Minipausen, Thai-Chi und knackige Salate

Trier/Trierweiler · Schon heute ist fast jeder dritte Arbeitnehmer in der Region Trier 50 Jahre oder älter - Tendenz steigend. Umso wichtiger, auf die Gesundheit der Belegschaft zu achten - und sie zu fördern.

 Frisch geschnippelt: Jeden Tag bereiten die Kantinendamen Anja Weiland (links) und Birgit Thiel Salatteller für die Mitarbeiter des Unternehmens Türelemente Borne zu. TV-Foto: Ariane Arndt-Jakobs

Frisch geschnippelt: Jeden Tag bereiten die Kantinendamen Anja Weiland (links) und Birgit Thiel Salatteller für die Mitarbeiter des Unternehmens Türelemente Borne zu. TV-Foto: Ariane Arndt-Jakobs

Trier/Trierweiler. Auf einem Bein stehen, ohne umzufallen, Kniebeugen und auf der Stelle hüpfen: Die Trierer Miezen machen es vor, und die Mitarbeiter des Unternehmens Türelemente Borne machen mit. Jeden Freitagvormittag kommt eine Profihandballerin in die Firma nach Trierweiler, klopft an die Bürotüren und bittet zur zehnminütigen Minipause. "Danach geht man wieder richtig frisch an den Arbeitsplatz", sagt Uta Weber. Die Personalleiterin macht die Übung genauso mit wie alle anderen: vom Angestellten bis zum Chef.TV-Serie Ihre Gesundheit


Die aktive Minipause, ein Angebot der Handwerkskammer Trier, ist ein Baustein des betrieblichen Gesundheitskonzepts von Borne. 2011 hat das Unternehmen mit 500 Mitarbeitern, von denen die meisten in der Produktion tätig sind, den "Steuerkreis Gesundheit" gegründet. Aus jeder Abteilung ist ein Mitarbeiter vertreten. Mit Unterstützung der Krankenkasse IKK Südwest wurden seitdem mehrere Projekte realisiert: von Tai-Chi und Pilates-Kursen über die Salattheke in der Kantine bis zur Massage. "Unsere Belegschaft wird immer älter. Da ist es uns wichtig, die Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten und zu fördern. Zudem wollen wir als Arbeitgeber weiterhin auf dem Arbeitsmarkt attraktiv bleiben", erklärt Uta Weber, die das Gremium leitet.
"Der Betrieb ist ein guter Ort, um Gesundheitsinformationen weiterzugeben und eine Gesundheitskultur zu verankern, weil die Menschen dort viel Zeit verbringen", sagt Juliane Hellhammer. Die Psychobiologin leitet das Stresszentrum Trier, das neben Patienten auch Firmen zum Thema Stress berät. Stress hat eine entscheidende Bedeutung für unsere Gesundheit - nicht nur für die mentale. Juliane Hellhammer erklärt das so: "Pathogener Stress bedeutet, sich in Situationen zu befinden, die einen neuen, unkontrollierbaren und bedrohlichen Charakter haben. Um diese Stresssituation meistern zu können, benötigt das Gehirn Energie. Das Stresshormon Cortisol lässt die Blutzuckerspiegel steigen und gewährleistet, dass das Gehirn, das selbst keine Energiespeicher hat, mit Energie versorgt wird. Die Botenstoffe Nor- adrenalin und Adrenalin erhöhen unter anderem den Blutdruck und ermöglichen so eine rasche Anpassung an akute Belastung. Ein drittes System sorgt für Erholung und Resilienz." Kurzfristige Stressoren mit diesen komplexen biologischen Reaktionen seien sinnvoll und führten durchaus auch zu einer Leistungssteigerung. Häufen sich jedoch stressige Bereiche im Leben und wird Stress chronisch, könne keine Erholung stattfinden und das Risiko für Erkrankungen steige, erklärt Hellhammer. Je nach Veranlagung könnten so etwa Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht und psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen begünstigt werden. Daher sei es wichtig, dass gerade Menschen mit hoher Stressbelastung für Ruhephasen sorgen und ein Pausenmanagement in ihren Tagesablauf integrieren. Zu empfehlen seien etwa aktive Mittagspausen wie ein kleiner Spaziergang, denn auch Bewegung helfe, Stress abzubauen. Zudem seien gute Stimmung und positive Erlebnisse bei der Arbeit förderlich. Eine erfüllende Aufgabe, ein Lob oder ein positives Miteinander mit den Kollegen beispielsweise.

Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems verursachen die meisten Arbeitsunfähigkeitstage, 2012 waren es 23,4 Prozent, so die Bundesagentur für Arbeitsschutz- und Arbeitsmedizin. Rückenleiden wiederum zählen zu den häufigsten Beschwerden, die während der Arbeit auftreten. Am zweithäufigsten werden psychische Erkrankungen als Grund für Krankschreibungen genannt.
Wobei sich beide, Psyche und Rückenleiden, ebenfalls bedingen. Das Robert Koch-Institut (RKI) spricht von "arbeitsbezogenen psychosozialen Bedingungen" als Risikofaktoren für Rückenschmerzen: niedrige Arbeitsplatzzufriedenheit, monotone Arbeiten sowie soziale Konflikte am Arbeitsplatz.
"80 Prozent der Rückenschmerzen, die wir behandeln, sind nicht oder nicht ausschließlich auf strukturelle Schäden etwa der Bandscheibe oder der Wirbelkörper zurückzuführen. Psychische Einflussfaktoren gewinnen immer mehr an Bedeutung", sagt auch der Trierer Orthopäde Dr. Sebastian Fürderer. Stress kann zu erhöhter Muskelspannung führen. Wenn sie länger anhält, zu Rücken- und Nackenschmerzen. Und Schmerzen wiederum bedeuten Stress. Eine weitere mögliche Folge, die Fürderer nennt, ist die Kinesiophobie, die Angst, sich zu bewegen. Weil Bewegung Schmerz verursachen könnte. Ein Teufelskreis. Denn, so betont der Orthopäde: "Bewegung ist die einzige Möglichkeit, das Volksleiden Rückenschmerz in den Griff zu bekommen." Deswegen hält auch er betriebliche Bewegungsangebote für unerlässlich.
37 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen engagierten sich 2010 im Bereich Betriebliches Gesundheitsmanagement oder hatten ein entsprechendes Projekt abgeschlossen. Das ergab eine Umfrage der "Initiative Gesundheit und Arbeit". Zu wenig, findet Dr. Dirk Halsband, Leiter der Niederlassung Trier/Saar vom Tüv Rheinland. "Gerade als Mittelständler kann man sich dem Problem des demografischen Wandels nicht verschließen."
Nachholbedarf gibt es seiner Meinung nach nicht nur bei konkreten gesundheitsfördernden Angeboten wie Bewegungskursen oder Massagen. Sondern auch bei grundlegenden strukturellen und arbeitsorganisatorischen Fragen. Für einen einzelnen Mitarbeiter, der aufgrund seines Alters und körperlicher Probleme leistungseingeschränkt sei, kurzfristig eine interne Lösung zu finden, sei vielleicht kein Problem. Aber in Zukunft würden diese Fälle zunehmen, so der Arbeitsmediziner. Schon heute ist fast jeder dritte sozialversicherungspflichtig Angestellte in der Region 50 Jahre oder älter, der Nachwuchs wird rarer. "Da braucht es andere Konzepte und Betriebsstrukturen, um Mitarbeiter aufzufangen, die lediglich einen Teil ihrer Arbeit nicht mehr ausführen können, deren Wissen aber für den Betrieb unabdingbar ist", meint Halsband. Zum Beispiel längere Urlaubszeiten für ältere Mitarbeiter. Attraktive Teilzeitangebote. Und Arbeitsplatzbeschreibungen, die nicht "den universell einsetzbaren Mitarbeiter verlangen". Der Arbeitsmedizinische Dienst (AMD) des Tüv Rheinland begleitet Unternehmen bei der Umsetzung kostenverträglicher betrieblicher Gesundheitsförderung - von einzelnen Aktionen bis zu umfassenden Konzepten. "Im Moment sind die Berührungsängste vor allem bei kleinen und mittelständischen Unternehmen aber noch sehr groß", sagt Dr. Halsband.
Uta Weber, Personalchefin bei Borne, macht anderen Unternehmen Mut, selbst aktiv zu werden. Allerdings betont sie: "Wenn man etwas macht, dann konsequent und mit der gesamten Belegschaft inklusive Geschäftsleitung." Es sei ganz wichtig, dass das Gesundheitskonzept von oben nach unten gelebt werde. Dass die Abteilungsleiter informiert sind und sich nicht darüber wundern, wenn ihre Mitarbeiter auf einmal "mitten in der Arbeitszeit zum Turnen gehen". Deswegen hat Borne eine Unternehmenszeitung gegründet, in der neue Aktionen angekündigt werden. Sämtliche Kurse werden während der Arbeitszeit angeboten. Das funktioniere auch bei Schichtdiensten, weiß Weber aus Erfahrung. Das Core-Training beispielsweise wurde in der letzten halben Stunde der Früh- sowie in der ersten halben Stunde der Spätschicht angesetzt. Wer es während seiner Schicht nicht schaffte, konnte eine halbe Überstunde machen - bezahlt vom Arbeitgeber.
Mit der Broschüre "Unternehmen unternehmen Gesundheit" informiert das Bundesgesundheitsministerium über Betriebliche Gesundheitsförderung. Sie richtet sich speziell an kleine und mittlere Unternehmen.

bundesgesundheits-
ministerium.de

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