Das Museum Tudor in Rosport zeigt die Geschichte der Elektrifizierung

Rosport · Sie stecken in unseren Handys oder Fernbedienungen: Akkumulatoren, kurz Akkus. Heute sind sie grade mal so groß wie ein Kinderfinger. Früher hatten sie Maße wie ein Reisekoffer. Wer den Ursprüngen der Akkus nachspüren will, der sollte mal im Museum Tudor in Rosport vorbeischauen. Erwachsene frischen dort ihr verstaubtes Schulwissen auf und Kinder können den ganzen Tag lang experimentieren.

Das Museum Tudor in Rosport zeigt die Geschichte der Elektrifizierung
Foto: Tobias Thieme

Würzige Landluft empfängt den Besucher am westlichen Ende Rosports, dort, wo die kleine Kirche steht. Quell der Brise von starkem Charakter ist frischer Dung vom Irminenhof. Das Gut liegt vis-à-vis der kleinen Kirche. Auf dem Hof lebte vor etwa 150 Jahren einer der wohl bedeutendsten Tüftler der Region: Henri Tudor. Seine wichtigste Erfindung? Er hat es geschafft, einen Akkumulator, heute kurz Akku genannt, nutzbar zu machen. Unbrauchbare Prototypen anderer Erfinder hat er so weiterentwickelt, dass er sie in Serie produzieren konnte. Außerdem baute er Stromnetze für ganze Ortschaften, wie etwa Echternach, die so zum ersten Mal mit elektrischer Energie für Straßenbeleuchtung oder Handwerksbetriebe versorgt werden konnten. Seit Mai 2009 gibt es in dem kleinen luxemburgischen Dorf an der Sauer nun ein Tudor-Museum. Ein Besuch ist genau das Richtige für graue Herbst- oder kalte Wintertage.

Das Museum ist besonders für Familien geeignet. Denn das großzügige Haus, das Tudor später hinter dem Irminenhof gebaut hat, gleicht weniger einem verstaubten Geschichtsbuch als einem prall gefüllten Experimentierkasten. Anfassen ausdrücklich erwünscht, heißt es an den meisten Ausstellungsstücken. So lässt sich spielerisch die Welt der Tüftler und Erfinder im 19. Jahrhundert entdecken. Veerle (zehn Jahre), Nicole und Conny (beide neun Jahre) starten heute ihre Entdeckertour im dritten Geschoss des Hauses.

Der Weg zurück ins Erdgeschoss ist eine Zeitreise durch die Epoche der Elektrifizierung. Die Reise beginnt in einem schummrigen Raum. Es klappert, quietscht und klackert. Ein großes Modell mit vielen Zahnrädern, Riemen und Kurbeln symbolisiert das Zeitalter ohne Strom, in der Maschinen von Wasser-, Wind- oder Menschenkraft angetrieben wurden. Im Hintergrund schnattern aus Lautsprechern Enten, es muhen die Kühe, es krähen die Hähne. Die Menschen begannen ihren Tag mit dem Hahnengeschrei und beendeten ihn mit Sonnenuntergang. Doch bis Henri Tudor das ändern konnte, war es noch ein langer Weg. Nicole lässt bei einem Experiment Froschschenkel zappeln. Der Italiener Luigi Galvani hatte so einst den Fluss elektrischen Stroms nachgewiesen – heute sind die Krötenbeine allerdings aus Plexiglas und Draht. Die Forschungsergebnisse Galvanis machte sich Alessandro Volta zunutze, der eine der ersten Batterien entwickelte. Auch die bauen die Mädels an einem Modell nach. Ob der Strom tatsächlich fließt? Fehlanzeige. Da müssen die drei wohl nochmal den Begleittext an der Wand studieren. Es gibt ohnehin viel zu tun. „Was soll das denn sein“, fragt sich Veerle. Während sie eifrig auf den Schaltern eines Elektromagneten herumdrückt, dreht Conny unermüdlich an einem Handgenerator, um Wechselstrom zu produzieren.

Die Kinder stürmen in den nächsten Ausstellungsraum. Dort geht es dann endlich um den Mann, der dem Museum seinen Namen gab: Henri Tudor. Der in Ferschweiler (Kreis Bitburg-Prüm) geborene Erfinder begann 1885 die industrielle Produktion von Blei-Akkumulatoren. Die unbrauchbaren Prototypen seiner Forscherkollegen brauchten ein Jahr, um geladen zu werden. Wer will heute schon so lange auf sein Handy verzichten? An einem Holzmodell, groß wie ein Tisch, mit vielen kleinen Schubladen, können die Kinder nachvollziehen, wie Tudor seinen Akku konstruierte: Er hatte eine schwere Bleiplatte mit Bleioxyd bestrichen und die Oberfläche der Platten vergrößert. Das Tolle an den effizienten Akkus: Wenn die Nachfrage nach Strom besonders hoch war, konnten sie genug zusätzliche Energie abgeben, um einen Ort zuverlässig zu versorgen. Nachts wurden sie dann von den Generatoren wieder geladen. Die Akkus waren damals aber noch so groß wie Reisekoffer. Und die Ingenieure mussten gleich mehrere von ihnen aufeinanderstapeln.

Dass man mit der Energie haushalten muss, wird den drei Mädchen klar, als sie für die Beleuchtung von ein paar Hängelampen selber strampeln müssen. Auf einem fahrradähnlichen Gestell treiben sie einen Dynamo an, der immer schwergängiger wird, je mehr Lampen sie zuschalten. „Ganz schön anstrengend“, sagt Veerle mit hochrotem Kopf. Trotzdem macht es den Mädchen großen Spaß, ihren Strom selber zu produzieren. Haushalten müssen die drei auch als „Energiemanager“ von Echternach, wenn sie an einem Simulator entscheiden müssen, wer denn nun den begehrten Strom bekommt: Handwerker oder Privathäuser? An einer Schalttafel müssen sie entscheiden, wie viele Generatoren laufen sollen, ob die Straßenbeleuchtung eingeschaltet werden soll oder ob die Menschen daheim abends noch Bücher lesen können. Conny ist etwas zu großzügig: Jetzt bleibt es in Echternach dunkel. Am Ende ihrer Reise kommen die Mädchen in der Gegenwart an. Ein Blick unter die Motorhaube eines Elektroautos zeigt, was aus den alten Akkus Tudors heute geworden ist. Für Veerle, Nicole und Conny ist aber noch nicht Schluss. Sie basteln jetzt noch kleine Weihnachtsbäume – mit elektrischer Beleuchtung natürlich.

EXTRA

Öffnungszeiten: Das Museum ist immer mittwochs bis sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Während der Weihnachtstage am 24., 25. und 26. Dezember ist es geschlossen. Gruppen können Sonderführungen vereinbaren. Informationen zu Sonderaktionen gibt es in Französisch und Deutsch auf der Homepage des Museums.

Eintrittspreise: Der Eintritt kostet für Erwachsene 4 Euro, für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahren ist der Eintritt frei.

Familienfreundlichkeit:Das Museum ist besonders für Familien geeignet. An den meisten Ausstellungsstücken können die Kinder experimentieren. Das Museum ist behindertengerecht. Es hat einen Aufzug, so dass auch Rollstuhlfahrer in das Obergeschoss kommen können.

Aktion: Bis zum 15. Januar sucht das Museum nach einem Namen für sein Maskottchen. Kinder sind herzlich eingeladen, an dem Wettbewerb mitzumachen. Nähere Infos gibt es auf der Homepage. Kontakt: Musée Tudor9, rue Henri Tudor, L-6582 Rosport, Telefon: 00352 73 00 66-206 (donnerstags und freitags), Fax :00352 73 04 26, Internet: www.musee-tudor.lu

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