Eine kleine Frau mit viel Kraft

Sie bringt selbst gebackene Nussecken mit und bastelt Karnevalshütchen: Mit viel Herz und guter Laune engagiert sich Brunhilde König ehrenamtlich in einer Betreuungsgruppe des Demenzzentrums in Trier. Für die Rentnerin und Mutter eine Gelegenheit, anderen, aber auch sich selbst etwas Gutes zu tun.

Dienstagmorgen, 9 Uhr. Brunhilde König deckt den großen Tisch im Gruppenraum mit Tellern und Kaffeetassen, Brötchen und Marmelade, Butter, Zucker und Milch. Sie stellt Tulpen auf den Tisch und kocht zwei Kannen Kaffee. Noch ist es ruhig im Demenzzentrum für die Region Trier, in dem sich Brunhilde König, 67 Jahre alt, seit sieben Jahren ehrenamtlich engagiert. Jeden Dienstagvormittag hilft sie in der Betreuungsgruppe mit, die von der Diplom-Psychologin Angela Tonner geleitet wird.

Ab 9.30 Uhr trudeln nach und nach einige Senioren ein. Brunhilde König begrüßt sie mit einem strahlenden Lächeln, manche umarmt sie, andere halten ihr die Wange hin für einen Kuss. Bei einigen muss sich die 67-Jährige auf die Zehenspitzen stellen, weil sie so klein ist. Sie hilft ihnen, die Mäntel auszuziehen und leitet sie zu ihren Stammplätzen. Sie wechselt einige Worte mit den Ehefrauen und -männern, Töchtern und Söhnen oder auch den Enkelkindern, die ihre Angehörigen zur Gruppe bringen.

Bis zu zehn ältere Menschen kommen jeden Dienstagvormittag in die dritte Etage des Ärztehauses in der Engelstraße. Sie alle sind demenzkrank - jeder auf seine ganz individuelle Art und unterschiedlich weit fortgeschritten. Bruni - so wird Brunhilde König von allen liebevoll genannt - weiß um ihre Eigenheiten. Weiß, dass Herr Faber (Namen von der Redaktion geändert) manchmal einschläft. Dass Frau Blum oft extreme Kopfschmerzen hat. Dass man bei Herrn Weiher ganz schnell zur Stelle sein muss, wenn er aufstehen will, weil er dabei oft das Gleichgewicht verliert. Dass für Frau Linde immer der Spiegel bei den Toiletten mit einem Tuch verhängt werden muss, da sie sich selbst nicht mehr erkennt. Einmal sei sie fest davon überzeugt gewesen, die Frau im Spiegel habe ihr ihre Kette gestohlen, erinnert sich Brunhilde König. "Das ging mir sehr nah."

2007 besuchte Bruni König das Zentrum zum ersten Mal - damals selbst als Teilnehmerin des Gedächtnistrainings, ein der Demenz vorbeugendes Angebot für ältere Menschen. Es wurde gebastelt, gemalt, gesungen, erzählt - alles Dinge, die sie selbst gern macht. Irgendwann übernahm sie die Urlaubsvertretung für die Kursleiterin. "Das hat mir unwahrscheinlich großen Spaß gemacht", sagt sie. Sie dachte sich neue Spiele und Aufgaben aus. Verdrehte Wörter mussten wieder richtig zusammengesetzt, aus fünf Anfangsbuchstaben ein Satz gebildet und Wörter rückwärts buchstabiert werden: "Da qualmten die Köpfe."

Irgendwann kam Uschi Wihr, Sozialpädagogin und Leiterin des Zentrums, auf Brunhilde König zu und fragte, ob sie nicht einmal zu einer Betreuungsgruppe kommen wolle. Jeden Tag gibt es dieses Angebot für an Demenz erkrankte Menschen, die noch zu Hause leben, allein oder zusammen mit ihrer Familie. Manche bleiben nur den Vor- oder Nachmittag, andere den ganzen Tag, einige kommen mehrmals die Woche. Nach einem ersten Reinschnuppern fing Bruni König schnell Feuer: Seit 2010 ist sie fester Bestandteil der Dienstagvormittagsgruppe von Angela Tonner. Sich um Menschen zu kümmern, sie zu "betüddeln", gebe auch ihr selbst sehr viel, sagt die 67-Jährige.

Positive Rückmeldung erhält sie zahlreich - bei allen ist das quirlige, lebenslustige und aufmerksame "Trierer Mädsche", wie sie von einer Besucherin genannt wird, beliebt. Nicht nur wegen ihrer selbstgebackenen Nussecken, sondern wegen ihrer ganzen Art. Mitten beim Kartoffelschälen - dienstags wird immer gemeinsam gekocht - fängt sie an zu singen: Passend zum Essen hat sie ein Gedicht auf die Melodie eines bekannten Volkslieds verfasst. Zu Nikolaus klebt sie sich einen Bart an, setzt die rote Mütze auf, schultert den Jutesack und verteilt Geschenke. Für Karneval bastelt sie bunte Hütchen und veranstaltet mit allen eine Polonaise durch die Etage.

Sie ist eine kleine Frau mit viel Kraft", sagt Uschi Wihr - und erinnert sich daran, dass sie für Bruni einen Hocker anschaffen musste, damit sie in der Küche an alles herankommt. Gerade einmal 1,44 Meter misst Brunhilde König. "Krümel" sei deswegen auch ihr Spitzname, erzählt sie und lacht. Sie nimmt ihre kleine Größe mit Humor - heute zumindest. Als Jugendliche sei es nicht immer so einfach gewesen. Dienstags immer ins Zentrum zu kommen, sei auch eine gute Beschäftigung für sie.

Bereits mit 18 Jahren bekam sie ihre Tochter, war hauptsächlich Mama, erzählt die gelernte Verkäuferin. Immer wieder nahm sie Gelegenheitsjobs an, ab 1995 arbeitete sie noch fünf Jahre in ihrem Beruf in einem Kaufhaus. Für ihren Mann sei es völlig in Ordnung, dass sie sich ehrenamtlich engagiere. Daneben geht sie zweimal in der Woche zum Krafttraining, "erst eine halbe Stunde aufs Laufband, dann an die Geräte." Sie pflegt den Kontakt mit ihren Freundinnen: Einmal im Monat geht sie mit neun anderen älteren Damen ins Kino. Auf die Frage, was man mitbringen müsse für die Betreuung von Demenzkranken, sagt Bruni König: "Geduld, Verständnis und die Fähigkeit, sich in andere gut reinfühlen zu können." Uschi Wihr sagt, das sei schon fast zuviel verlangt, und formuliert es so: "Man muss das Herz am rechten Fleck haben. Der Rest ergibt sich von selbst." Zum Beispiel so wie bei Brunhilde König.
Ehrenamtliches Engagement

Wer sich ehrenamtlich engagieren möchte, findet auf der Internetseite der Initiative "Wir tun 'was" des Landes Rheinland-Pfalz für Ehrenamt und Bürgerbeteiligung eine Übersicht über Ehrenamtsbörsen, Freiwilligen-Agenturen und ähnliche Kontaktstellen in der Region Trier.

Dazu zählen zum Beispiel die Ehrenamtsagentur Trier (Balduinstraße 6, Tel.: 0651/9120702); die Servicestelle Freiwilliges Engagement und Netzwerk "Landkreis Aktiv"des Landkreises Bernkastel-Wittlich in Wittlich (Kurfürstenstraße 16, Tel.: 06571/142208); die Ehrenamtsbörse Bernkastel-Kues (Gestade 18, 06531/54114) sowie die Ehrenamtsbörse in der Verbandsgemeinde Saarburg (Staden 130, Tel.: 06581/2336) www.wir-tun-was.de

Das Demenzzentrum

Im Demenzzentrum für die Region Trier werden von Montag bis Freitag von 9.30 Uhr bis 16.30 Uhr an Demenz erkrankte Menschen betreut (außer Donnerstagvormittag). Jede Gruppe wird von einer Fachkraft geleitet, die Unterstützung von Ehrenamtlichen erhält. Daneben gibt es vier Sportgruppen sowie eine Selbsthilfegruppe für Angehörige. In Kooperation mit dem Zentrum wird zudem eine Betreuung im Treffpunkt am Weidengraben sowie im Stadtteil Ehrang angeboten. In allen Gruppen ist noch Platz, Angehörige können sich beim Zentrum über die Angebote informieren. Auch ehrenamtliche Helfer werden immer gesucht. Ärztlicher Leiter und Vorsitzender des Trägervereins ist Professor Bernd Krönig. Der Internist war maßgeblicher Initiatior für die Gründung des Zentrums im Jahr 2005.

Kontakt:
Demenzzentrum für die Region Trier
Engelstraße 31 (Ärztehaus am Evangelischen Elisabethkrankenhaus) 54292 Trier
Telefon 0651/4604747
E-Mail: info@demenzzentrum-trier.de
Internet: www.demenzzentrumtrier.de

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