Wohin mit giftigen Bohrschlämmen? Entsorgung als Aufgabe

Köln (dpa) · Beim Bohren nach Öl und Gas fallen riesige Mengen belasteter Schlämme an. Hunderte Bohrschlammdeponien müssen wohl saniert werden. Tonnenweise werden die Sonderabfälle durch Deutschland transportiert. Vieles landet in NRW. Mit Fracking könnte das Problem noch wachsen.

 Beim Bohren nach Öl und Gas fallen riesige Mengen belasteter Schlämme an. Tonnenweise werden die Sonderabfälle durch Deutschland transportiert. Foto: Jochen Lübke

Beim Bohren nach Öl und Gas fallen riesige Mengen belasteter Schlämme an. Tonnenweise werden die Sonderabfälle durch Deutschland transportiert. Foto: Jochen Lübke

Umweltskandal, Sondermüll-Tourismus sagen die einen. Geordnete Sanierung von gefährlichen Abfällen meinen die anderen. Es geht um Hunderttausende Tonnen Schlamm, die deutschlandweit beim Bohren nach Erdgas und Erdöl anfallen, vor allem in Niedersachsen.

Mit bergrechtlicher Genehmigung legte die Industrie für diese belasteten Abfälle über Jahrzehnte hinweg Schlammdeponien an. „Weil sich in der Folgezeit aber Belastungen des Grundwassers und des Bodens ergaben, werden diese zentralen Bohrschlammdeponien sukzessive saniert“, erklärt nun das Bundesumweltministerium. Da Niedersachsen keine eigene Deponien für diese gefährlichen Abfälle hat, landet vieles in anderen Bundesländern, vor allem in NRW.

Was ist drin in den Schlämmen? „Alles, was in den Lagerstätten vorkommt, wird mit nach oben geholt“, sagt Dirk Jansen von der Umweltorganisation BUND. Schwermetalle wie Quecksilber, Blei, Arsen, radioaktive Substanzen, krebserregende PAK-Kohlenwasserstoffe, Benzol. „Man kann das nicht einfach in die Landschaft kippen, wie das in Niedersachsen in der Vergangenheit passiert ist.“ Der Geologe fordert: „Altlasten, von denen eine potenzielle Gefahr für die Umwelt ausgeht, müssen sicher saniert werden.“ Es sei von rund 500 „Verdachtsflächen“ mit solchen Bohrschlämmen in Niedersachsen auszugehen.

Laut NDR und WDR könnte es zudem weitere hunderte Gruben etwa in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern geben. Die beiden Sender berichteten jüngst auch über eine Lkw-Fahrerin, die diese Rückstände über längere Zeit quer durchs Land transportiert, den Laster danach jedes Mal gesäubert habe. „Ich bekam Haarausfall, Hautausschlag und Magen-Darm-Probleme, bis ich zu einem Arzt kam, der eine Quecksilbervergiftung feststellte“, zitierten sie die Fahrerin.

Besonders die Linke im Bundestag und der BUND in NRW schlagen jetzt Alarm und warnen zugleich vor dem umstrittenen Fracking. Bei dieser Technologie wird aus tiefen Gesteinsschichten unter hohem Druck und Chemikalien-Einsatz Gas gewonnen. „Der Skandal um die niedersächsischen Bohrschlammgruben zeigt, dass bereits die bisherige Erdöl- und Erdgasförderung mit erheblichen Entsorgungsproblemen verbunden ist“, sagt Hubertus Zdebel, Linken-Umweltexperte im Bundestag aus NRW. „Wenn die Koalitionsfraktionen grünes Licht für Fracking geben, wird sich das Problem noch deutlich verschärfen.“

Jansen fordert ebenfalls: Fracking solle erst gar nicht ermöglicht werden, sonst stehe ein neues Entsorgungsproblem für zusätzliche gewaltige Rückstände an. Schon das aktuelle Schlammproblem sei enorm. „Wir wissen nicht wirklich, wo die ganzen Mengen hingehen. Es gibt großen Klärungsbedarf.“ Transporte führten nach Rheinland-Pfalz, zudem wohl ins Saarland. Der größte Teil lande aber in NRW, wo man schon „eigene Riesenprobleme“ mit den Bergbau-Altlasten habe.

Bisher sind die nach NRW importierten Schlämme laut BUND in der Sonderdeponie Hürth-Knappsack bei Köln gelandet, die zur Deponieklasse DK III für besonders gefährliche Stoffe gehört. „Es darf nicht sein, dass das quer durch die Republik transportiert wird. Je länger der Transportweg, desto höher die Risiken“, mahnt Jansen.

In Niedersachsen - dort findet dem BUND zufolge rund 90 Prozent der bundesdeutschen Erdöl- und Erdgasförderung statt - war es lange Praxis, nach jeder Tiefenbohrung eine kleine Schlammgrube anzulegen. Später wurden die Rückstände mehrerer Bohrungen in zentralen Gruben gelagert, wie das NRW-Umweltministerium erläutert. Von 2005 bis 2013 seien 331 870 Tonnen Bohrschlämme aus Niedersachsen in NRW deponiert worden. Die niedersächsische Vorgehensweise bei der Sanierung der Deponien sei „sachgerecht und zielführend“, betonte das Bundesumweltministerium gerade in seinem Bericht an den Umweltausschuss des Bundestags.

Der Raum auf den Deponien werde knapp, sagt Professor Walter Frenz von der RWTH Aachen. Grundsätzlich gelte: „Das Wasserrecht ist einzuhalten. Jegliche Risiken fürs Grundwasser müssen ausgeschlossen sein.“ Enthalte der Schlamm Schadstoffe und lagere in einer undichten Grube, sei das unsachgemäß. Eine Umlagerung in einer besonders gesicherten Sondermülldeponie sei dann zwingend, betont der Experte für Umweltrecht. Eine Lagerung untertage - etwa in Salzlagerstätten wegen ihrer guten Abdichtung - hält er für sinnvoll.

 Die Sonderabfalldeponie im ehemaligen Tagebau Ville in Hürth. Foto: Henning Kaiser

Die Sonderabfalldeponie im ehemaligen Tagebau Ville in Hürth. Foto: Henning Kaiser

 Tonnenweise werden die Sonderabfälle durch Deutschland transportiert. Vieles landet in NRW. Foto: Henning Kaiser

Tonnenweise werden die Sonderabfälle durch Deutschland transportiert. Vieles landet in NRW. Foto: Henning Kaiser

Die Deponie bei Köln erfüllt laut Düsseldorfer Umweltministerium alle Anforderungen an eine „gemeinwohlverträgliche, umweltunschädliche Beseitigung gefährlicher Abfälle“. Mit der Lagerung der Schlämme auf einer „ordnungsgemäßen Deponie“ werde erreicht, dass diese „keine Gefährdung der Umwelt, insbesondere des Grundwassers, mehr darstellen.“ Fazit: „Dies ist eine wichtige Umweltschutzmaßnahme.“

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