Ein Selbstgespräch als Schutz vor dem Irrsinn

Sie geben als Kolumnist des Trierischen Volksfreunds immer dienstags auf der Seite Mehr Wert! Karrieretipps: Waren unter den mehr als 2000 Rückmeldungen auf Ihr erstes Irrenhaus-Buch auch welche aus der Region Trier?

 Foto: privat

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Wehrle: Ja, der Irrsinn kam aus allen Himmelsrichtungen, nicht zuletzt aus Trier und Umgebung. Ich glaube, wenn man jede Woche die Texte eines Autors liest, wächst der Wunsch, ihm auch mal zu schreiben. Das war spannend!

Wie viele Beiträge waren das? Können Sie ein Beispiel nennen?

Wehrle: Ich schätze, es waren 20 Mails. Zum Beispiel verdanke ich einer Leserin aus Trier die Geschichte der Firma, die ihre Putzkolonne nicht mehr täglich, sondern nur noch freitags anrücken lässt. Das Büro verkommt zur Müllhalde, Papierschnitzel liegen herum, Schmutzspuren zeichnen den Fußboden. Und als eine Mitarbeiterin ein Beweisfoto schießt und es mit einer freundlichen Mail dem Geschäftsführer schickt, hat das ungeahnte Konsequenzen: Die Mitarbeiter werden zum Putzdienst eingeteilt. Man stelle sich das vor: Hochbezahlte Arbeitskräfte verschwenden ihre Zeit mit dem Schrubben von Böden. Da wird kein Geld, sondern nur Gehirnschmalz gespart.

Haben die Finanz- und Eurokrise das "Irrsinns"-Aufkommen gesteigert? Sind die Chefs nervöser geworden, die Sie in den meisten Fällen als den Ursprung des Irrsinns ausmachen?

Wehrle: Die Globalisierung hat eine große Hektik ausgelöst. Das Handeln der Manager erinnert mich ans Frauenzersägen im Zirkus: Man muss es nicht tatsächlich tun, sondern nur möglichst spektakulär vortäuschen. Restrukturierungen sind oft Augenpulver: Sie sollen der Börse signalisieren, dass etwas passiert. Aber oft passiert das Falsche. Auch die meisten Fusionen gehen nach hinten los, denn Minus mal Minus ergibt in diesem Fall nicht Plus. Das eigentliche Kapital der Firmen sind die Mitarbeiter. Doch sie werden oft nur noch als Ballast gesehen, und man hört nicht auf sie. Ein großer Fehler.

Sie strahlen durch Ihren humorvollen Ton in Ihren Büchern großen Optimismus aus. Liegt darin ein Teil Ihres Erfolgs als Autor? Welche Rückmeldungen erhalten Sie?

Wehrle: Die schönsten Rückmeldungen klingen etwa so: "Seit Jahren habe ich geahnt, dass ich auf dem falschen Firmendampfer fahre. Aber erst Ihr Buch hat mir den Mut gegeben, in eine vernünftigere Firma zu wechseln!" In der Tat glaube ich, dass ein humorvoller Ton die Menschen in Bewegung bringt. Wer über sich selber und seine Firma lachen kann, ist schon einen großen Schritt weiter: Er hat zu innerer Distanz gefunden - statt sich von der Firma in den Sumpf des Irrsinns ziehen zu lassen.

Kommt trotz Ihres ständigen Kontakts mit Irrenhäusern Ihre positive Einstellung zu Ihrer Arbeit als Karrierecoach daher, dass Sie Ihr eigener Chef sind?

Wehrle: Gut möglich. Ich bin mein Chef und mein Angestellter zugleich, und ein einfaches Mittel kann mich vor dem Irrsinn hüten: das Selbstgespräch. Öfter mal frage ich mich: "Hast du noch Spaß an dem, was du tust?" Und dann lautet die Antwort fast immer: "Ja!" Ich liebe es, Bücher zu schreiben, Menschen zu beraten und an meiner Akademie Karrierecoaches auszubilden. Und was ich nicht liebe, lasse ich einfach. Zum Beispiel hasse ich PowerPoint-Folien. Deshalb trete ich bei meinen Vorträgen zur Führungskultur ohne visuelle Hilfsmittel an. Und vielen Hörern gefällt gerade das. Wahrscheinlich spüren sie, dass ich in der Situation echt bin.

Welchen Rat haben Sie allgemein für Mitarbeiter: Welche Einstellung ist die beste, um relativ unbeschadet und zufrieden mit seiner Arbeitsleistung durch diesen Irrsinn zu kommen?

Wehrle: Jeder Mitarbeiter entscheidet selbst, in welcher Firma er anheuert. Man sollte kritisch bei der Wahl seines Arbeitgebers sein und auf Warnsignale achten. Niemals dort anfangen, wo schon beim Vorstellungsgespräch der Wahnsinn aufblitzt - etwa indem die Sekretärin, die den Kaffee bringt, von den Chefs nicht mal ein "Danke" hört. Außerdem kann man in Firmen, wo der Irrsinn von oben herabprasselt, Schirme der Vernunft aufspannen - wenn man nur einen Vorgesetzten und ein paar Kollegen findet, mit denen man ein gutes Klima in der Gruppe schafft. Das verändert die Großwetterlage zwar nicht, macht sie aber erträglicher.

Martin Wehrle fordert in seinem Buch die Leser auf, ihm den Irrsinn ihrer Firma zu schildern. Er ist über seine Homepage zu erreichen: www.karriereberater -akademie.de mar

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