Auf der Suche nach Steinpilz und Pfifferling

Deuselbach · "Das wird toll, ich liebe Pilze!" Helga Kübler-Buchheit steht erwartungsvoll auf einem Waldweg in der Nähe des Hunsrückhauses am Erbeskopf. An ihrem linken Arm baumelt ein großer hellbrauner Bastkorb.

Kübler-Buchheit ist extra aus Koblenz angereist, um mit dem Pilzexperten Hans Reichert und 30 weiteren Sammlern im Hunsrück auf Pilzsuche zu gehen. Bevor es losgeht, gibt der Biologe den Sammlern wichtige Informationen mit auf den Weg. Pilze seien "besondere Lebewesen", ohne die "unsere Welt nach kurzer Zeit unbegehbar wäre", erklärt Reichert. Denn sie zersetzen totes organisches Material und führen es in den natürlichen Kreislauf zurück - zum Beispiel Laub oder abgestorbene Bäume. In Deutschland gebe es Hunderte Arten, davon seien nur die wenigsten essbar. Auch ein Experte könne "unmöglich alle Pilze kennen". Deshalb weist er seine Gruppe an: "Nehmen Sie alles mit. Aber was ich nicht kenne, sortieren wir aus."
Auf Reicherts Kommando schwärmen die Pilzsucher aus in den dichten Fichtenwald. Kübler-Buchheit stapft durch ein Dickicht aus herabgefallenen Zweigen, den Blick konzentriert auf den Waldboden gerichtet. "Da ist einer", ruft sie und kniet an einem Baumstamm nieder. Vorsichtig dreht sie den Pilz mit dem dünnem Stiel und der braunen Kappe heraus und hält ihn unter ihre Nase. "Der riecht gut, aber was es ist, weiß ich nicht", sagt sie und legt ihren Fund in den Korb. Die Koblenzerin besitzt etwa zehn Pilzbestimmungsbücher, in jedem, sagt sie, stehe jedoch etwas anderes. Da sei es "schon besser, die Pilze vom Fachmann prüfen zu lassen".
Prüfen soll der Experte auch ihren nächsten Fund: ein leuchtend gelbes Etwas, verzweigt wie ein kleines Geweih, das vor ihr aus dem Waldboden sprießt. "Das könnte ein Korallenpilz sein", vermutet sie. Plötzlich schrillt eine Trillerpfeife, das Zeichen für die Pilzsucher, sich auf einer Lichtung zu sammeln. Jetzt geht es ans Bestimmen - denn was für den Sammler schmackhaft aussieht, kann hochgiftig oder zumindest ungenießbar sein.
Die Körbe der Teilnehmer sind gut gefüllt, Pilzexperte Reichert beäugt sie der Reihe nach. Wichtig für die Bestimmung sind nicht nur Farbe und Form, sondern auch Geruch und Konsistenz der Pilze. Hanna (elf Jahre) und Mara Reichert (neun) aus Trier haben ein interessantes Exemplar gefunden, einen Bovisten. Er ist rund wie eine Knolle, hat nicht die typische Pilzform aus Hut und Stiel. Reichert nimmt ihn zwischen zwei Finger und drückt leicht auf die Rundung. Ein brauner Staub quillt heraus. "Daran erkennen Sie, dass dieser Bovist schon alt und ungenießbar ist." Essen könne man dagegen die jüngeren Exemplare mit festem weißen Fleisch. Jetzt kommt der vermeintliche Korallenpilz der Koblenzerin an die Reihe. "Ein klebriger Hörnling. Schwer verdaulich, aber als Ballaststoff kann man ihn dazu tun", scherzt Reichert und nimmt einen weiteren Pilz mit braunem Hut entgegen. Es ist ein Röhrling, davon gibt es laut Reichert nur etwa 30 Arten in Deutschland. "Die Gruppe ist überschaubar und deshalb ideal für Anfänger", erklärt der Fachmann, schneidet ein Stück ab und reicht es Franz-Josef Dahm zum Probieren. Der Pilzfreund aus Zell-Kaimt an der Mosel spuckt es gleich wieder aus. "Bitter", sagt er und verzieht das Gesicht. Ein Gallenröhrling - sein Geschmack, die grobe dunkle Netzstruktur am Stiel und die rosa Färbung der Hut-Unterseite unterscheiden ihn vom schmackhaften Steinpilz, erklärt Reichert.
Die Champignons in ihren Körben erkennen fast alle Teilnehmer. Erkennungsmerkmale laut Reichert: weißer Hut und ein hautartiger Ring (Manschette) am Stiel. Ganz wichtig: Champignons haben immer farbige Lamellen, bei ihrem giftigen Doppelgänger, dem Knollenblätterpilz, sind sie weiß. Ungefährlich und lecker ist der Pilz mit rötlich-braunem Hut und perlenartigen Pusteln, den Reichert im Korb einer Teilnehmerin entdeckt: "Ein Perlpilz. Den erkennen Sie daran, dass er an verletzten Stellen rot wird."
Mit Hilfe des frisch erworbenen Wissens sortieren die Sammler ihre Fehlgriffe schnell aus. Die Körbe leeren sich deutlich. "Dann starten wir jetzt Runde zwei", ruft Reichert, und die Wanderer marschieren los, diesmal mitten hinein ins Unterholz.
Und sie haben Erfolg: Versteckt unter dichten Fichtenzweigen entdeckt eine Gruppe drei fast tellergroße Schaf-Champignons. Und auch Helga Kübler-Buchheit hat Glück: Gleich mehrere Pfifferlinge landen in ihrem Korb.
Nach drei Stunden machen sich die Pilzsucher mit randvollen Körben auf den Rückweg.
Biologe Reichert ist erstaunt über die große Ausbeute - obwohl die Monate September und Oktober die beste Zeit fürs Pilzesammeln sind. "Das reicht heute für ein üppiges Essen." Bevor es ans Schmausen geht, müssen die Pilze allerdings im Hunsrückhaus erst einmal geputzt werden.
Den Schmutz entfernen die Teilnehmer mit Messern und Pinseln. "Pilze dürfen Sie niemals mit Wasser säubern, dann saugen sie sich voll und werden schwammig", warnt Reichert, während Sandra Schmitt, Köchin im Hunsrückhaus-Bistro, den Herd anwirft. Vor den Augen der hungrigen Sammler kocht sie aus Bergen von geputzten Champignons, Stein- und Perlpilzen ein duftendes Pilzragout, das wenig später auf den Tellern der Teilnehmer landet - und ebenso schnell verputzt wird. "Superlecker" sind sich die Pilzsucher einig. Und Franz-Josef Dahm findet: "Dafür hat sich die Sucherei auf jeden Fall gelohnt."
Von Christa Weber

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