Genuss Dekantieren: Wie es geht und für welchen Wein es das Richtige ist

Trier · Wein muss „atmen“ - oder nicht? Für manchen gilt es einfach als vornehm, dass man Wein dekantiert. Aber nicht jeder weiß, was dabei passiert und welchem Wein es überhaupt nicht gut tut. Hier erfahren Sie alles Wichtige.

 Nicht für jeden Wein ist das Dekantieren gut. Es kommt auf die Sorte und das Alter an.

Nicht für jeden Wein ist das Dekantieren gut. Es kommt auf die Sorte und das Alter an.

Foto: dpa/Jesus Merida

Dekantieren - Schon oft gehört, klar. Weinkenner machen das, oder? Der Wein soll schließlich atmen, so heißt es. In so großen, bauchigen Glaskaraffen, bei deren Anblick jede Hausfrau sofort denkt: Wie kriege ich die bloß streifenfrei sauber? Was die meisten Weintrinker wohl im Zusammenhang mit dekantieren verbindet: ihr fundiertes Halbwissen. Denn muss der Wein wirklich atmen? Gilt das für Weißwein? Oder eher für Rotwein? Schauen wir uns das Dekantieren einmal genauer an.

Dekantieren gibt es nicht nur beim Wein

Ursprünglich stammt das Wort "dekantieren" aus dem Französischen. Décanter bedeutet: umfüllen, abgießen, klären. Vor allem in der Chemie wird der Begriff benutzt, um zu beschreiben, wenn vermischte Stoffe verschiedener Zustände zum Beispiel durch Abgießen voneinander getrennt werden. Den gleichen Prozess beschreibt das Wort dekantieren beim Wein. Es geht darum, den edlen Tropfen vom manchmal vorhandenen Bodensatz, der meist bitter schmeckt, zu trennen. Dafür wird der Wein aus der Flasche langsam in ein anderes Behältnis gegossen, das feste Sediment soll so in der Flasche zurückbleiben. Am besten geschieht das über einem hellen Untergrund, zum Beispiel einer weißen Tischdecke, oder vor dem Fenster gegen das Licht. Sobald Schwebteilchen in Richtung Flaschenhals kommen, einfach aufhören mit dem Umfüllen.

Karaffieren - ein Wort, das kaum benutzt wird.

Und dann gibt es unter Weinkennern noch den Begriff "karaffieren". Den meistern Laien dürfte er fremd sein. Dabei ist er eigentlich selbsterklärend und meint ganz allgemein das Umfüllen einer Weinflasche in einen anderen Behälter, in der Regel in eine Karaffe. Genießer tun dies nicht nur, um die Tischkultur oder ihr Ansehen zu heben. Bei manchen Weinen macht das tatsächlich Sinn. Stichwort: Atmen. Doch dazu später mehr. Um dem Geheimnis von Karaffieren und Dekantieren auf die Spur zu kommen, werfen wir zunächst einen Blick auf die handelsüblichen Glasgefäße, die in jedem gut sortierten Haushaltswarengeschäft oder über das Internet erhältlich sind.

Grundsätzlicher Unterschied: Weinkaraffe und Decanter

Fangen wir bei den Gefäßen an, die der Handel unter dem Namen Karaffe oder Decanter anbietet. Meist sind sie aus Glas. Doch schon auf den ersten Blick fällt auf: Die sind ganz unterschiedlich! Die einen sind von oben bis unten schmal und haben oft einen geschwungenen Henkel/Griff und manchmal auch einen schnabelförmigen Ausguss. Das sind die Karaffen. Die anderem haben einen schmalen Hals und erweitern sich nach unten in einen ganz dicken Bauch. Das sind die klassischen Decanter. Und schon bringen uns die Begriffe durcheinander, denn die bauchigen Decantierkaraffen eignen sich zwar, um den Bodensatz zu trennen, sind aber trotzdem nicht für jeden Wein geeignet, auch wenn immer nur vom Dekantieren die Rede ist.

Wein dekantieren: Wie geht es richtig?

Um die Frage nach der richtige Umsetzung zu beantworten, gilt es, zunächst das Etikett der Weinflasche zu studieren, die ich später genießen will. Die Frage, ob Rot- oder Weißwein, ist schnell beantwortet. Auf dem Etikett kann ich ablesen, wie alt der Wein ist. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Ein Blick durch die Flasche gegen das Licht kann auch erhellend sein, denn: Bei Weinen, die älter als sechs bis sieben Jahre sind, hat sich im Laufe der Jahre am Flaschenboden ein Sediment abgesetzt. Weißweine bilden am Boden kristalline Kalium- und Calcium- Ablagerungen, die man als Weinstein bezeichnet. Bei Rotweinen sinken Farb- und Gerbstoffe als feste Stoffe zu Boden. Das nennt man Depot. Diese festen Stoffe sollten durch vorsichtiges Umfüllen vom Wein getrennt werden, denn sie sind ungenießbar und trüben die Freude.

Dazu gieße ich den Wein, den ich am besten schon am Vortag aus der liegenden Position im Weinregal in die Senkrechte gestellt habe, ganz langsam in das vorgesehene Gefäß, ohne ihn allzu viel aufzuwirbeln. Manche Karaffen haben auch ein integriertes Sieb. Notfalls, wenn man nicht so ganz sicher in der ruhigen Bewegung ist, hilft auch ein feinmaschiges Küchensieb, um die Feststoffe vom Wein zu trennen. Aber welche Karaffe nehme ich denn nun dafür? Genau da hört das eingangs beschriebene fundierte Halbwissen der meisten Weintrinker auf.

Welcher Wein sollte dekantiert/karaffiert werden?

Gealterte Rotweine, die im Laufe der Jahre immer weniger Tannine enthalten, dürfen keinesfalls in eine bauchige Karaffe. Sie müssen auch nicht atmen! Im Gegenteil. Das Dekantieren sollte möglichst vorsichtig erfolgen über einen ganz schmalen Flaschenhals in eine schmale Karaffe, denn sonst besteht die Gefahr, dass der Wein durch Kontakt mit zu viel Sauerstoff oxidiert, quasi sehr schnell altert, und ungenießbar wird. Und genau das will der Weinfreund ja nicht erreichen! Daher die Faustregel: Je älter der Wein, desto mehr Vorsicht beim Dekantieren und desto kürzer sollte er mit Luft in Berührung kommen! Der weit verbreitete Glaube, je älter der Wein, desto eher müsse er dekantiert werden und in bauchige Karaffen mit großer Oberfläche umgefüllt werden, ist also Quatsch.

Anders ist es bei jungen Weinen, egal, ob Rotwein oder Weißwein. Ihnen kann der kontrollierte Sauerstoffschock, den der Wein durch das Umfüllen in eine bauchige Karaffe mit großer Oberfläche erfährt, tatsächlich gut tun. Denn Inhaltsstoffe wie Säuren, Ester und Kohlenwasserstoffmoleküle, die wichtige Geschmacksträger enthalten, reagieren sehr schnell auf den Sauerstoff. Die Folge: Der Wein entfaltet sich und wird komplexer und geschmackvoller. Es wird quasi ein Reifezustand suggeriert, für den der Wein sonst erst noch einige Jahre in der Flasche hätte reifen müssen. Dennoch ist er nicht gleichzusetzen mit einem mehrjährigen Reifegrad in der Flasche. Es ist eher ein " als ob". Außerdem können sich stickige Gerüche, die oft in dem schmalen Luftband im Flaschenhals zwischen Kork und Weinoberfläche entstehen, dadurch verflüchtigen und der Wein wird aromatischer. Das also ist gemeint, wenn Weinkenner davon sprechen, dass der Wein atmen müsse.

Dekantieren im Schnelldurchlauf - Wie der Mixer helfen kann

Und für Situationen, in denen es mit dem Wein mal schnell gehen muss, gibt es hier noch den ultimativen Life-Hack aus dem Internet. Er wurde erfunden und publiziert von dem US-Amerikaner Nathan Myhrvold. Der Mathematiker und Physiker ist leidenschaftlicher Hobbykoch und hat Aufsehen erregt mit seiner Methode, junge Rotweine durch den Mixer laufen zu lassen. Weinkenner schlagen die Hände über dem Kopf zusammen und sind entsetzt. Doch Myhrvold ist überzeugt: Durch den Turbo-Sauerstoffschock wird der Wein innerhalb von Sekunden aromatischer und weicher. Auf YouTube sind mittlerweile einige Filme dazu zu finden. Wer Wein mit Schaum mag, sollte es ruhig einmal ausprobieren. Zumal der Schaum nach kurzer Zeit wieder verfällt. Für junge, noch nicht ganz ausgereifte Weine mag das eine Methode sein, schnell den Geschmack zu pimpen. Ältere, gereifte, wertvollere und gehaltvollere Weine sind dafür mit Sicherheit zu schade.

Zusammenfassung: Wein dekantieren leicht gemacht

Da man vor lauter dekantieren und karaffieren leicht durcheinander geraten kann, hier noch mal in Kürze:

Junge Rot- und Weißweine können in bauchige Karaffen umgefüllt werden, in denen der Wein eine große Kontaktfläche mit Sauerstoff erhält. Der Wein kann sich dadurch geschmacklich entfalten.

Ältere Rot- und Weißweine, bei denen man das Depot oder den Weinstein entfernen will, werden ganz langsam und vorsichtig in eine schmale Dekantierkaraffe umgefüllt. Der Kontakt mit Sauerstoff sollte möglichst vermieden werden.

Wer unsicher ist, sollte aufs Dekantieren oder Karaffieren besser verzichten. Zu schnell tut man dem Wein - und damit sich selbst - nichts Gutes. Wer unbedingt auf "atmen" besteht, dem sei gesagt: Ausgeschenkt im Glas hat der Wein auch Kontakt mit Sauerstoff und entwickelt sich weiter.

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