Etwas tun, bevor der Stress Stress macht - Unternehmen setzen vermehrt auf Prävention

Trier · Alarmiert durch die steigende Zahl der psychischen Erkrankungen kümmern sich Unternehmen um Präventionsprogramme. Das Mutter-Rosa-Altenzentrum in Trier ist nur ein Beispiel für jahrelanges Engagement.

Wenn die Tür des Altenheims abends ins Schloss fällt, ist für viele Mitarbeiter der Arbeitstag noch lange nicht zu Ende: Die Erinnerung an die Heimbewohner, die Sorge um ihren Gesundheitszustand oder die Vorbereitungen für ein Fest begleitet sie oft noch in Gedanken auf dem Nachhauseweg und machen auch an der eigenen Wohnungstür nicht halt. "Da unsere Bewohner oft über viele Jahre bei uns sind, entwickelt sich zwischen ihnen und dem Pflegepersonal eine große Verbundenheit", sagt Frank Marx. Er ist Verwaltungsleiter im Mutter-Rosa-Altenzentrum in Trier.

Das Altenheim kümmert sich seit Jahren um die Gesundheit seiner Mitarbeiter (siehe Extra), speziell auch um die Vermeidung psychischer Erkrankungen. Der Bedarf sei da. Nach Marx' Einschätzung hat die Zahl der psychischen Erkrankungen unter den Mitarbeitern in den vergangenen Jahren zugenommen.

Einen Auslöser neben der persönlichen Anteilnahme sieht er besonders in der gestiegenen Arbeitsbelastung durch die Dokumentation der Betreuung. Es müsse alles genau notiert werden, beispielsweise, wie viel jeder Bewohner während des Tages getrunken hat. Die Betreuung sei durch die gestiegene Zahl der Demenzerkrankungen generell intensiver geworden, außerdem stellten die Angehörigen höhere Anforderungen an die Pflege. Marx erwähnt die generell hohen Qualitätsansprüche an die Altenpflege, dabei kämpfe der Beruf um Nachwuchs und sein Image.

Bei Mitarbeiterbefragungen stellten sich Konflikte innerhalb der Teams als ein hoher Stressfaktor heraus. Mittels moderierter Gespräche werde versucht, zu intervenieren, sagt er. Nur eine Form der Prävention ist in diesem Zusammenhang die Schulung der Führungskräfte. Sie sollen Stress bei ihren Mitarbeitern und in den Teams frühzeitig erkennen und vermeiden lernen.

"Es hat sich bei einigen Teilzeitkräften nach dem Beginn der Behandlung wegen psychischer Erkrankung herausgestellt, dass es außer den genannten beruflichen Belastungen auch andere Gründe im Privatleben gab", sagt der Verwaltungschef.

"Die Vermeidung von psychischen Erkrankungen ist bei den Firmen in der Region Trier ein Riesenthema geworden", sagt Sandra Tittelbach. Die Projektleiterin Betriebliches Gesundheitsmanagement der AOK, zuständig für die Regionaldirektionen Trier-Saarburg, Wittlich, Daun, Bitburg und des Kreises Birkenfeld, betreut auch das Präventionsprogramm im Mutter-Rosa-Altenzentrum. Die Nachfrage nach Seminaren sei extrem gewachsen, bestätigt sie, sicher auch durch die gestiegene öffentliche Diskussion.

Damit folgen die Unternehmen einem bundesweiten Trend: Es gebe aus Angst vor einer Burn-out-Welle geradezu ein Aufrüsten in der Burn-out-Prophylaxe, schrieb die Karriereberaterin Svenja Hofert kürzlich in einem Beitrag für Spiegel Online.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will in diesem Jahr eine breit angelegte Kampagne zur Bekämpfung psychischer Überbelastungen starten. Das Thema sei bislang viel zu kurz gekommen. Jeder dritte Bürger, der heute vorzeitig in Rente geht, tue das, weil er den Anforderungen seines Jobs psychisch nicht mehr gewachsen sei. Das sei für die Betriebe wie für die Gesellschaft ein Riesenverlust. Allein die Behandlungskosten dafür belaufen sich laut von der Leyen auf geschätzte 27 Milliarden Euro im Jahr.

"Diese Zahlen sollten aufrütteln", sagt von der Leyen. Arbeitsausfälle, Behandlung und Renten kosten, kluge Vorsorge kann Milliardensummen sparen. Sie will sich mit den Tarifpartnern, Sozialversicherungsträgern sowie Länderexperten zusammensetzen, um Maßnahmen gegen zu entwickeln. Sie verwies auf die jetzt schon strengen Arbeitsschutzbestimmungen auch im Hinblick auf seelische Belastungen. Schärfere Gesetze seien daher nicht nötig.

Extra


Das Mutter-Rosa-Altenzentrum in Trier betreibt seit 2007 zusammen mit der Allgemeinen Ortskrankenkasse in Rheinland-Pfalz (AOK) betriebliches Gesundheitsmanagement. Es ist als eines von neun Best-Practice-Unternehmen (vorbildliche Praxis/Methode) in Rheinland-Pfalz auf der Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit aufgeführt. Mit Seminaren, Befragungen, Gesundheitsangeboten stehen die Mitarbeiterzufriedenheit, die Vermeidung von Krankheiten, Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Steigerung des Bewusstseins für Gesundheit im Vordergrund. In dem Altenzentrum leben 139 Menschen. Es hat 150 Mitarbeiter, darunter 15 Auszubildende. Träger ist der Waldbreitbacher Franziskanerinnen e.V.

www.bmg.bund.de/prävention.html

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