Wo ist Ronja Räubertochter?

Berdorf/Luxemburg · Rucksack schultern, Stiefel schnüren, Karte zücken: Das macht man am besten am Echternacher Busbahnhof. Von dort geht es dann los in eine überwältigend schöne Wald- und Felslandschaft, die so manche geheimnisvolle Winkel hat - deren Namen mindestens genau so rätselhaft sind.

 Im Westen von Berdorf haben Wanderer von der Teufelsinsel eine weite Aussicht ins Tal, wo sich der Fluss Ernz-Noire (Schwarze Ernz) in Richtung Sauer schlängelt. Foto: Office Régional du Tourisme Région Mullerthal

Im Westen von Berdorf haben Wanderer von der Teufelsinsel eine weite Aussicht ins Tal, wo sich der Fluss Ernz-Noire (Schwarze Ernz) in Richtung Sauer schlängelt. Foto: Office Régional du Tourisme Région Mullerthal


Doch erstmal gilt es, den Steig zu finden, der aus der Stadt heraus in das große Waldgebiet führt. Vor dem Eingang des Busbahnhofs steht ein Wegweiser. Von dort überquert man die Rue de la Gare und via Rue du Charly auch noch die Rue Ermesinde. Wenn man dann dem ansteigenden Weg folgt und kurz darauf nach rechts auf einen kopfsteingepflasterten Weg abbiegt, hat man die schwerste Orientierungsarbeit bereits geleistet. Denn die Route 2 des Mullerthaltrails, auf dem es nun weitergeht, ist mit einem roten M gut sichtbar gekennzeichnet.
Trip durch den Urwald


Ein paar Höhenmeter bis zu einem Marienstandbild sind zu bewältigen. Der Lohn ist der erste schöne Ausblick auf Echternach, wo die Basilika wuchtig aus dem Örtchen ragt. Die ersten Kilometer auf dem Weg sind bequem zu gehen. Linker Hand ragen Sandsteinfelsen in die Höhe und rechts streckt sich das Sauertal in die Länge. Schon hier lässt sich erahnen, was später so imposant wirkt: Kantige Felsblöcke kleiden sich mit tropfnassem Moos, umgefallene Bäume und ausladende Farnbüsche vermitteln Urwaldatmosphäre. Modergeruch wabert auf Nasenhöhe und die Sonne wirft kleine Lichtflecken durch das Blätterdach.
Zwischendurch gibt es immer wieder kleine Abzweige zu Aussichtspunkten. Manche hat man direkt vor Augen, andere muss man sich über steile Treppen erst erarbeiten. So verführerisch es ist, sollte man aber nicht zu viel Zeit auf diesem Streckenabschnitt verbringen, denn es gibt noch viel zu sehen. Es dauert nicht lange, da durchschreitet der Wanderer die erste Schlucht: runter über steile Treppen und wieder rauf über genauso steile Treppen. Nach ein paar Kilometern gelangt man zum Labyrinth. Hier schlängelt sich der Weg ganz schmal durch den Berg.
Rast in der Römerhöhle


Der Pfad verläuft nun parallel zur Landstraße zwischen Echternach und Berdorf. An einem kleinen Bach entlang geht es weiter bis zur Hohllay. Hier schlugen einst die Römer ihre Mühlsteine aus dem Sandstein und schufen so raumgreifende Höhlen. Der Ort ist gut geeignet, um nach etwa zwei Stunden Wanderzeit Rast zu machen.
Anschließend durchquert man die Haupthöhle. Dahinter befindet sich eine Freilichtbühne. Sie bleibt links liegen. Aufgepasst und Augen auf: Jetzt geht es Richtung Berdorf aus dem Wald hinaus. Durch Felder und Weiden führt der Weg schnurstracks auf den Kirchturm zu. Wer stets Ausschau nach dem roten M hält, kann sich nicht verirren. Hinter der Kirche geht es nach links, durch ein Wohngebiet und am nächsten Abzweig wieder nach rechts in den Wald. Dort hält man sich links und folgt dem Wegweiser Richtung "Predigerstuhl", der ein markanter Felsen ist.
Nun ist man angekommen im Märchenwald. Der Pfad führt durch eine tiefe Klamm, in der Licht und Schatten so nahe beieinander liegen. Hier muss Ronja Räubertochter zu Hause sein, die kleine Heldin aus Astrid Lindgrens Kindergeschichten. Ist eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis einem ein dicker Räuberrüpel oder ein fluchender Rumpelwicht über den Weg läuft. Zerfurchte Felsen säumen den Weg. Und wo sich die Klamm zum Wald hin öffnet, wachsen die Kronen der Bäume so dicht, dass einen ein plötzlicher Regenschauer nicht sorgen muss.
Am Ende der Klamm geht es scharf nach rechts in ein weiteres Labyrinth. Hier verlässt man den Mullerthaltrail, der weiter zum Predigerstuhl führt. Der Weg ist nun mit B 2 gekennzeichnet. Bevor man aber in das Labyrinth in Richtung Binzeltschlüff und Teufelsinsel hinaufsteigt, lohnt ein Abstecher zur Hölle. Vom Ende der Klamm bleibt man einfach gut 50 Meter weit auf dem Muller thaltrail Richtung Predigerstuhl. Die Hölle ist eine tiefe schmale Höhle, die allerdings nur mit Taschenlampe betreten werden sollte. Vom Labyrinth Richtung Binzeltschlüff geht es zur Teufelsinsel, einer steilen Klippe, die über eine Brücke zu erreichen ist, und eine fantastische Aussicht in Richtung Beaufort bietet. Auch hier ist ein passender Ort für eine Pause. Ausschnaufen. Landschaft genießen. Seele baumeln lassen.
Beliebte Kletterfelsen

 Im Westen von Berdorf haben Wanderer von der Teufelsinsel eine weite Aussicht ins Tal, wo sich der Fluss Ernz-Noire (Schwarze Ernz) in Richtung Sauer schlängelt. Foto: Office Régional du Tourisme Région Mullerthal

Im Westen von Berdorf haben Wanderer von der Teufelsinsel eine weite Aussicht ins Tal, wo sich der Fluss Ernz-Noire (Schwarze Ernz) in Richtung Sauer schlängelt. Foto: Office Régional du Tourisme Région Mullerthal


Es geht weiter auf dem B 2 Richtung Sieweschloeff. Und irgendwo dort, im Adlerhorst oder der Räuberhöhle, muss sich Ronjas Vater versteckt halten. Nachgucken in den tiefen Stollen kann allerdings nur, wer seine Taschenlampe nicht zu Hause hat liegen lassen. Da unten ist es nämlich dunkel wie in der Nacht.
Unterwegs kommen Wanderer an beliebten Kletterfelsen vorbei. Es macht Spaß, den drahtigen Männern und Frauen zuzusehen, wie sie spinnengleich die senkrechten Wände hochkrabbeln. Der Weg führt zu einem weiteren Aussichtspunkt, dem Kaasselt, wo sich der Pfad teilt. Von nun an geht es auf dem Wanderweg B 8 weiter. Achtung: Nicht in Richtung Berdorf, laufen sondern die Route Richtung Kalekapp wählen. Der B 8 führt Schritt für Schritt an die Nordflanke des Berges, auf dem Berdorf liegt. Es geht durch Nadelwald, das Terrain wird etwas sanfter, die letzten Sandsteinformationen sind die Mandrack-Passage und der Kalekapp. Römer hinterließen einst Botschaften im Fels, 2000 Jahre später ritzten Mandy und Chris in den Stein, dass sie sich lieben.
Der spektakuläre Teil der Tour liegt nun hinter einem. Stellenweise führt die Route über befestigte Wege. Am Waldrand schweift der Blick über weite Kornfelder der Höfe, die nördlich von Berdorf liegen. Die Sonne wirft inzwischen lange Schatten. Den Schildern des B 8 folgend geht es noch einmal in den Wald, wo man schließlich auf den Wegen E 1 und E 4 in Richtung Echternach talwärts läuft. Es geht über einen Bach und gemütlich an einem kleinen Kanal entlang nach Echternach. Am Ortseingang quert man die Straße zwischen Echternach und Berdorf und spaziert im Wald parallel zur Straße N 10 nach Echternach zurück. Karte einstecken, Rucksack absetzen, Schnürsenkel lockern: Wer es bis hier geschafft hat, hat sich eine Portion Eis auf dem Echternacher Marktplatz verdient. Tobias Thieme

Immer donnerstags stellt der TV im Rendezvous auf einer Doppelseite im Rahmen seiner Serie "Tagestour" die schönsten Ziele der Region vor. Fotostrecken und Informationen zu bisher erschienenen Touren gibt es im Internet unter volksfreund.de/tagestour

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