Am Aschermittwoch ist nichts vorbei

Speicher · Die mehr als 130-jährige Geschichte des seit 1960 im Südeifelort Speicher angesiedelten Familienunternehmens Stuco zeigt, wie man Gegensätze verbindet. Einst als Betrieb für die Bestückung von Friedhofskränzen gegründet, ist Stuco längst deutschlandweit ein Synonym für karnevalistische Umtriebe. Und der Global Player ist zugleich eine kleine, feine Manufaktur.

Im Werk von Stuco am Rand des einstigen Töpferorts Speicher (Eifelkreis Bitburg-Prüm) riecht es mal nach Lack, mal nach heißem Industrieöl, mal leicht metallisch über den Säurebecken der Galvanikanlage. Und manchmal nach Papier oder Baumwolle. Laut kann es auch werden, wenn tonnenschwere Stanzanlagen auf Metallstempel hinab rasen und entsprechende Formen hinterlassen. Andernorts im Betrieb ist es vor allem bunt. Ein kleiner Ausstellungsraum präsentiert die Palette der Stuco-Erzeugnisse und somit fast die gesamte Welt der Werbemittel: von knallroten Trikots mit dem aufgestickten Namen des Trägers über türkisfarbene Elefanten aus Plüsch oder goldglänzende Schlüsselanhänger, lederne Sofas und silberne Waschmaschinen in Miniaturformat bis hin zur aufblasbaren Luftmatratze in Multicolor mit aufgedrucktem Fotomotiv und Firmenlogo eines Reisekonzerns.

Der Grund für diese Vielfalt an sinnlichen Eindrücken ist, dass Stuco mit allen Materialien arbeitet, die man sich nur vorstellen kann: Kunststoffe, Metalle, Textilien, Holz ... Im Umgang mit diesen Rohstoffen beweisen die Beschäftigten des Unternehmens gestalterisches und kunsthandwerkliches Können in Perfektion: Filigrane Gravuren und Reliefs für verschiedene Werbemittel oder Pokale werden individuell gefertigt, vom Entwurf über die Programmierung der entsprechenden Maschinen bis hin zum Feinschliff.

Kleine Embleme werden in Handarbeit gestanzt und poliert, sie schmücken am Ende die Parfümflacons internationaler Top-Label. Personalisierte Werbemittel wie T-Shirts werden individuell mit einem Namen bedruckt und Karnevalsorden mit haarfeinen Pinseln bemalt. Ein absolutes Muss der hier Arbeitenden sind Geduld und eine ruhige Hand.

Einziger Lehrbetrieb für Graveure im Land


"Wir haben einen treuen Mitarbeiterstamm von rund 100 fest Angestellten und weiteren rund 250 erfahrenen Kräften in der Region, die wir zu Spitzenzeiten für besondere Aktionen heranziehen können", berichten Marketingleiter Frank Reimann und der für den Vertrieb Metall zuständige Abteilungsleiter Michael Ittenbach. "Präzision und gute Feinmotorik sind gefordert, denn wir arbeiten im Zehntelmillimeterbereich. Daher sind wir sehr darauf erpicht, unsere guten Mitarbeiter zu halten." Das gelingt - die Fluktuation ist so gut wie nicht vorhanden, und Stuco sorgt als Ausbildungsbetrieb auch selbst für qualifizierten Nachwuchs. Nicht nur kaufmännische und mechanische Berufe können hier gelernt werden, sondern das Unternehmen ist in ganz Rheinland-Pfalz das einzige, welches Graveure und Ober flächenbeschichter ausbildet. Die Stuco-Azubis haben beste Chancen auf Übernahme. Einige von ihnen haben womöglich auch die Gelegenheit, mal internationale Luft zu schnuppern. Denn das Unternehmen hat seit seiner Gründung 1882 als kleiner Betrieb für Blumenkränze in Haan bei Düsseldorf eine bemerkenswerte Wandlung hinter sich. Es ist mittlerweile weltweit vernetzt, vor allem im Hinblick auf Zulieferer in Fernost. "Wir sind auf Wunsch für unsere Kunden alleiniger Ansprechpartner und garantieren das geforderte Qualitätsniveau - die ausländische Produktion wird von unserem Büro in Hongkong vor Ort kontrolliert", sagt Reimann. "Alle sozialen und umweltbezogenen Standards müssen eingehalten werden." Die in Asien vorgefertigte standardisierte Ware wird teils in Speicher weiterverarbeitet. Viele Kunden schätzen jedoch die besondere Qualität der in der Eifeler Manufaktur hergestellten Waren - sie ist sofort sichtbar und spürbar. "Eine Automatisierung kommt für die Ansprüche dieser Kunden zumeist nicht infrage."

Allein im Bereich der Karnevalsorden werden rund drei Viertel der verkauften Exemplare von Hand produziert. Die dafür benötigten Werkzeuge stellt das Unternehmen selbst her - etwa 600 sind es pro Jahr. "Das muss selbst bei Kleinstserien mit geringer Stückzahl sein", sagt Ittenbach.

Karneval ist ein Ganzjahresfaktor


Die Produktion der Orden nimmt dann zwischen zwei und sechs Wochen in Anspruch. Die Kundenanfragen kommen das ganze Jahr über - manche bereits lange vor Saisonauftakt, andere erst auf den letzten Drücker kurz vor dem Rosenmontag.

"Wie beliefern Karnevalsgesellschaften in der Region Trier und in ganz Deutschland sowie in den Niederlanden, beispielsweise die Mainzer Prinzengarde oder das Festkomitee Kölner Karneval. Das ist eine ganz besondere Klientel, in der es auf persönliche Beziehungspflege ankommt. Wenn man diese Kunden erst einmal überzeugt hat, sind sie in der Regel sehr treu", sagt Michael Ittenbach. Rund eine Million Euro Umsatz werden mit rund 150 000 Orden und Pins pro Jahr in Sachen Karneval gemacht. Ein handgefertigter Orden ist schwer - schließlich wird Messing, Kupfer, Zink oder auch echtes Gold und Silber verarbeitet. Vermutlich wird die künftige, für 2012 amtierende Trierer Karnevalsprinzessin mit einem besonders prachtvollen Exemplar ausgestattet - denn sie gehört zum Team von Stuco.

Eine neu errichtete Logistikhalle am Ortsrand von Speicher steht mit ihren 4000 Quadratmetern Fläche für eine Kompetenz, die Stuco in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut hat. Denn das Unternehmen ist weit mehr als eine Manufaktur: "Wir sind ein Full-Service-Anbieter, vom Erstellen des Designs über die Webshop-Betreuung bis hin zum Versand an die Endkunden, den wir für unsere Auftraggeber übernehmen", beschreibt Frank Reimann das deutlich ausgeweitete Leistungsspektrum. Mehr als 600 000 fertig kommissionierte Pakete verlassen den Betrieb pro Jahr. "Für viele Wettbewerber ist der Begriff Full-Service Auslegungssache. Bei uns ist die Definition ganz einfach und komplett: Wir übernehmen wirklich alles." Die ganze komplexe Welt der Werbemittel wird den Kunden auf Wunsch abgenommen: Auftragsabwicklung, Logistik, Abrechnung und Controlling und der gesamte Service rund um die Online-Shops der Auftraggeber. Diese Dienstleistung nehmen unter anderem Miele, Schmitz Cargobull oder auch die Bitburger Braugruppe in Anspruch.

Extra
Die Stuco GmbH & Co. KG siedelte 1960 von Haan (Nordrhein-Westfalen) nach Speicher über. Geschäftsführer des Familienunternehmens sind die Brüder Andreas Poth und Christian Poth sowie Till Balken. Ihr Unternehmen ist untergliedert in drei Profitcenter, die Hand in Hand arbeiten:
a) der Bereich Handel, Vertrieb, Full- Service sowie Design und Produktentwicklung;
b) der Bereich Fertigung mit Galvanik, Gießerei, Prägung, Malerei und Metall verarbeitung;
c) der Bereich Druckerei mit UV-Offsetdruck, Siebdruck, Textildruck und Tampondruck. Im Hochregallager stehen 4000 Palettenplätze zur Verfügung, um eine Lieferung just in time zu gewährleisten.
www.stuco.de

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