Nachwachsende Rohstoffe im Autobau

München/Stuttgart (dpa/tmn) · Sie ist sechsmal leichter als Baumwolle und sehr haltbar: die Kapok-Nuss. Bisher wird sie nur zu Matratzen verarbeitet. Bald soll sie auch in Autos zum Einsatz kommen. Ökologisches Bewusstsein im Fahrzeugbau ist ein neuer Trend.

 Außen silber, innen grün: Im Toyota Sai werden für 80 Prozent der Oberflächen im Innenraum nachwachsende Rohstoffe verwendet. Foto: Toyota

Außen silber, innen grün: Im Toyota Sai werden für 80 Prozent der Oberflächen im Innenraum nachwachsende Rohstoffe verwendet. Foto: Toyota

Moderne Autos setzen im Innenraum immer mehr auf nachwachsende Rohstoffe. Im Vergleich zu künstlich hergestellten Produkten besitzen sie Vorteile:

Sie wachsen nach, sind theoretisch unendlich verfügbar, besitzen gute Dämmeigenschaften und ein positives Crashverhalten, und sie sind unter Umständen biologisch abbaubar. „Oft haben sie eine bessere CO2-Bilanz, sind leichter, besser zu recyceln und bieten Vorteile bei Haptik und Patina“, sagt Daniela Bohlinger, Leiterin „Sustainability in Design“ bei BMW.

Beim Elektrofahrzeug BMW i3 kommen rund 20 Prozent Recyclingmaterial zum Einsatz, bei herkömmlichen BMW 15 Prozent. Je nach Ausstattung sind bis zu 80 Prozent aller Flächen im Sichtfeld des Fahrers aus nachwachsenden oder nachhaltig verarbeiteten Rohstoffen. Darunter fallen auch Kenaf (eine Malvenart), europäischer Eukalyptus oder Schurwolle (anstelle von Baumwolle).

Bei Volkswagen werden unter anderem Flachs, Hanf, Kenaf, Papier, Zellulose, Baumwolle und Holz in der Serienfertigung eingesetzt. Bauteile mit diesen Materialien sind beispielsweise in Tür- und Seitenverkleidungen, Ladeböden oder Bodenbelägen zu finden. Im aktuellen Golf finden sich mehr als 100 Bauteile aus nachwachsenden Rohstoffen. Ganz problemlos sind die Produkte aber nicht: Insbesondere die Geruchsentwicklung stellt eine Herausforderung dar. „Dies ist aber durch geeignete Fertigungsverfahren beherrschbar“, sagt Peter Weisheit von VW. Auch die permanente Verfügbarkeit für eine ununterbrochene Produktion stellt die Industrie vor Probleme.

Audi verwendet in manchen Modellen bis zu fünf Prozent Öko-Materialien, darunter Baumwollvliese, Holz, Holzfaserwerkstoff in Verkleidungen sowie Leder. Auch für Audi muss die Beständigkeit gegen mechanischen Abrieb, Feuchtigkeit, Wärme, UV-Strahlung und Chemie gegeben sein.

Mercedes setzt in den Tür-Innenverkleidungen Holz- oder Flachsfasern mit Harz ein und im Schiebedach-Rahmen eine Naturfasermatte. „In allen Modellen verwenden wir in verschiedenen Bereichen unter anderem Hanf, Kenaf, Baumwolle, Schurwolle, Leinen, Kokosfaser, Flachs, Zellulosefasern oder Holz“, sagt Anita Engler, Leiterin umweltgerechte Produktentwicklung. „In erster Linie sind Naturfasern Träger für Verkleidungsbauteile und nicht sichtbar.“ Auch Mercedes will den Einsatz der Öko-Teile weiter erhöhen. Nur bei crashrelevanten Bauteilen verzichtet der Hersteller auf Rezyklate oder nachwachsende Rohstoffe: „Bisher konnte noch kein untersuchtes Material die Anforderungen sicher erfüllen.“

Schon seit 2001 verbaut Toyota nachwachsende Rohstoffe, unter anderem bei Einstiegsleisten, Türverkleidungen und Sitzpolstern, sagt Sprecher Dirk Breuer. Auch Fasermaterialien wie Hutablagen, Dachhimmel, Teppiche und Sitzbezügen werden nicht mehr aus Kunststoff hergestellt. Der aktuell in Japan verkaufte Toyota Sai verwendet für 80 Prozent der Oberflächen im Innenraum nachwachsende Rohstoffe.

 Autobauer setzen vermehrt auf Öko-Stoffe im Auto - dazu gehören etwa recycelte Kunststoffe. Foto: BMW

Autobauer setzen vermehrt auf Öko-Stoffe im Auto - dazu gehören etwa recycelte Kunststoffe. Foto: BMW

 Umweltschonend: Autobauer verwenden heute vielfach nachwachsende Stoffe im Innenraum - etwa Eukalyptus am Armaturenbrett. Foto: BMW

Umweltschonend: Autobauer verwenden heute vielfach nachwachsende Stoffe im Innenraum - etwa Eukalyptus am Armaturenbrett. Foto: BMW

 Wolle aus der Kapok-Nuss ist sechsmal leichter als Baumwolle und sehr haltbar - Hersteller wie BMW beschäftigen sich derzeit mit den Einsatzmöglichkeiten im Auto. Foto: Fabian Kirchbauer

Wolle aus der Kapok-Nuss ist sechsmal leichter als Baumwolle und sehr haltbar - Hersteller wie BMW beschäftigen sich derzeit mit den Einsatzmöglichkeiten im Auto. Foto: Fabian Kirchbauer

 Von Schurwolle bis Eukalyptus: Beim BMW i3 sind je nach Ausstattung bis zu 80 Prozent aller Flächen im Sichtfeld des Fahrers aus nachwachsenden oder nachhaltig verarbeiteten Rohstoffen. Foto: Richard Newton

Von Schurwolle bis Eukalyptus: Beim BMW i3 sind je nach Ausstattung bis zu 80 Prozent aller Flächen im Sichtfeld des Fahrers aus nachwachsenden oder nachhaltig verarbeiteten Rohstoffen. Foto: Richard Newton

 Öko-Mobil: Bei der Innenausstattung des Elektrofahrzeugs BMW i3 kommen rund 20 Prozent Recyclingmaterial zum Einsatz. Foto: BMW

Öko-Mobil: Bei der Innenausstattung des Elektrofahrzeugs BMW i3 kommen rund 20 Prozent Recyclingmaterial zum Einsatz. Foto: BMW

 Autobauer achten heute stärker auf ihre Öko-Bilanz - und setzen etwa Schurwolle anstelle von Baumwolle ein. Foto: Andrea Warnecke

Autobauer achten heute stärker auf ihre Öko-Bilanz - und setzen etwa Schurwolle anstelle von Baumwolle ein. Foto: Andrea Warnecke

 Recycling auf Rädern: Nachhaltigkeit ist heute ein wichtiges Stichwort in der Autobranche - dazu gehört etwa das Wiederverwerten von Plastikfalschen beim Autobau. Foto: BMW

Recycling auf Rädern: Nachhaltigkeit ist heute ein wichtiges Stichwort in der Autobranche - dazu gehört etwa das Wiederverwerten von Plastikfalschen beim Autobau. Foto: BMW

 Plastik ade: Fasern der Kenaf (eine Malvenart) kommen etwa bei der Türverkleidung zum Einsatz. Foto: BMW

Plastik ade: Fasern der Kenaf (eine Malvenart) kommen etwa bei der Türverkleidung zum Einsatz. Foto: BMW

Dass die Hersteller auf nachwachsende Rohstoffe setzen, hat nicht nur mit Umweltbewusstsein zu tun. Die europäische Altfahrzeugrichtlinie 2000/53/EG gibt Verwertungsquoten für Pkw vor - 85 Prozent der Autos müssen stofflich recyclingfähig und zu 95 Prozent verwertbar sein. Dazu fordert die Richtlinie, mehr Recyclingmaterial zu verwenden. „Nachhaltigkeit wird aber immer mehr zu einem Thema, das Premium definiert“, sagt Daniela Bohlinger von BMW. Und für Dieter Kraft von Audi ist „Nachhaltigkeit ein großer, aktueller Trend, der für uns aus Markensicht und für unsere Kunden sehr interessant ist.“

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