Viel Zeit zum Lernen

Bitburg · In viereinhalb statt in drei Jahren macht Celina Paulus ihre Lehre zur Kauffrau für Bürokommunikation im Bitburger Beda-Institut. Wegen ihrer Behinderung hat sich die 17-Jährige für eine Teilzeitberufsausbildung entschieden.

 Gutes Team: Celina Paulus (rechts) und Ausbilderin Ingeborg Trappe-Butzbach. TV-Foto: Ariane Arndt-Jakobs

Gutes Team: Celina Paulus (rechts) und Ausbilderin Ingeborg Trappe-Butzbach. TV-Foto: Ariane Arndt-Jakobs

Bitburg. Für Celina Paulus hat die Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation gerade angefangen: Seit Anfang August lernt die 17-Jährige in der privaten Schule des Beda-Instituts für Musik, Darstellende und Bildnerische Kunst in Bitburg.
Celina Paulus wird sich dafür mit dem Modell der Teilzeitberufsausbildung viereinhalb Jahre Zeit nehmen. Die 17-Jährige sitzt im Rollstuhl, sie ist mehrfach behindert. Als sie sechs Jahre alt war, wurde bei ihr die komplexe und seltene Krankheit Tuberöse Sklerose diagnostiziert, bei der unter anderem gutartige Gewebewucherungen in den Organsystemen auftreten können. Außerdem leidet sie an Narkolepsie, umgangssprachlich Schlafkrankheit genannt. "Es kann passieren, dass ich plötzlich in Tiefschlaf falle", erklärt sie. Aber bei der Arbeit komme das nur sehr selten vor. Beide Krankheiten bedingen, dass sie nur etwa drei Stunden lang konzentriert arbeiten kann.
Dass sie unter diesen schwierigen Bedingungen eine Ausbildung gefunden hat, die ihr Spaß macht, verdankt sie auch der Fahrbaren Jugendkunstschule für schwerkranke Kinder und Jugendliche, die das vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur geförderte Beda-Institut anbietet. Diese machte bei Celina Paulus in Neuerburg Station - so begegnete sie vor vier Jahren zum ersten Mal ihrer heutigen Ausbilderin Ingeborg Trappe-Butzbach, Vorstandsvorsitzende der Stiftung des Beda-Instituts für Europäische Kulturbildung.
Dass sie sich bereits so lange kennen, sei wichtig für die Zusammenarbeit, sagt Trappe-Butzbach. Jeder habe gewusst, was ihn erwartet. Nach einem Praktikum war Celina Paulus klar, dass die Ausbildung das Richtige für sie ist. "Ich liebe Zahlen und knifflige Aufgaben. Mathe war mein Lieblingsfach in der Schule", sagt sie. Eine wichtige Voraussetzung für eine Kauffrau für Bürokommunikation. Trappe-Butzbach ergänzt: "Man muss Spaß, Liebe und Geduld dafür haben, sich um Akten zu kümmern."
Eventuell kann Celina Paulus ihre Ausbildungszeit verkürzen. Es sei aber wichtig, die Zusammenarbeit ohne Erwartungen zu beginnen, betont Trappe-Butzbach. Unternehmen, die einen behinderten Menschen ausbilden möchten, empfiehlt sie, vorher eine Partnerschaft einzugehen, damit beide wissen, worauf sie sich einlassen. "Jeder Mensch ist anders, es gibt kein allgemeingültiges Konzept", betont sie. Bei Celina Paulus ist sie sich sicher, dass die Zusammenarbeit funktioniert. "Ich weiß, dass sie vieles kann. Sie braucht eben nur ihre Zeit."

Extra

Die Möglichkeit zur Teilzeitausbildung besteht laut Berufsbildungsgesetz, wenn "ein berechtigtes Interesse besteht". Sie kann für Menschen mit Behinderungen infrage kommen, aber etwa auch, wenn der Auszubildende ein eigenes Kind oder einen pflegebedürftigen Angehörigen betreuen muss. Daneben gibt es unterschiedliche Fördermöglichkeiten. Das Beda-Institut erhält beispielsweise einen Ausbildungszuschuss. Auch die Kosten für das Taxi, das Celina Paulus von Neuerburg nach Bitburg und zurück bringt, werden bezuschusst. "Wenn wir die Kostenträger sind, haben wir viele Unterstützungsmöglichkeiten", sagt Joachim Wagner, Teamleiter des Fachbereichs Integration von (schwer-)behinderten Menschen und Rehabilitanden in den Arbeitsmarkt der Trierer Arbeitsagentur. "Wir sind froh, wenn Betriebe bereit sind, behinderte Menschen einzustellen." Interessierte Arbeitgeber können sich bei der Agentur persönlich beraten lassen. arn www.arbeitsagentur.de/trier www.beda-institut.deExtra

Kaufleute für Bürokommunikation findet man in allen Bereichen von Industrie, Handel und Verwaltung. Sie übernehmen im Wesentlichen typische kaufmännische Funktionen sowie Assistenz- und Sekretariatsaufgaben oder sind im Personal- und Rechnungswesen aktiv. Haupteinsatzgebiet ist meist das geschriebene Wort. Auch Tabellen und Grafiken gehören dazu. Gefragt sind Freude an kaufmännischen Tätigkeiten, gute Rechtschreibkenntnisse, Interesse an Bürokommunikation, Hang zum kreativen Umgang mit Texten und Computern. Kaufleute für Bürokommunikation sind Fachkräfte in der Textgestaltung und Kommunikationsübermittlung. Sie assistieren bei Verkaufsgesprächen, Tagungen und Seminaren. (Quelle: www.ihk-trier.de) Die Ausbildung dauert drei Jahre. Die Vergütung ist unterschiedlich und richtet sich nach der Branche, in der die Ausbildung absolviert wird. Der Ausbildungsatlas der Industrie- und Handelskammer Trier gibt im Internet einen Überblick über die Angebote in der Region Trier. Dort finden sich auch Job-Steckbriefe sowie eine Lehrstellenbörse. arn www.ihk-trier.de

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