Die Patchwork-Karriere - Besser klarkommen mit Befristungen

Nürnberg (dpa/tmn) · Einen Job ein Leben lang machen? Das war gestern. Heuten arbeiten viele befristet oder sind als Zeitarbeiter tätig. Das bringt viele Unsicherheiten mit sich. Es gibt aber Strategien, um damit besser zurechtzukommen.

 Karrieren werden heute wie Patchworkdecken oft aus mehreren Stationen zusammengebastelt. Die lebenslange Festanstellung bei einem Arbeitgeber ist aus der Mode gekommen. Foto: Karolina Rezac

Karrieren werden heute wie Patchworkdecken oft aus mehreren Stationen zusammengebastelt. Die lebenslange Festanstellung bei einem Arbeitgeber ist aus der Mode gekommen. Foto: Karolina Rezac

Gute Ausbildung, guter Job. Bis heute hält sich diese These. Ebenso wie der allgemeine Glaube, dass Zeitarbeit vor allem etwas für Geringqualifizierte ist, und ein Studium den sicheren Berufseinstieg garantiert. Doch weit gefehlt. Dass nach dem Studium oftmals weitere Lehrjahre und eine Zeit der Ungewissheit folgen, hat sich inzwischen herumgesprochen.

Wie das Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg ergab, ist der Anteil der befristeten Arbeitsverhältnisse zwischen 1996 und 2010 von 5 auf etwa 9 Prozent gestiegen. Und das betraf vor allem die Quote der befristeten Neueinstellungen, die zwischen 2001 und 2010 von 32 auf 46 Prozent zunahm. Auch die Zahl der Zeitarbeitnehmer hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt, wie die Statistik der Bundesagentur für Arbeit belegt. Doch was macht diese berufliche Unsicherheit mit den Menschen, und vor allem, wie kann man ihr begegnen?

„Gerade für die Generation der jungen Akademiker funktionieren die Karrieren der Eltern nicht mehr als Vorbild“, sagt die Soziologin Nadine Sander. Daher müsse man sich neue Vorbilder suchen, deren beruflicher Werdegang nicht so linear verlaufen ist. Grundsätzlich erforderten befristete Verträge und die damit verbundene Unsicherheit ein hohes Maß an Selbstmotivation und den Mut sowie die Kraft, die eigene Karriere zu gestalten.

Der Hamburger Psychologe Tom Diesbrock rät, sich stets wie ein Selbstständiger zu verhalten, auch als Angestellter. „Wer sich als Regisseur seiner beruflichen Laufbahn versteht, verhandelt mit Arbeitgebern auf gleicher Augenhöhe und begegnet auch schwierigen Situationen aktiv“, sagt Diesbrock. Wer etwa für eine Elternzeitvertretung eine Stelle annehme, sollte sich unbedingt schon vorher klar darüber werden, was danach kommt. „Wer lediglich hofft, dass es danach in irgendeiner Form in dem Unternehmen weitergeht oder sogar eine Entfristung kommt, macht sich nur abhängig und setzt sich unter Druck.“

Das gilt ebenso für viele Zeitarbeitnehmer. „Auch wenn die Entfristung nicht unbedingt als Ziel realistisch ist, kann man sich auch als Leiharbeitnehmer weiterqualifizieren“, sagt der Greifswalder Professor für Arbeits- & Organisationspsychologie, Manfred Bornewasser. Auch dadurch gewinnen Arbeitnehmer Sicherheit, denn mit der neuen Qualifikation finden sie hinterher wieder leichter einen Job.

Und Sicherheit ist nun mal ein Grundbedürfnis der Menschen, wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt. „Der Mensch ist so programmiert, dass er ein gewisses Maß an Sicherheit braucht. Sie gibt dem Leben Struktur und sorgt dafür, dass man nicht jeden Tag von neuem gucken muss, wie der Tag verläuft, wie die Arbeit ist und wo das Geld herkommt“, sagt Prof. Bornewasser. Alles andere bedeute enormen Stress. Wem diese Struktur fehle und den das belaste, der müsse nach innen für Stabilität sorgen.

Wie wichtig das ist, hängt auch vom eigenen Typ ab. Sander hat für ihre Promotion mit dem Titel „Das akademische Prekariat: Leben zwischen Frist und Plan“ an der Universität Freiburg vier verschiedene Typen ausgemacht, die sie mit den Begriffen Kompensation, Akzeptanz, Delegation und Stabilität umschreibt.

Dem Typus Kompensation sind gefestigte Familienverhältnisse und verlässliche private Netzwerke wichtig. „Diese Menschen haben ein hohes Vertrauen in sich selbst, vorausgesetzt das Privatleben ist stabil“, sagt die Soziologin. Der Typ Stabilität setzt alles auf geordnete Verhältnisse und eine chronologische Lebensplanung. Für ihn ist die Unsicherheit aber eine enorme Bedrohung. Das gilt auch für den Typus Delegation, der sich sicher fühlt, wenn das berufliche Netzwerk funktioniert. Er hat Vertrauen in Bezugspersonen, die ihn notfalls auffangen. Ganz anders der Typ Akzeptanz, der die Befristung als positive Herausforderung sieht.

Doch egal, welcher Typ man nun ist, für etwas mehr innere Sicherheit und einen Halt kann jeder sorgen. „Das kann ein Sportverein, der Freundeskreis, die Wohnung und die Familie sein“, sagt der Psychologe Diesbrock. Natürlich mache es auch Sinn, selbst für einen kurzen Zeitraum eine Wohnung in einer neuen Stadt einzurichten, um wirklich anzukommen und den Job als das zu akzeptieren, was er ist, egal wie kurz: als ein Teil der modernen Patchwork-Karriere.

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