständig gesetzlich geregelt“, erklärt Norbert Schönleber, Kölner Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Eigentlich hafte man im Schadensrecht nur bei Fahrlässigkeit. Bei herabfallenden Ästen oder umgestürzten Bäumen muss der Baumbesitzer beispielsweise nur zahlen, wenn er schuldhaft gehandelt hat. Anders bei Baumwurzeln: Wurzeln würden von Rechtsprechung als Störung aufgefasst, erläutert Schönleber. Mit der Folge, dass der Verursacher der Störung die Kosten für die Beseitigung trägt. Hier greift in der Regel die Haftpflichtversicherung für Haus- und Grundbesitzer.

Doch ein Versicherungsfall lässt sich nur klären, wenn der Verursacher des Schadens bekannt ist. Hier kommt Wurzelgutachter Markus Streckenbach ins Spiel: „Ich werde hinzugezogen, wenn unklar ist, welcher Baum die Schäden verursacht hat“, erklärt der Biologe. Um den Übeltäter zu ermitteln, vergleicht Streckenbach unterm Mikroskop Proben der Problemwurzel mit den Baumarten vor Ort. „Mit entsprechenden Vergleichsproben aus dem Botanischen Garten lässt sich der richtige Baum bestimmen.“ Häufig seien Weiden, Ahorn und Platanen die Verursacher der Wurzelschäden.

Doch auch wenn der Baum eindeutig bestimmt ist, ist der Versicherungsfall noch nicht geklärt. Den Geschädigten könne nämlich auch eine Mitschuld treffen, sagt Rechtsanwalt Schönleber. „Mitverschulden kann zu einer Beteiligung an den Kosten zwischen null und hundert Prozent führen“, sagt Schönleber. Das gelte beispielsweise auch, wenn beim Verlegen von Rohren gepfuscht wurde. „Das schafft natürlich Konfliktpotential für gerichtliche Auseinandersetzungen.“ Im Interesse einer guten Nachbarschaft sollte man dennoch versuchen, den Versicherungsfall einvernehmlich zu lösen.

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