Ein früher Sommer tut dem Absatz gut - Interview mit Andreas Garnier, Geschäftsführer des Pfälzer Unternehmens Josef Seibel

Wie können Traditionsunternehmen in Zeiten globaler Märkte überleben? Lohnt es sich für die Industrie heute noch, in Europa zu produzieren? Macher, Menschen + Märkte-Mitarbeiter Daniel John hat mit Andreas Garnier, Geschäftsführer der Josef Seibel Schuhfabrik GmbH und der Romika Shoes GmbH, gesprochen.

 Andreas Garnier.

Andreas Garnier.

Foto: Daniel John

Welches sind die aktuellen Schuhtrends?
Im Moment geht eigentlich alles. Der Markt ist geprägt durch eine relativ starke Kaufzurückhaltung im Schuhbereich in den vergangenen anderthalb Jahren. Das hat dazu geführt, dass es ein breites Angebot gibt. Es gibt Trends, über die die Branche spricht, welche im Handel aber nicht so deutlich sichtbar sind. Es wird viel Restware angeboten, und der Konsument kauft in unterschiedlichen Stilrichtungen breit ein.


Worüber spricht denn die Branche?
Für das Frühjahr und den Sommer gibt es nach wie vor sehr viele High Heels, Plateauschuhe, Pumps und Keil-Sandalen. Konträr dazu gibt es einen Trend im Sneaker-Bereich, also dem Sportschuh, der auf die Straße gebracht wird. Man sieht einen Drang zum sehr Eleganten oder sehr Sportlichen. Bei den Farben werden zum Beispiel Tierprints stärker. Außerdem geht der Trend zum Materialmix, der Kombination unterschiedlicher Lederarten mit Textilien oder Synthetik und Glitzerstoffen in Silber, Bronze oder Gold.

Sie sprachen von einer Kauf zu rückhaltung im vergangenen Jahr. Was sind die Gründe?
Wir können die Witterungslage an unseren Umsätzen ablesen. 2010 hatten wir einen frühen Sommer und einen sehr starken Winter. Dann ist der Schuhhandel erfolgreich. 2011 war ein furchtbarer Sommer und ein noch furchtbarerer Winter. Richtig gut lebt der Schuhhändler, wenn er die entsprechende Witterung und passend dazu eine gesunde allgemeine Konkjunkturlage hat. Aber wir können mit allem leben - auch mit einer schwierigen Konjunktur, denn der internationale Markt bietet immer Ausweichpotenzial. Wenn es in Deutschland schlecht läuft, können wir zum Beispiel mit einem sich erholenden Markt in den USA und den ehemaligen Sowjetstaaten ausgleichen.

Was hat die in Hauenstein in der Pfalz ansässige Seibel-Gruppe bewogen, die Trierer Firma Romika im Jahr 2005 zu übernehmen?
Romika hatte wichtige Werte: Erstens gehört die Marke Romika mit über 60 Prozent Bekanntheit zu den bekanntesten Marken in Deutschland. Der zweite Punkt sind die Mitarbeiter mit einem hohen Maß an Produkt-Know-how: Romika war immer technisch innovativ, zum Beispiel mit angeschäumten Polyurethan-Sohlen. Und das dritte ist die internationale Vertriebsstärke mit mehr als 50 Prozent Exportanteil. Es gibt keine Marken mehr, die nur in einem einzelnen Markt überleben können.

Warum haben Sie sich für den Standort in Trier entschieden?
Wir wollten Romika die eigene Identität wiedergeben, das ist ein ganz entscheidender Punkt für eine Marke, die eine Historie hat. Romika muss ja ein Gesicht haben. Da wir hier keine Fabrik bauen konnten, mussten wir eine andere Idee entwickeln. Ich war begeistert von dem Gebäude (in der Trierer Metternichstraße, Anm. der Redaktion). Auch Carl-August Seibel (siehe Hintergrund) hat es sich angesehen, und keine fünf Minuten später war klar: Das hier wird die neue Romika. Danach haben wir mehr als 20 Millionen Euro in den Standort investiert.

Romika in Hauenstein war keine Option?
Wir wussten, wenn wir die Romika nach Hauenstein nehmen, wird sie untergemischt - ein Anhängsel von Seibel. Romika ist als Marke so stark und dominant, dass sie ein eigenes Gebäude hat. Und da wird Trierer Platt geredet und Pfälzisch verstanden.

Regionale Verankerung und Exportorientierung - wie passt das zusammen?
Das passt zusammen, weil es wichtig ist, eine Geschichte zu haben. Unser Claim für Romika ist "German shoes since 1921", für Seibel "The European Comfort Shoe" (seit 1886). Das darf sehr wohl aus der Provinz kommen, aber es muss in New York, Paris, London und Tokio erhältlich sein.

Wie hat sich Romika seit der Übernahme entwickelt?
Es hat sich viel getan. Wir haben das Romikulum zu einem Highlight der Trierer Gastronomieszene aufgebaut, unser Image nachhaltig verbessert und einen Umsatzzuwachs in unserer Industriesparte von nahezu 50 Prozent. Wir haben unsere Produktentwicklung in Hauenstein gestärkt, vergangenenes Jahr eine neue Fabrik in Ungarn gebaut, die täglich 8000 Paar Schuhe herstellt. Von unserem Logistikzentrum in Trier aus versorgen wir mehr als 60 Filialen der Leiser-Gruppe und eigenen Geschäfte. Das Online geschäft aller unserer Sparten im Konzern wurde von der Konzeptentwicklung bis hin zu Versand und Kundenservice hier in Trier angesiedelt. Außerdem haben wir hier den Kundenservice unserer 36 eigenen Seibel- und Romika-Geschäfte.

Warum produzieren Sie vor allem in Europa?
Wir arbeiten auch in Vietnam, Indonesien oder China. Asien ist wichtig, aber man kann dort nicht in kleineren Mengen produzieren und vor allem nicht flexibel auf Trends reagieren. Mit unseren Produktionen und der Logistik sind wir am stärksten in Ungarn, Tschechien und Bulgarien mit nahezu 80 Prozent unserer Gesamtmengen von über sechs Millionen Paar Schuhen. Bei 140 Arbeitsschritten, die für einen Schuh nötig sind, wollen wir den direkten Bezug zu den Fabriken. Wir sind noch Schuhmacher, die die Produktion eng begleiten und täglich weiter hinzu lernen.Zur Person

Andreas Garnier (48) ist gemeinsam mit Carl-August Seibel Geschäftsführer der Josef-Seibel-Gruppe. Der gebürtige Remagener kam im Alter von zwölf Jahren nach Trier. 1983 begann er seine berufliche Laufbahn bei Romika, wurde dort später Gesamtexportleiter. 1999 wechselte er zur Josef-Seibel-Gruppe, die 2005 die Marke Romika übernahm. Im selben Jahr wurde er Geschäftsführer. Garnier ist verheiratet, hat zwei Söhne und ist Mitglied des Aufsichtsrats von Eintracht Trier.
Hintergrund: Unternehmen

Die Josef-Seibel-Gruppe beschäftigt 3500 Mitarbeiter, davon 1400 in Deutschland. Das Unternehmen mit Stammsitz in Hauenstein (Pfalz) macht pro Jahr 350 Millionen Euro Umsatz und produziert sechs Millionen Paar Schuhe. Davon entfallen drei Millionen auf die Hauptmarke Josef Seibel und 2,5 Millionen auf Romika. Außerdem gehören die Marken Romikids, Westland und Ladystar by Daniela Katzenberger zum Konzern. Ab Herbst 2013 soll auch für das Modeunternehmen Gerry Weber aus Westfalen eine eigene Produktlinie gefertigt werden. Die Seibel-Gruppe betreibt eigene Schuhgeschäfte - zum Teil unter eigenem Namen. Auch die Filialen von Leiser und Schuhhof gehören seit diesem Jahr zu 100 Prozent zur Seibel-Gruppe, die bereits zwei Jahre zuvor eine Beteiligung von 49 Prozent erworben hatte. Das Entwicklungszentrum befindet sich in Hauenstein, vom Trierer Logistikzentrum werden 15 Filialen der Leiser-Gruppe versorgt. Auch der Internetshop ist dort konzentriert. Das Familienunternehmen Josef Seibel wird heute in der vierten Generation von Carl-August Seibel geführt. Den Grundstein legte der gleichnamige Vorfahre 1886 mit einer Schuhfabrik in Hauenstein. Der Name Romika setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der drei Männer zusammen, die 1921 in Gusterath bei Trier eine Schuhfabrik gründeten: Hans Rollmann, Carl Michael und Karl Kaufmann. Das Unternehmen meldete 2005 Insolvenz an und wurde im selben Jahr von Josef Seibel übernommen.

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