"2012 wird das Jahr der Wahrheit"

Zum Jahreswechsel lohnt sich der Blick in die Zukunft. Was erwartet uns 2012? Wie wird sich die Euro-Krise weiterentwickeln? Ist unsere Währung noch zu retten? Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln untersucht die Stimmung bei den Unternehmen und stellt jährlich eine Prognose auf. TV-Mitarbeiterin Verena Schüller sprach darüber mit dem Direktor, Michael Hüther.

 Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft.

Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft.

Foto: Institut der deutschen Wirtschaft

Wie sieht Ihre Konjunktur prognose für 2012 aus?

Hüther: Wir gehen davon aus, dass sich die deutsche Wirt schaft merklich schwächer zeigen, aller dings nicht in eine Rezession abstürzen wird. Dabei erwarten wir eine Steigerung des Brutto inlandsprodukts im Durchschnitt von einem Prozent, was nach den drei Prozent des Vorjahres zwar spürbar geringer ist, aber zum einen die Normali sierung beschreibt und zum anderen zeigt, dass dem Konjunkturaufschwung auch ein bisschen die Luft ausgeht, was aber nicht ungewöhnlich ist.

Wie ist die Stimmung mit Blick auf die Zukunft? Was erwarten Industrie, Handel und Handwerk für das kommende Jahr?

Hüther: Zum einen ist die Stimmung unverändert positiv, was die Geschäfts tätigkeit der Unternehmen angeht. Rund 31 Prozent erwarten einen Produk tions zuwachs - vor sechs Monaten waren es aller dings noch 61 Prozent -, rund 19 Prozent ein Minus. Zum anderen ist die Fall höhe bei den Erwartungen aber auch sehr ausgeprägt. Die Erwartungen in Sachen Export oder Produktions steigerung sind bereits deutlich zurückgegangen. Das zeigt schon, dass die Gefährdungslage zugenom men hat. Die Nervosität ist auf jeden Fall gewachsen. Das führt bei den Investi tionen erstmal zu einem Luftholen - nur 30 Prozent wollen mehr für Neuan schaffungen ausgeben -, was aber kein Rezessions signal ist. Der Boom ist erst einmal vorbei, aber der Optimismus überwiegt weiterhin.

Hat das Konsequenzen für den Arbeitsmarkt?

Hüther: Beim Arbeitsmarkt kommt das nicht wirklich an. Der Arbeitsmarkt bleibt deshalb robust, weil die meisten Branchen ihr Niveau stabil halten wollen. 25 Prozent der Firmen wollen die Zahl ihrer Mitarbeiter sogar auf stocken. Tendenziell gibt es zudem weiterhin einen Rückgang der Arbeitslosig keit, was auf den demogra fischen Wandel zurückzu führen ist. Der Fachkräfte mangel aber bleibt das struk turelle Thema am Ar beits markt. Wir haben wei ter hin vor allem im techni schen Bereich eine perso nelle Unter versorgung. Auch im Industrie- und Bausektor wollen viele Unternehmen ihr Personal aufstocken. Da werden Facharbeiter gebraucht. Das bleibt auch 2012 ein wichtiges Thema.

Was sind die wichtigsten Baustellen für die Bundesregierung im nächsten Jahr?

Hüther: Es gibt zum einen die europäische Ebene, auf der die Bundes regierung auch nur ein Akteur von vielen ist. Ich glaube, dass die deutsche Wirtschaft das schon insgesamt so sieht, dass die Bundesregierung und die Kanzlerin dort gute Arbeit leisten und das mit Vernunft meistern. Zum anderen aber ist die Frage, was die Bundesregierung selbst machen kann - zu Hause. Und da sind schon einige Dinge, die unbe frie digend sind. Wie zum Bei spiel die eigenen Konsoli dierungs anstren gungen: Wir em pfehlen allen anderen, dass sie sparen sollen, aber wir nutzen die Chancen des Sparens selbst nicht wirklich aus. Da bleibt Geld im Haushalt stecken - das ist unverantwortlich. Die Steuerquellen sprudeln zum Beispiel konjunkturell, das kann nicht in den normalen Haushalt ein fließen, das muss zur Seite gelegt werden, so dass die Bundes regierung sehr viel mehr Glaubwürdigkeit im In- und Ausland gewinnen würde, wenn sie ihre eige nen Konsolidierungs anstrengungen verstärkt.

Was wird innenpolitisch wichtigstes Thema sein?

Hüther: Die Energiewende. Hier liegt natürlich die große Herausforderung. Es ist jetzt beschlossen, aber die Umsetzung ist mit er heb lichen Kosten ver bun den und bedarf der Zeit. Da ist aber zurzeit nicht wirk lich viel zu sehen. Energie kosten sind eine zentrale Infrastruktur- Determinante für einen Standort. Des wegen ist das ein Thema, bei dem die Bundes regierung einfach konse quent nacharbeiten muss.

Auf europapolitischer Ebene wird immer noch das Thema Eurobonds diskutiert. Was raten Sie da für das kommende Jahr?

Hüther: Euro-Bonds sind aus mehr facher Hinsicht abzulehnen. Zum einen fingieren sie eine Haftungs gemeinschaft, die wir in der Euro-Zone so nicht haben. Zum anderen werden damit Anreize für die jeweiligen Länder verdorben, eine solide Haushaltspolitik zu haben. Ländern mit hohem Schuldenstand wird somit der Druck genommen, ihren Haushalt in Ordnung zu brin gen. Im übrigen ver dirbt es auch die Anreize für die starken Länder, deren Bewertung darunter eher zu leiden hätte. Das setzt zudem etwas fest, was wir politisch noch gar nicht beantwortet haben: Wollen wir, dass die Länder in Europa ihre finanz politische Autonomie vollständig aufgeben? Da können Euro-Bonds nicht die Antwort durch die Hintertür sein.

Ihr Fazit: Was erwartet uns im kommenden Jahr?

Hüther: 2012 wird das Jahr der Wahrheit. Es wird zei gen, ob wir die Staats schulden krise beherrschen und ob das auch den Märk ten signalisiert werden kann. Und gleichzeitig müssen wir anfangen, un sere Hausauf gaben zu machen. Somit wird es schon ein Jahr großer Heraus forderun gen, aber wir müssen deshalb nicht in Panik verfallen. Die deut sche Wirtschaft ist hoch wettbewerbsfähig, das ist das, was uns zugute kommen wird.

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