Der Tradition verpflichtet

Es ist merkwürdig: Deutschlands Bevölkerung wird älter und älter, die Zahl traditioneller zahlungskräftiger Wein kenner mittleren und höheren Alters steigt, Erfahrung steht hoch im Kurs, aber in der Werbung und im Marketing machen nur die Furore, die sich als jung, dynamisch und international erfahren anpreisen. Unter dem Label Junge Winzer hat ein großer Discounter gerade eine Weinverkaufs- und Qualitätsoffensive gestartet.

Der Medienrummel um die jungen Winzer rückt die alten Prädikats- und Spitzenweingüter in ein schattiges Licht. Dabei hätten sie ihr Renommee nicht erwerben können, wären sie nicht konsequent qualitäts orientiert gewesen, hätten sie auf billigen und süßen Wein gesetzt. Das vor allem lange im Ausland dominierende falsche Image hat

der deutsche Wein unter Kennern nie gehabt. Die Spitzenweingüter haben eine Leuchtturmfunktion für die selbstvermarktenden Winzer.

Auch die jungen Winzer müssen zunächst ihre Zielgruppe kennen und bestimmen. Darauf müssen sie ihre Weine und ihre Marketingideen abstimmen. Sprachliche Abrüstung, Abschied vom Superlativ-Deutsch tut not. Wer auf die überwiegend jüngeren Trendfollower setzt, dem mögen rockige Weinpartys und Etiketten mit frisch-frechem Design helfen - ohne gequälte Fantasienamen wie Geyerscheiss und lächerliche Marketingmätzchen oder Verirrungen wie Kalte Muschi, Sophie & Sophie, Catuma oder Bayao. So heißen die häufig aus Cola und Wein gemixten Weinmischgetränke.

Wer die Weinkenner im Visier hat, muss vor allem glaubwürdig, authentisch, unverwechselbar bleiben. Die Tradition des An- und Ausbaus verpflichtet zur Seriosität und stilvollen Präsentation der Weine und des Weinguts, dem Candle-Light-Dinner oder der Verbindung von Konzerten oder Literatur mit Wein verkostung, der WeinLese wie beim Rheingau Literatur-Festival. Wer experimentieren will, sollte die neuen Ideen unter eigenem Namen verfolgen, um den Namen des Weinklassikers nicht zu beschädigen.

Es ist nur die halbe Wahrheit, wenn die vielen jungen Winzer für ihre Zusammenschlüsse das Argument anführen, im Zeitalter der Globalisierung fände der Wettbewerb im Weinregal mit spanischen, chilenischen, neuseeländischen Weinen statt. Deshalb müsse man kooperieren statt konkurrieren. Der Wettbewerb findet nach wie vor auch zwischen den Wein gütern einer Region mit einem spezifischen Profil, der Lage, der Bodenbeschaffenheit, der Sorte, der Bekömmlichkeit statt. Wem es gelingt, seinen Wein zu einem unvergesslichen Genusserlebnis auszubauen, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil. Entscheidend ist das unverwechselbare Profil. Eine junge Winzerin des irreführend seltsam Generation Riesling genannten Verbunds - es können auch Anbauer von Silvaner oder von Spätburgunder Mitglied werden - beschreibt die Bedeutung des Zusammenschlusses als gelungene Kombination aus traditionellem An- und Ausbau, moderner Technik, überliefertem Wissen und einmaliger Lage. Über diese Brücke können alte und junge Winzer gehen.

Der Autor ist ehemaliger Handelsblatt-Chefredakteur.

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