Wohnen wie in Italien: Mit Experimentierfreude einrichten

Berlin (dpa/tmn) · Seit Jahrzehnten werden nirgendwo schönere Möbel und Leuchten produziert als in Italien. Der Stil ist geprägt von Eleganz, Kreativität und Innovation. Die jüngere Generation emanzipiert sich zunehmend von den großen Namen der italienischen Moderne.

 So richtet Italiens junge Designer-Generation ein: Luca Nichettos „Haus“ auf der Möbelmesse imm Cologne in Köln. Foto: Koelnmesse/Constantin Meyer

So richtet Italiens junge Designer-Generation ein: Luca Nichettos „Haus“ auf der Möbelmesse imm Cologne in Köln. Foto: Koelnmesse/Constantin Meyer

So wie Deutschland weltweit für seine Ingenieurskunst bewundert wird, so verneigen sich Einrichtungsliebhaber vor dem Design aus Italien. Viele der Leuchten und Möbel stehen in den Sammlungen bedeutender Museen. „Ich würde den italienischen Stil als entspannt-elegant mit Mut zum Experiment beschreiben“, sagt Claudia Neumann, die das Buch „Design Lexikon Italien“ verfasst hat.

Im Gegensatz zum eher nüchternen skandinavischen Stil haben Einrichtungsprodukte aus dem Süden immer eine künstlerische, poetische Note. Die Möbel sprechen vor allem Individualisten an, die viel Liebe zu Kunst und Kultur mitbringen. Revolutionär waren etwa Plastikmöbel wie die Container-Serie „Componibili“ von Anna Castelli Ferrieri (Kartell). Die multifunktional einsetzbaren Baukastensysteme wirken wie Dosen. Gio Pontis Stuhl „Superleggera“ sieht hingegen sehr leicht und filigran aus.

Seine Hochzeit hatte das italienische Design in den 60er und 70er Jahren. Zu den auf der ganzen Welt bekannten Größen gehören Franco Albini, Enzo Mari, Joe Colombo, Vico Magistretti, Achille Castiglioni und Ettore Sottsass. „Die "Grandi Maestri" genießen in Italien bei den jüngeren Kollegen großen Respekt und werden geradezu verehrt“, erklärt Neumann. Das Triennale Museum in Mailand würdigte die großen Meister 2013 in einer Ausstellung. Dass deren Werke nun Museumsstücke sind, sagt aber auch etwas über die Relevanz des Stils aus. Die goldene Zeit des italienischen Designs ist nun Vergangenheit. Doch wie sieht Einrichtung aus Italien heute aus?

Die neue Generation hat Schwierigkeiten, Glanzpunkte zu setzen. „Die Masse der schon existierenden Produkte macht es für die junge Generation ungemein schwierig, etwas wirklich Innovatives und Kreatives zugleich zu erschaffen“, erläutert Claudio Feltrin, CEO des Herstellers Arper. „Obwohl die Produktionstechnologie heutzutage viel einfacher zugänglich ist, so ist doch die neue Herausforderung für junge Designer, etwas zu entwerfen, das eine wirkliche Relevanz und eine signifikante Funktion verbindet.“

Der derzeit wichtigste Vertreter einer jüngeren Generation ist Luca Nichetto. Auf der diesjährigen Möbelmesse IMM in Köln war der Designer eingeladen ein ganzes Haus nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Er stellte Design-Klassiker wie das Regal „Veliero“ von Franco Albini oder Joe Colombos Schreibtischcontainer „Boby“ neben seine eigenen Arbeiten und die von jüngeren Kollegen. „Ich wollte zeigen, dass die Entwürfe meiner Generation neben der alten Meister bestehen können“, sagt Nichetto.

Das liege auch daran, dass die Jungen von den positiven Folgen der Globalisierung profitieren können. „Viele ältere Designer haben einen klar erkennbaren Stil kreiert“, erläutert Nichetto. „Meine Generation kennt keine stilistischen Grenzen. Wir sind offen, auch weil wir uns viel stärker in einem internationalen Umfeld bewegen.“

Nichetto verbindet in seinen Entwürfen unterschiedliche Kulturen und Traditionen. Bei seinem Entwurf „Stewie“ für Foscarini verwendet Nichetto auf ungewöhnliche Art Textilien. Unter Wärmeeinfluss formbares Polyethylen wird mit Stoff überzogen.

Großen Anteil an der Produktgestaltung haben hier die Hersteller. „Italien zeichnet sich durch die industrielle Tradition italienischer Handwerkskunst aus, durch eine hohe Fertigungskompetenz und durch die Fähigkeit, einen Entwurf industriell ? unter Einbeziehung der Bedürfnisse des Marktes ? zu interpretieren“, sagt Feltrin. Die Firmen sind bereit, Entwürfe umzusetzen, von denen andere glauben, sie seien nicht machbar.

Literatur:

 Ein Experiment der Designerin Patricia Urquiola: Die Sitzschale des Sessels „Mafalda“ hat Wellen, die durch eine besondere Drucktechnik entstehen. Foto: Moroso

Ein Experiment der Designerin Patricia Urquiola: Die Sitzschale des Sessels „Mafalda“ hat Wellen, die durch eine besondere Drucktechnik entstehen. Foto: Moroso

 Die Stühle „Osso“ der Brüder Bouroullec sehen aus, als wären sie aus einem Stück gearbeitet. Tatsächlich gibt es Verbindungen zwischen den einzelnen Teilen, nur sind sie absolut unsichtbar. Foto: Mattiazzi/Gerhardt Kellermann

Die Stühle „Osso“ der Brüder Bouroullec sehen aus, als wären sie aus einem Stück gearbeitet. Tatsächlich gibt es Verbindungen zwischen den einzelnen Teilen, nur sind sie absolut unsichtbar. Foto: Mattiazzi/Gerhardt Kellermann

 Für seine Leuchte „Stewie“ verwendet Designer Luca Nichetto unter Wärmeeinfluss formbares Polyethylen, das mit Stoff überzogen wird. Foto: Luca Nichetto

Für seine Leuchte „Stewie“ verwendet Designer Luca Nichetto unter Wärmeeinfluss formbares Polyethylen, das mit Stoff überzogen wird. Foto: Luca Nichetto

Claudia Neumann: Design Lexikon Italien, DuMont Reiseverlag, 1999, 384 Seiten, 15,29 Euro, ISBN-13: 978-3770144273

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort