„Mietenhauptstadt München“ - Wohnungsnot treibt seltsame Blüten

München (dpa) · Wenn der Deutsche Mieterbund seinen Mietertag ausgerechnet in München abhält, dann hat das seinen Grund: Die Mieten in der bayerischen Landeshauptstadt gehören bundesweit zu den höchsten - und die Wohnungsnot treibt inzwischen seltsame Blüten.

 Wohnungsgesuch am Laternenmast in München: Die Mieten in der bayerischen Landeshauptstadt gehören bundesweit zu den höchsten. Foto: Peter Kneffel

Wohnungsgesuch am Laternenmast in München: Die Mieten in der bayerischen Landeshauptstadt gehören bundesweit zu den höchsten. Foto: Peter Kneffel

Die provokante Wohnungsanzeige verbreitete sich Anfang des Jahres im Eiltempo über soziale Netzwerke: Zwei junge Männer boten auf einem Immobilienportal angeblich ein WG-Zimmer im begehrten Münchner Stadtteil Schwabing an - für schlappe 125 Euro im Monat. Die Bedingung: Sex. „Du sollst mit jedem von uns (getrennt!) mindestens zweimal in der Woche Liebe machen“, hieß es in der Annonce, die das Portal schleunigst von seiner Homepage löschte.

Die Anzeige war ein Fake. Ein paar Tage später berichtete die Münchner „Abendzeitung“ von einer jungen Studentin, die das unmoralische Angebot aus Protest gegen die absurde Situation auf dem Münchner Mietmarkt online gestellt hatte. „Ich pendele jeden Tag 100 Kilometer nach München, weil ich einfach keine bezahlbare Wohnung finde“, zitierte die „AZ“ die junge Frau . „Am Anfang habe ich ein paar Monate gecampt, aber das ist im Winter natürlich nicht möglich.“

Die Mieten in München gehören bekanntermaßen zu den höchsten in ganz Deutschland. Es ist kein Zufall, dass das neue Mietrecht im vergangenen Jahr den Beinamen „Lex München“ erhielt.

Eine bezahlbare Wohnung zu finden, ist für Leute mit wenig Einkommen, besonders für Studenten, ein Glücksspiel mit ungewissem Ausgang. München ist für Mieter die teuerste Stadt in Deutschland. Die Durchschnittsmiete liegt in der bayerischen Landeshauptstadt über 12,00 Euro.

„München ist ein Zentrum der problematischen Wohnungsmarktentwicklung in Deutschland“, sagt der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Franz-Georg Rips, und spricht von „Mietenhauptstadt“. Die bayerischen Wohnungsunternehmen sehen schon die soziale Balance in Städten wie München in Gefahr, weil es zu wenig bezahlbaren Wohnraum gebe. Es sei fraglich, ob sich in Zukunft alle Bevölkerungsgruppen das Leben in den Städten leisten können, sagt Verbandsvorstand Xaver Kroner. Das Problem ist zwar kein rein münchnerisches - so drastisch wie in München zeigt es sich aber nirgends.

Nach Angaben des Mieterbundes fehlen in den zehn deutschen Städten mit dem stärksten Wohnungsmangel insgesamt 100 000 Mietwohnungen - allein 31 000 davon in München. Mit einigem Abstand folgen Frankfurt (17 500) und Hamburg (15 000) auf den Plätzen zwei und drei. Grund sei auch die hohe Zahl an Single-Haushalten. Nebenbei bemerkt: München gilt auch als „Single-Hauptstadt“ Deutschlands.

Nur 0,6 Prozent der Wohnungen stehen nach Angaben des Mieterbundes frei - Wohnungsexperten halten einen Leerstand von 3 Prozent für notwendig, um die normale Fluktuation zu bewerkstelligen. Die Rathauschefs der fünf größten Städte Deutschlands haben den Bund erst kürzlich aufgefordert, die Mittel für den Wohnungsbau auf eine Milliarde Euro pro Jahr zu verdoppeln und auch der Mieterbund erhebt Forderungen an die Bundesregierung.

In München aber wollen nicht alle auf Hilfe aus Berlin warten. Mit Hammer und Farbe haben Promis dort im Frühjahr eine Wohnung in einem leerstehenden städtischen Haus renoviert. Ein Youtube-Video zeigt, wie die Sportfreunde Stiller, die Kabarettisten Dieter Hildebrandt und Luise Kinseher, Regisseur Marcus Rosenmüller und Ex-Fußballer Mehmet Scholl als Gorillas verkleidet die Wohnung stürmen und verschönern. Die Botschaft: Renovieren und billig vermieten statt abreißen und Luxuswohnungen bauen.

Fast jeder Fünfte (18) würde für seine Traumwohnung lügen, zum Beispiel bei der Frage nach Haustieren oder dem Beruf. Das hat eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts Innofact ergeben. Fast jeder Zehnte (9 Prozent) hat demnach sogar schon einmal falsche Angaben beim Bewerben um eine Wohnung gemacht. Jeder Achte (13 Prozent) würde sogar so weit gehen, Dokumente zu fälschen. Rund jeder Dritte (34 Prozent) würde sich für den Besichtigungstermin außerdem in Schale werfen - die 18- bis 29-Jährigen sind dazu eher bereit (47 Prozent) als die 50- bis 65-Jährigen (16 Prozent).

Für manche ist damit aber noch nicht Schluss: Jeder Siebte (15 Prozent) würde sogar den eigenen Sex-Appeal zum Einsatz bringen, um an die Traumwohnung zu kommen. Ähnlich viele (14 Prozent) wären bereit, den Makler oder Eigentümer zu bestechen. Gleichzeitig würde ein Großteil der Befragten (44 Prozent) über das normalerweise Geforderte hinaus nichts unternehmen, um in die Traumwohnung einziehen zu dürfen. Im Auftrag von ImmobilienScout24 wurden 1030 Personen befragt.

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