Schlupfloch aus dem Darlehensvertrag

Bremen · Darlehensnehmer können selbst aus Kreditverträgen mit längerer Zinsbindung aussteigen, ohne dafür eine hohe oder überhaupt eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen. Dafür sollten sie überprüfen lassen, ob die obligatorische Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

Bremen. Die Zinsen für länger- und langfristige Finanzierungen sind weiter historisch niedrig. So kostet ein Hypotheken-Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung bei den günstigsten Anbietern deutlich weniger als drei Prozent im Jahr.
Zinsen sind im Keller


Schuldner hingegen, die vor Jahren eine langfristige Finanzierung vereinbart haben, müssen spürbar höhere Zinsen tragen. Zur Jahresmitte 2008 beispielsweise kostete ein Hypotheken-Darlehen mit zehnjähriger Zinsfestschreibung rund 5,4 Prozent - um die 2,5 Prozentpunkte mehr als heute. Bei einem Darlehen von beispielsweise 300 000 Euro sind im Vergleich zu den aktuellen Konditionen jährlich rund 7500 Euro mehr Zinsen zu zahlen. Bis zum Ende der Zinsbindung im Jahr 2018 kann sich das auf gut 40 000 Euro summieren.
Wegen der aktuell günstigen Konditionen versuchen Schuldner verstärkt den Ausstieg aus ihren laufenden Darlehensverträgen und die anschließende Umschuldung mit erheblich niedrigeren Zinsen. "Doch falls eine längere Zinsbindung mit dem Kreditgeber vereinbart wurde, ist dies nicht so einfach möglich. Denn zum Einen sind die Geldhäuser nicht verpflichtet, den Ausstiegswunsch des Schuldners zu akzeptieren", erklärt Jens-Peter Gieschen. Er ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Partner der auf die Interessenvertretung von Investoren spezialisierten KWAG Kanzlei für Wirtschafts- und Anlagerecht in Bremen.
Zum Anderen: Falls Banken dennoch zustimmen, wird in der Regel eine hohe Vorfälligkeitsentschädigung fällig. Dies ist gleichsam eine Strafe, die der Kreditnehmer zahlen muss. Formal gesehen ein vom Bundesgerichtshof akzeptierter Ausgleich für entgangene Zinsgewinne des Kreditgebers aufgrund der frühzeitigen Vertragskündigung. Ausnahme: Wurde eine sehr langfristige Zinsbindung, beispielsweise 15 oder 20 Jahre, vereinbart, ist zehn Jahre nach vollständiger Auszahlung des Darlehens und mit sechsmonatiger Kündigungsfrist ein Ausstieg ohne Vorfälligkeitsentschädigung grundsätzlich möglich.
Allerdings könnte auch ein häufiger Formfehler den Ausstieg ermöglichen, wenn nämlich die sogenannte Widerrufsbelehrung, ein obligatorischer Bestandteil jedes Darlehensvertrags, fehlerhaft ist. Rechtliche Grundlage für die in der Regel betroffenen Altfälle ist die "Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach Bürgerlichem Recht", kurz auch "BGB-Informationspflichten-Verordnung" genannt (BGB-InfoV). Für alle Neufälle seit dem Jahr 2010 gelten die Regelungen des EGBGB ("Einführungsgesetz des Bürgerlichen Gesetzbuches").
Hintergrund: Unanfechtbar ist eine Widerrufsbelehrung bei Darlehensverträgen "ausschließlich für den seltenen Fall, dass der Kreditgeber den vom Gesetzgeber vorgegebenen Mustertext sowohl inhaltlich wortgetreu als auch optisch exakt übernimmt", sagt Fachanwalt Jens-Peter Gieschen. Falls die Bank oder Sparkasse dies aber nicht getan hat, entfällt die Schutzwirkung des Musters. "Dies ist ein Verstoß gegen das sogenannte Deutlichkeitsgebot und führt zur Unwirksamkeit der genutzten und vom Muster abweichenden Widerrufsbelehrung", fügt Gieschen hinzu. Mit der Konsequenz, dass die Widerrufsfrist des Schuldners nicht zu laufen begann und der Darlehensvertrag auch noch nach Jahren widerrufen und somit rückgängig gemacht werden kann.
BGH-Urteil liegt vor


In diesem Sinne urteilte auch der Bundesgerichtshof (BGH) am 26. Juni 2011 unter dem Aktenzeichen XI ZR 349/10. Die Entscheidung der Vorinstanz, des Oberlandesgerichts (OLG) Jena, wurde bestätigt (Az.: 5 U 57/10). "Deshalb sollten Darlehensnehmer, die aus noch länger laufenden Kreditverträgen ohne Zahlung von Vorfälligkeitsentschädigung aussteigen möchten, die rechtliche Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung prüfen lassen", rät Anwalt Gieschen. red

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