Demenz ist nicht gleich Demenz - Informationen über eine der größten Volkskrankheiten Deutschlands

In Deutschland leben 1,4 Millionen Menschen, die an Demenz erkrankt sind. 2050 werden es mindestens doppelt so viele sein, warnen Experten. Aber was ist Demenz eigentlich? Woran erkennt man sie? Und kann man sich vor ihr schützen?

Eine Frau streicht unablässig über ihre Papierserviette, lächelnd faltet sie sie zusammen und wieder auseinander. Ihr gegenüber sitzt ein Mann, der davon überzeugt ist, das Bild des jungen Herrn in der Zeitungsanzeige zeige seinen Sohn. Eine weitere Besucherin ist an diesem Tag nicht gut aufgelegt. Kaum eine Minute mag sie am Tisch bei den anderen sitzen. Immer wieder steht sie auf und schaut sich suchend um, während ihre Nachbarin in aller Ruhe Kartoffeln für das gemeinsame Mittagessen schält.TV-Serie Ihre Gesundheit


Ein Blick in die Betreuungsgruppe im Demenzzentrum für die Region Trier zeigt, wie unterschiedlich sich eine Demenzerkrankung auf das Verhalten auswirkt. Es ist abhängig vom Alter, vom Stadium der Krankheit, aber vor allem vom individuellen Charakter jedes einzelnen Menschen.
Demenz ist der Oberbegriff für mehrere Erkrankungsformen des Gehirns, am häufigsten vertreten ist die Alzheimer-Demenz. Sie bezeichnet einen langsam fortschreitenden Untergang von Nervenzellen und Nervenzellkontakten, informiert die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft. Und das vor allem in jenen Gehirnabschnitten, die für Gedächtnis, Denkvermögen, Sprache und Orientierungsfähigkeit wichtig sind. An der Alzheimer-Krankheit leiden etwa zwei Drittel der 1,4 Millionen Demenzerkrankten in Deutschland.
Größter Risikofaktor für die Demenz ist das Alter. Von den 60-Jährigen ist jeder Hundertste betroffen, von den 80-Jährigen bereits jeder Zehnte, von den 90-Jährigen und älteren jeder Dritte, so die Deutsche Alzheimer Gesellschaft. Experten gehen davon aus, dass sich bis zum Jahr 2050 die Zahl der Krankheitsfälle mindestens verdoppeln wird - weil die Menschen immer älter werden. Die Demenz sei auf dem Weg, "Volkskrankheit Nummer eins zu werden", sagt Monique Breteler vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen.
Aber woran merkt man, ob man an einer Demenz erkrankt ist oder nur ein bisschen vergesslich? Professor Bernd Krönig, ärztlicher Leiter des Demenzzentrums für die Region Trier, gibt Beispiele: Normal sei es etwa, im Alter gelegentlich etwas Neues oder Unwichtiges zu vergessen oder länger zu brauchen, um etwas Neues zu lernen. Warnzeichen für eine Demenz seien unter anderem ein häufiges Vergessen auch von bekannten Dingen, Sprachprobleme sowie räumliche und zeitliche Orientierungsprobleme. Etwa, dass man in den falschen Bus steigt, um nach Hause zu kommen oder Probleme hat, sich die Krawatte zu binden. Ob es sich wirklich um eine Demenz handelt, kann ein Arzt mit einer umfangreichen Diagnostik, zu der auch verschiedene Tests gehören, feststellen - denn Gedächtnisprobleme können auch andere Ursachen haben.
Warum bei manchen Menschen eine Demenz auftritt, bei anderen aber nicht, ist noch nicht geklärt. Allerdings vermutet man, dass eine ausgewogene Ernährung sowie körperliche und geistige Aktivitäten vorbeugen können, erklärt Uschi Wihr, pädagogische Leiterin des Demenzzentrums. Diese Maßnahmen können zudem den Verlauf der Krankheit verlangsamen. "Einmal am Tag eine halbe Stunde an der frischen Luft zügig spazieren gehen ist bereits hilfreich", sagt die Sozialpädagogin. Die Kognition, also das Denkvermögen, könne ebenfalls schon mit ganz simplen, kleinen Aufgaben trainiert werden. Zum Beispiel, indem man Vornamen mit einem bestimmten Buchstaben sammelt. Oder sich gemeinsam an Erlebnisse von früher erinnert - denn das Langzeitgedächtnis ist vor allem im frühen Stadium der Erkrankung noch intakt. Dabei rät Wihr dazu, die Aufgaben möglichst einfach zu halten, um die Demenzerkrankten nicht zu frustrieren, sondern Erfolgserlebnisse zu ermöglichen und das Selbstbewusstsein zu stärken. "Die Gefühlsebene ist beim Umgang mit Demenzerkrankten sehr wichtig", betont Wihr. Deswegen sollte man immer den Fokus auf das Positive legen, auf die Dinge, die noch funktionieren.
Geheilt werden kann eine Demenz nicht. Aber man kann den Verlauf beeinflussen. Mediziner teilen diesen bei der Alzheimer-Krankheit in drei Stadien ein, die in durchschnittlich acht bis neun Jahren nach einer Diagnose durchlaufen werden, wie Prof. Krönig erklärt. Symptome im ersten Stadium sind beispielsweise Gedächtnisverlust, Wortfindungsstörungen sowie eine räumliche und zeitliche Desorientierung. Im zweiten Stadium kommt es unter anderem zu Sprachstörungen und Störungen des Tag- Nachtrhythmus. Im dritten Stadium ist der Demenzerkrankte in jedem Moment seines Lebens auf Hilfe angewiesen.
Mehr als die Hälfte aller Demenzerkrankten in Deutschland lebt zu Hause und wird von Angehörigen betreut und gepflegt. "Es ist sehr wichtig, die demenzerkrankten Menschen auf der emotionalen Ebene anzusprechen. Und die vertraute häusliche Alltagssituation gehört dazu", betont Prof. Krönig. Doch er weiß auch, dass die Betreuung sehr viel von den Ehepartnern oder den Kindern verlangt. Eine der Hauptaufgaben des Demenzzentrums ist es daher, die pflegenden Angehörigen zu entlasten, indem ausgebildete Fachkräfte und Ehrenamtliche die Betreuung für einige Stunden am Tag übernehmen.

Der Artikel "Die Diagnose bedeutet nicht das Ende", erschienen im Volksfreund, erzählt die Geschichte eines Mannes, der seine an Demenz erkrankte Frau zu Hause betreut: www.volksfreund.de/art527274 , 3996936Extra

Hilfs- und Unterstützungsangebote: Im Demenzzentrum für die Region Trier, Engelstraße 31, werden von Montag bis Freitag von 9.30 Uhr bis 16.30 Uhr an Demenz erkrankte Menschen betreut (außer Donnerstagvormittag). Daneben gibt es vier Sportgruppen sowie eine Selbsthilfegruppe für Angehörige. In Kooperation mit dem Zentrum werden zudem Betreuungsgruppen im Treffpunkt am Weidengraben, im Stadtteil Ehrang sowie in Welschbillig und in Hermeskeil angeboten. In allen Gruppen ist noch Platz. Informationen unter Telefon 0651/4604747. demenzzentrumtrier.de
Mit einer Demenzlandkarte informiert die Demenzkampagne Rheinland-Pfalz über spezifische Beratungs-, Betreuungs- und Versorgungsangebote im gesamten Bundesland. Dort finden sich auch Informationen zu Netzwerken in der Region Trier. www.demenz-rlp.de Die <b>Deutsche Alzheimer Gesellschaft bietet ein Alzheimer-Telefon unter Telefon 01803/171017 an. arn

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