„Dann gehe ich eben zu Oma“

Wenn die Großeltern erlauben, was die Eltern verbieten, gibt es Ärger: Was Sie für ein gutes Verhältnis tun können

 Inniges Verhältnis, lockere Regeln: Großeltern erlauben den Enkeln oft mehr als den eigenen Kindern.

Inniges Verhältnis, lockere Regeln: Großeltern erlauben den Enkeln oft mehr als den eigenen Kindern.

Foto: istock.com/lisa valder

"Oma erlaubt mir das aber!" Solche Sätze sind für viele Eltern der reinste Horror. Wenn Kinder bei den Eltern nicht das bekommen, was sie wollen, weichen sie gerne zu den Großeltern aus. Das kann zu Konflikten in der Familie führen.

Wenn die eigenen Kinder plötzlich selbst Eltern werden, ist das oft ein Problem für die angehenden Großeltern: Sie müssen lernen zu akzeptieren, dass ihr Nachwuchs nun selbst Nachwuchs haben wird und damit in eine ganz neue, unbekannte und spannende Lebensphase eintritt. Da ist in erster Linie eine Sache zu re-spektieren: "Mein Kind wird nun selbst Verantwortung für sein Kind übernehmen müssen." Und damit muss eben auch die neue Rolle des Großeltern-Seins zunächst erlernt werden.
Die Diplom-Psychologin Elisabeth Schlumpf geht in ihrem Buch "Enkel sind ein Geschenk - Die Freude der Großeltern" auf die Bedeutung dieser besonderen Beziehung ein. Sie gibt darin Tipps für ein harmonisches Miteinander und lässt Großeltern zu Wort kommen.Der Lernprozess beginnt mit der Geburt

Für alle Generationen beginnt zunächst ein Lernprozess, wenn ein Kind auf die Welt kommt. Die Großeltern müssen für sich annehmen, dass ihre Kinder quasi in den gleichen Rang aufrücken - als vollwertige Erziehungsberechtigte, schreibt die Psychologin. Problematisch sind bei Interaktionen zwischen Erwachsenen, dass Omas und Opas gerne ihr langjähriges Wissen gegen die eigenen Kinder ausspielen möchten. Dabei meinen es die meisten wahrscheinlich im Grunde genommen gar nicht böse, sondern wollen tatsächlich helfen. Für die frischen Eltern scheint jede ungewollte Einmischung ein Angriff.
Zum Streit kommt es vor allem dann, wenn es "zwischen den Generationen unausgetragene Konflikte" gibt oder sich die Kinder selbst von ihren Eltern noch nicht gelöst haben. Diplom-Psychologin Schlumpf weiß: "Es kann vorkommen, dass die Großeltern einen harmlosen Tipp geben, sich die Eltern sofort gekränkt fühlen, nach dem Motto: ,Immer willst du über mein Leben bestimmen.‘ Dann werden alte Probleme am Enkelkind aufgeladen", schreibt sie. Wer kennt diese Situation nicht? Die Mutter verbietet dem Nachwuchs etwas Süßes - und die Oma sagt: "So ein kleines Stückchen Schokolade kann doch nicht schaden". Doch in gewissen Situationen schadet es vor allem der Beziehung zwischen den beiden Generationen: Der eine will die Erziehung des eigenen Kindes selbst in die Hand nehmen und die eigenen Regeln durchsetzen und kontrollieren. Der andere Part meint es vielfach einfach gut und denkt dabei vielleicht auch reumütig an seine eigene Strenge, die ja meist bei den Enkelkindern wieder abgelegt wird. Dafür gibt es einen simplen Grund: Großeltern müssen nicht erziehen! Das wiederum ist Ursache dafür, dass sie vieles entspannter handhaben, wenn es etwa um Aufräumen oder Süßigkeiten, Fernsehen oder Computerspiele geht. Dass Eltern den Omas und Opas dieses durchaus in einem gewissen Rahmen zugestehen sollten, das fördert das Miteinander nicht nur, sondern es gibt den Enkeln die Möglichkeit, beispielsweise bei Streitigkeiten einen familiären Vertrauten zu haben, an den man sich wenden kann. Wenn Mama und Papa keine Zeit haben, ist es doch eine tolle Sache, wenn Kinder sich mit Fragen auch an ihre Großeltern wenden können. Problematisch wird es erst, wenn die Großeltern die Enkelkinder selbst erziehen wollen und sich in alles einmischen wollen. Dann schaukeln sich die Emotionen hoch, dann gibt es bei kleinsten Anlässen Auseinandersetzungen.
"Beide Parteien sollten sich in einer ruhigen Atmosphäre aussprechen", rät die Psychologin. "Auf keinen Fall dann, wenn es gerade zu einem Streit gekommen ist. Immer erst einmal in Ruhe darüber nachdenken und dann das Gespräch suchen." So kann man neben den Regeln für das Kind auch Regeln für Oma und Opa erarbeiten.
Im Ausspruch "So richtig genießen kann man erst die Enkel" steckt viel Wahres: Denn für die eigenen Kinder ist oft weniger Zeit da, weil Eltern mehr Verpflichtungen eingehen. Da ist es selbstverständlich, dass beispielsweise ein gemütliches Mittagessen bei und mit der Oma viel entspannter ist als bei Mama, die sich meistens noch um andere Dinge kümmern muss. Den Alltag, den heute Familien miteinander haben, hatten die Eltern früher mit ihren Eltern. Deshalb sind Oma und Opa gelassener: Sie müssen nicht mehr entscheiden, in welchen Kindergarten der Nachwuchs soll, welche Schule die Beste ist - was grundsätzlich das beste für die Enkel ist. Sie haben alles das schon mit den eigenen Kindern durchexerzieren müssen - nun müssen sie diese Kämpfe und Sorgen nicht mehr ausstehen. Oma und Opa sollten aber - wenn gewollt - den Eltern mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Großeltern gewähren mehr Freiheiten: Die Zeit, die die Enkel bei ihnen verbringen, ist begrenzt, und die wollen sie in der Regel genießen - eben das, was ihnen bei den eigenen Kindern meist nicht vergönnt war. Für die Enkel sind Besuche bei Oma und Opa oft "Ferien von den Eltern". Mal ehrlich: Wer kennt das nicht selbst von früher? Genossen haben das doch alle! Oma konnte einen so richtig verwöhnen, denn sie hatte keinen Anlass zu schimpfen, wenn die Schulnote schlecht oder das Zimmer nicht aufgeräumt war. Bei Oma und Opa war es immer am schönsten, denn dort hatte man als Kind seine Freiheiten.
Auch in den harmonischsten Familien kann es zu Reibereien kommen - aber wie kann man das verhindern oder damit umgehen? Dr. Andrea Schmelz, Ärztin und Mutter, schreibt dazu: "Natürlich hat eine Oma, die meistens nicht nur ein, sondern häufig mehrere Kinder großgezogen hat, viel Erfahrung in Sachen Babypflege und Erziehung. Aber meistens stimmen diese häufig nicht mehr mit den heute gängigen Methoden überein, und zweitens wollen Eltern ihre eigenen Erfahrungen machen, so dass meist gut gemeinte Ratschläge schnell als unerwünschte Einmischung ankommen." Deshalb empfiehlt sie: "Suchen Sie immer das Gespräch!" Und zwar sobald ein Konflikt auftritt. Denn wenn man zu lange etwas herunterschluckt, kann es passieren, dass man schon bei einer Kleinigkeit explodiert. Claudia SzellasWenn die Fronten verhärtet sind - einige Experten-Tipps

1. Auch Oma und Opa müssen lernen, dass sich die Gewichte innerhalb der Familie verschoben haben: Tragen Sie als Eltern die Verantwortung, stellen aber die Erziehungskompetenz ihrer Eltern nicht infrage. Zumal diese ja auch Sie groß gezogen haben.
Sind die Auffassungen unterschiedlich, dann erklären Sie es: Sie gehen einen anderen Weg, und den halten Sie für richtig - gegenseitige Akzeptanz ist dabei ein wichtiger Faktor!

2. Legen Sie genau fest, was Ihnen besonders wichtig ist bei der Erziehung - und dabei auch, was nicht ganz so streng gehandhabt werden muss. Und genau da haben Sie eine "Lücke", die die Großeltern perfekt für sich nutzen können, denn Ausnahmen, die nur bei Oma und Opa gelten wie etwa mal ein Eis mehr oder eine Stunde länger Fernsehen schauen, das hat noch keinem Kind geschadet. Und Kinder können, das sagen die Experten ganz klar, auch genau unterscheiden, bei wem sie was dürfen.

3. Ganz wichtig: Setzen Sie niemals Ihr Kind oder Enkelkind als Druckmittel ein, getreu dem Motto: "Wenn du dich nicht an meine Spielregeln hältst, dann kommen wir nicht mehr".
Das kann verheerend sein: Denn Kinder genießen auch das Zusammensein mit den Großeltern. Diese können von früher berichten, was jeder Nachwuchs liebt, wenn er hört, was Papa und Mama so angestellt haben. Sie erfahren von alten Bräuchen, und sie lernen, mit älteren Menschen umzugehen.

4. Treffen Sie genaue Absprachen bei wichtigen Fragen der Erziehung, machen Sie keine Kompromisse, Ihr Kind muss Sie als denjenigen akzeptieren, der sagt, wo es langgeht! Aber genießen Sie doch mal eine Auszeit für sich und Ihren Partner, indem Sie die Großeltern mit den Kindern beispielsweise in den Zoo oder ins Kino gehen lassen - dann dürfen diese auch verwöhnen, was das Zeug hält, und Sie haben Zeit, sich selbst zu verwöhnen! Claudia SzellasAdressen

Lebensberatung, Beratungsstelle des Bistums Trier, Kochstraße 2, Trier, Tel. 0651/75885, www.lebensberatung.info
Kinder- und Jugendhilfe Palais, Christophstraße 1,Trier, Tel. 0651/ 700161, www.palais-ev.de
Sozialdienst katholischer Frauen, Krahnenstr. 33, Trier, Tel. 0651/94960, www.skf-zentrale.de
Caritas, Haus der Beratung, Petrusstraße 28, Trier, Tel. 0651/2096-202, www.rctrier.caritas.de
Lebensberatung Wittlich, Kasernenstraße 37, Wittlich, Tel. 06571/4061
Lebensberatung Gerolstein, Kasselburger Weg 4, Gerolstein, Tel. 06591/4153Buchtipps

Andrea Schmelz: Gesundheit und Erziehung für mein Kind
Riva-Verlag, 318 Seiten.

Elisabeth Schlumpf: Enkel sind ein Geschenk - Die Freuden der Großeltern
Kösel Verlag, 192 Seiten, 16,99 Euro

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