Solidarische Landwirtschaft: Eine Idee keimt auf den Äckern

Stuttgart (dpa) · Bio ist nicht gleich bio: Öko-Äpfel aus Neuseeland haben mit Umweltfreundlichkeit wenig zu tun. Einige Menschen beziehen ihr Obst und Gemüse deshalb lieber direkt vom Bauern und schließen sich zu Hofgemeinschaften zusammen.

 Biobauer Christoph Simpfendörfer verwirklicht auf dem Reyerhof das Konzept der „Solidarischen Landwirtschaft“. Foto: Sebastian Kahnert

Biobauer Christoph Simpfendörfer verwirklicht auf dem Reyerhof das Konzept der „Solidarischen Landwirtschaft“. Foto: Sebastian Kahnert

Möhren, Mangold und Melonen - mit Monokultur haben die Felder von Christoph Simpfendörfer nichts zu tun. Rund 40 verschiedene Gemüsesorten baut der Biobauer an. „Wir könnten damit problemlos 500 Menschen ernähren“, erklärt der 55-Jährige. Als einer der ersten Betriebe im Südwesten realisiert der „Reyerhof“ in Stuttgart die Idee der „Solidarischen Landwirtschaft“ . Dafür sucht Simpfendörfer Menschen, die seinen Hof mit einem monatlichen Beitrag von je 25 Euro unterstützen. Im Gegenzug bekommen sie einen Teil seiner Ernte - einmal pro Woche, das ganze Jahr über.

Gammelfleisch, Schimmel-Mais und Dioxin-Eier: Die Lebensmittelskandale bringen manche Menschen dazu, ihr Gemüse und Fleisch direkt beim Bio-Bauern statt im Supermarkt zu kaufen. Das Interesse an Alternativen zur industriellen Landwirtschaft sei gestiegen, sagt die Koordinatorin des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft (Solawi), Stephanie Wild. Die Zahl der Höfe im Netzwerk habe sich seit 2009 mehr als vervierfacht. Aktuell gehören bundesweit 43 Solidarhöfe und 50 Initiativen dazu.

Beim Modell der Solidarischen Landwirtschaft verpflichten sich Menschen aus der jeweiligen Region für ein Jahr, einem bestimmten Hof Gemüse, Obst oder Fleisch abzunehmen. Der Landwirt ist aufgrund der im Voraus gezahlten Beiträge von meist 25 bis 100 Euro pro Abnehmer unabhängig von Preisschwankungen oder Ernteausfällen. In den Kisten, die die Mitglieder jede Woche abholen können, liegen nur Produkte der Saison. So gibt es beispielsweise im März keine Äpfel mehr.

„Die Idee verspricht Zukunft“, sagt Martin Schäfer von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) im Südwesten. „Viele Menschen wollen wieder wissen, wie ihre Lebensmittel hergestellt werden“. Auch Christian Eichert, Geschäftsführer von Bioland Baden-Württemberg sieht einen „Trend zurück zur Natur“.

90 Mitglieder gehören zum Beispiel der Solawi-Initiative in Stuttgart an - von der Studenten-WG bis zum Rentner-Ehepaar. Einmal in der Woche wird die aktuelle Ernte sortiert und an acht verschiedene Lagerorte in der Stadt verteilt. Etwa drei Kilo Obst und Gemüse liegen in jeder Kiste, pro Woche sind das insgesamt 300 Kilo. Das Angebot soll in Zukunft noch um Milch, Fleisch und Eier erweitert werden.

Das Konzept könne eine „Überlebenschance für kleine Betriebe“ sein, meint Simpfendörfer. Weil die Bauern den Wert ihrer Ware selbst bestimmen können, seien sie „Wetter und Weltmarkt nicht mehr schutzlos ausgeliefert“. Ernteausfälle und schwankende Preise hätten viele seiner Kollegen bereits in die Knie gezwungen. Früher hat der 55-Jährige auch Supermärkte beliefert. „Der Druck war immens.“ Regelmäßig habe er ein Drittel seiner Kartoffeln wegschmeißen müssen, weil nicht alle „marktfähig“ waren, kritisiert er.

Den Solawi-Mitgliedern geht es um umweltfreundliche, kurze Transportwege und darum zu vermeiden, dass Essen weggeworfen wird. „Wir verstehen uns als politische Bewegung“, betont Wild. Die Kritik richtet sich auch gegen manche Bio-Erzeuger: Bio-Äpfel aus Neuseeland oder Öko-Kartoffel aus Chile hätten mit Umweltfreundlichkeit nichts mehr zu tun. „Bio ist nicht gleich bio.“

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