Kraftakt für die Familie

Rheuma bei Kindern bleibt oft unentdeckt – Siegfried Schneider von der Rheumaliga erzählt

 Diese Röntgenaufnahme zeigt das arthritische Knie eines sechsjährigen Kindes.

Diese Röntgenaufnahme zeigt das arthritische Knie eines sechsjährigen Kindes.

Foto: istock/jynmeyerdesign

Geschwollene Gelenke, Schmerzen, ein Fieber, das über Wochen andauert und keine ergründbare Ursache hat, das alles können Anzeichen für Rheuma sein. Laut Experten sind 20 000 Kinder in Deutschland von dieser Krankheit betroffen. Je eher die richtige Diagnose gestellt wird, umso besser. Siegfried Schneider vom Elternkreis der rheinland-pfälzischen Rheumaliga spricht über seine Erfahrungen.

Oft ist es ein dickes Knie, mit dem Rheuma beginnen kann, sagt Siegfried Schneider. Er muss es wissen: Seine beiden Kinder sind von der Krankheit betroffen. Aus diesem Grund kam er auch zur Rheumaliga. Er leitet den Elternkreis für Betroffene beim rheinland-pfälzischen Landesverband. "Als unsere Tochter mit acht Jahren diese Diagnose erhielt, war plötzlich alles anders." Zuerst sei seine Familie froh gewesen, überhaupt zu wissen, was das Kind so gequält hat. Aber dann "wurde uns klar, dass die Behandlung eine lange, lange Therapie bedeutet." Teilweise sehr starke Medikamente mussten sie ihrem Schulkind verabreichen. "Wenn man die Beipackzettel liest, denkt man: ,Nein, lieber nicht‘. Aber wenn die Rheumaschübe kommen und das eigene Kind leidet, muss man helfen."

Besuche bei Medizinern aller Art, vom Orthopäden über Kinder- und Augenarzt bis zum Internisten, standen von da an auf dem Programm. "Alleine die ganzen Termine zu koordinieren, fordert eine immense Kraft der Eltern", weiß Schneider. Freizeit wird zum seltenen Gut. Neben den regelmäßigen Arztbesuchen und Kontrollen, ob die Medikamente auch anschlagen, kommen physikalische Behandlungen und Ergotherapie hinzu. "Das Problem ist die schnelle Diagnose", sagt Siegfried Schneider. "Oftmals finden Ärzte nicht das wirkliche Problem, und Kinder, die beispielsweise über Knieschmerzen klagen, werden oft als Simulanten abgetan, weil man keine erkennbaren Diagnosen stellen kann." Schneider weiß von vielen, denen es zunächst so ergangen sei, bis der Befund "Rheuma" gestellt worden sei. "Hat ein Kind ein dickes Knie, geht man in der Regel zum Orthopäden." Auf dem Röntgenbild könne man nichts sehen, selbst ein Blutbild alleine sei nicht aussagekräftig. Würden die Symptome aber immer schlimmer und gehen nicht weg, beginne ein Puzzlespiel: "Im Rahmen einer Ausschlussdiagnostik kann man nur ermitteln, welche Krankheit wirklich vorliegt." Das Problem: "Leukämie hat einen ähnlichen Anfangsverlauf und teils identische Symptome. Wir hatten in unserer Elterngruppe ein Kind, bei dem die Diagnose Rheuma gestellt wurde, und es hatte Leukämie."

Der Vater weiß aus Erfahrung, dass es wichtig ist, schnell und frühzeitig eine Behandlung zu beginnen. Natürlich können zunehmende und anhaltende Gelenkschmerzen, wie sie oftmals symptomatisch sind, auch einen unruhigen Schlaf nach sich ziehen. Das sei oftmals wiederum der Grund für ein aggressives und depressives Verhalten der Mädchen und Jungen, bei denen Rheuma noch nicht vom Arzt festgestellt worden ist. Es komme vor, dass Rheuma mit unklaren Fieberschüben beginne, die über Wochen anhielten oder immer wieder auftauchten. Hautausschläge, Gelenk- und Muskelschmerzen oder eine Erkrankung der inneren Organe seien weitere Warnhinweise für Rheuma.

Wenn Siegfried Schneider erzählt, kann man verstehen, warum er bei der Frage nach der Behandlung zögert. "Da jedes Kind auf jedes Medikament anders reagiert, ist das Ausprobieren von starken Medikamenten eine wirklich schlimme Belastung", sagt der 53-Jährige.Bis zu 20 Tabletten täglich

Oft erreiche man heute mit einer Zusammenstellung unterschiedlicher Arzneimittel zumindest eine Beschwerdefreiheit der Kinder. "Es ist nie ganz zu akzeptieren, dass man nur so behandeln kann, aber es ist einfach Fakt", sagt Siegfried Schäfer. Zwischen zehn und 20 Tabletten täglich müssen Betroffene einnehmen. "Viele wollen aus diesem Teufelskreis der Chemie heraus, aber es ist auch erwiesen: Je konsequenter man die richtige Dosis verabreicht, umso besser sind die Möglichkeiten der Eindämmung", sagt Schneider. Dabei zeichnen sich vor allem die modernen Konzepte im Rahmen der Rheumabehandlung dadurch aus, dass man verschiedene Arzneien miteinander kombiniert. Schneider weiß auch hier: "Der Erfolg der Behandlung hängt häufig davon ab, für die unterschiedlichen Krankheitsbilder und Krankheitssituationen die jeweils richtige Behandlungskombination zusammenzustellen." Für jeden einzelnen Patienten müsse die Therapie sozusagen maßgeschneidert zugeschnitten werden.

Der Elternkreis der Rheumaliga betreut von Kleinstkindern bis zu Jugendlichen etwa 100 Familien in Rheinland-Pfalz. "30 bis 40 Anfragen haben wir pro Jahr, von Betroffenen, die Rat bei uns suchen", berichtet Schneider. Weil es keine verwendbaren Erkenntnisse über die Ursache für Rheuma gebe, fehlten die entsprechenden Medikamente für eine komplette Heilung. "Man kann es nicht heilen, nur therapieren", sagt Siegfried Schneider aufgrund eigener Erfahrung. Bei seiner Tochter kam es in der Pubertät zu einem Stillstand. "Dann kamen wieder Schübe. Heute mit 27 Jahren hat sie immer noch Probleme." Claudia SzellasAdressen

 Dr. med. Isa Feddersen ist Oberärztin für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen in Trier. Ihre Schwerpunkte sind Hämatologie/Onkologie und Rheumatologie/Immunologie.

Dr. med. Isa Feddersen ist Oberärztin für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen in Trier. Ihre Schwerpunkte sind Hämatologie/Onkologie und Rheumatologie/Immunologie.

Foto: Privat

Deutsche Rheumaliga, Siegfried Schneider (Elternkreis), Adalbert-Stifter-Straße 10, 56567 Neuwied, Telefon 02631/75409 (vorwiegend abends). E-Mail: rheumaelternkreis@web.de
Deutsche Rheumaliga, Landesverband RLP: Schlossstraße 1, 55543 Bad Kreuznach, Telefon 0671/834044, E-Mail: rheuma-liga-rlp.de www.rheuma-liga.rp.de
Das Rheumafoon: Eltern rheumakranker Kinder beraten per Telefon andere Betroffene und geben ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiter. Die Rheumaliga schult die "Rheumafooner". Infos unter www.rheuma-liga.de/rheumafoon
Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen, Feldstraße 16, 54290 Trier, Telefon 0651 / 947 0, www.mutterhaus.de
Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie, c/o Deutsches Rheumaforschungszentrum, Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Telefon: 030/28460-632, www.gkjr.de
Deutsche Kinderrheuma-Stiftung, Türkenstraße 91, 80799 München, Telefon: 089/99019-501. E-Mail: info@dkr-stiftung.de, www.kinder-rheumastiftung.de

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