„Ich will aber!“ - Wenn Kinder trotzig sind, ist guter „Ratgeber“ nicht teuer

Von Erziehenden für Erziehende: Sonja Kirsch, Mutter einer kleinen Tochter, stellt den Ratgeber „Gelassen durch die Trotzphase“ der Diplom-Psychologin, Verhaltenstherapeutin, Bestsellerautorin und Mutter Annette Kast-Zahn vor.

Bei Buchtipps bin ich immer skeptisch. Wenn man aber an einem anstrengenden Kindernachmittag einen Erziehungs-Ratgeber-Tipp bekommt, hofft man das Beste und beginnt zu lesen. Der Anfang von "Gelassen durch die Trotzphase" ist vielversprechend, denn darin geht es um die alles entscheidende Frage: Warum sind Kinder trotzig? Anette Kast-Zahn "spricht" mit ihren Lesern in kurzen klaren Sätzen. Vermutlich aus Gewohnheit. So soll man auch mit Kindern sprechen. Das Ganze geht ungefähr so: Kind will, kann oder darf aber nicht. Folge: Problem, Kind bockt. Gegenreaktion: Geben, was das Kind braucht, aber nicht, was es will. Zumindest oft. Spielverderber sein. Die Autorin vergleicht das, was dann passiert mit einem Gewitter. Es bricht über einen herein. Jetzt wird es spannend und ich lese wie gebannt, dass Eltern zwei Möglichkeiten haben: 1) Mit ins Gewitter stellen. Mit-schreien, zetern, ausflippen 2) Schirm aufspannen. Sinnbildlich natürlich. Alles vorbei ziehen lassen, ohne es persönlich zu nehmen. Das Gewitter nicht mit Aufmerksamkeit belohnen und unbeirrt, ruhig und (ha, ha, ha) gelassen bei dem bleiben, was eben gerade gemacht oder eben nicht gemacht werden sollte. Interessant dabei ist die Erläuterung. Wählt man Türchen 1 lernt das Kind: Aha, anscheinend ist es in Ordnung, sich so zu verhalten, meine Eltern machen es ja auch. Mal sehen, wie weit ich es treiben kann. Also Kampf. Wählt man hingegen Türchen 2 lernt der kleine Mensch: Es bringt mir nichts und vor allem erreiche ich nichts. Also: Augen zu und durch, Gewitter vorbei ziehen lassen. Kinder müssen lernen, mit Frust umzugehen. Denn sie werden ähnliche Situationen im Laufe ihres Lebens immer wieder meistern müssen. Besonders gelungen finde ich auch die im Ratgeber geschilderte "Büroklammer-Methode" für schwierige, angespannte Phasen: Man packe sich zehn Büroklammern in die linke Hosentasche und beobachte sein Kind mit mehr Aufmerksamkeit. Jedes Mal wenn man ihm körperliche Zuwendung gegeben hat oder etwas Positives über sein Verhalten oder seine Persönlichkeit gesagt hat, nimmt man eine Büroklammer aus der linken Hosentasche und steckt sie in die rechte. Am Abend sollten alle Klammern in der rechten Hosentasche gelandet sein. Positive Verstärkung lautet hier das Zauberwort statt ständiger Maßregelung. So hübsch verpackt habe ich diesen Ansatz selten gefunden, das hat mir gut gefallen. Der erste Teil des Ratgebers ist wie beschrieben anschaulich und sehr stark. Der zweite Teil, in dem es um Schlafen, Ängste, Aggressivität, Essen und Sauberwerden geht, ist etwas schwächer. Skeptisch werde ich tatsächlich bei Kasts-Zahns Belohnungssystem, über das sich anhand von Tabellen regelrecht Buch führen lässt. Ich weiß, Kinder mögen das und es mag für die Erziehung wunderbar sein. Aber soll die Botschaft an mein Kind sein, dass man für alles, was man macht, eine Belohnung bekommt? Das möchte ich nicht unterstützen. Es gibt nicht nur eine Lösung Meine Skepsis gegenüber dem Buch war insgesamt aber unbegründet und ich habe die eine oder andere Methode schon ausprobiert. Nicht immer mit Erfolg. Vieles von dem, was man eigentlich weiß, ist im Trubel des Alltags dann doch schwer umzusetzen. Es schadet aber nicht, sich bereits Bekanntes immer wieder - etwa mithilfe dieses Ratgebers - in Erinnerung zu rufen. Die Abzüge, die das Buch von mir für die zu prominente Belohnungssystem-Einführung bekommen hat, macht es mit den Hinweisen wieder wett, dass aufgestellte Regeln zur Familie passen sollen. Das ist tröstlich und hilfreich: Es gibt nicht nur eine richtige Lösung. Was in der einen Familie funktioniert, klappt nicht in der anderen und umgekehrt. So einfach ist das. Sollte ich sonst nichts in diesem Ratgeber gelernt haben, hätte sich alleine folgende Erkenntnis schon gelohnt: Das Kind flippt nicht aus, um uns zu ärgern, sondern weil es in der "Ich-will-Kiste" steckt aber in die "Ich-soll-Kiste" soll. Deshalb: Nichts persönlich nehmen, gelassen bleiben und ab und zu doch einen Ratgeber wie diesen lesen!

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