"Geht nicht gibt's nicht"

Trier · Windräder oder Kraftwerke aufbauen, Vierzigtonner aus misslichen Lagen befreien oder ausgediente Hochöfen demontieren - für solche Aufgaben werden Spezial kräne benötigt. Das Familien unternehmen Steil Kranarbeiten GmbH & Co. KG aus Trier hat 80 davon und ist damit einer der Branchenriesen in Deutschland.

Trier. Der stillste Ort des 1924 gegründeten Betriebs ist wohl der Hauptfirmensitz im Trierer Hafen. Hier geschieht die planerische und verwaltungstechnische Arbeit, hier sind etliche der Kräne stationiert, und hier werden sie gewartet und repariert. Das Gelände in der Nähe des Trierer Hafens liegt ruhig in der Mittagssonne, in den Hallen rings um einen weitläufigen Lagerplatz riecht es nach Maschinenöl und nach Schweißarbeiten. Die sind notwendig, um beispielsweise Baggermatten, auf denen die Kräne während ihrer Einsätze stehen, selbst herzustellen.

Die Mitarbeiter machen gerade Pause und Karl Trippel, seit 1992 technischer Leiter, nutzt die Gelegenheit zu einer kleinen Führung. Das Areal ist eingezäunt und wird nachts bewacht. "Früher war das nicht notwendig, doch in den vergangenen Jahren ist Diebstahl ein Thema geworden", erklärt er. Ohne Schutz werde alles geklaut - Metallteile, Zubehör, Diesel, selbst hölzerne Unterlegkeile wurden als Brennmaterial zweck entfremdet. Nun sind die hier stehenden wuchtigen, im firmentypischen Gelb leuchtenden Maschinen gut gesichert. "Der Unterwagen eines solchen Krans hat zwischen 350 und 800 PS", sagt er. "Aber die Power ist beim Bedienen kaum spürbar. Die Automatikgetriebe sorgen dafür, dass sich der ganze Kran weich und reibungslos bewegt."

Fast jedes Kraftpaket hat ein Namensschild hinter der Windschutzscheibe: Zum Beispiel Rainer oder Klaus. "Diese Geräte sind auf den Mitarbeiter abgestimmt, der mit ihm arbeitet. Jeder hat ‚sein' eigenes, von dem er genau weiß, wie es reagiert", schildert Geschäftsführerin Birgit Steil einen Aspekt des besonderen Vertrauens verhältnisses, das sie als Grundlage für das Geschäft bezeichnet. "Der Joystick, mit dem der Kranführer tonnenschwere Ladungen bewegt, ist perfekt auf seine individuelle Feinmotorik eingestellt. Jeder Mann, der bei uns einen solchen Job hat, identifiziert sich mit ,seinem' Kran - und daher mit uns. Wir haben ein sehr persönliches Verhältnis zu unseren Mitarbeitern. Das geht auch gar nicht anders." Kein Wunder, denn Birgit Steil vertraut jedem Kranführer ein Investitionsgut an, das zwischen 350 000 und fünf Millionen Euro wert ist. Zudem sind Kran arbeiten per se auch für die Arbeiter selbst keine risikolose Angelegenheit. An die damit verbundene Verantwortung erinnert ein Schild in der Werkstatt: "Leichtsinn ist kein Mut, Vorsicht keine Feigheit" steht darauf. "Männer neigen doch dazu, diese Maschinen wie große Spielzeuge zu betrachten", räumen Steil und Trippel lächelnd ein. Es kann nicht schaden, an die gebotene Umsicht zu appellieren.

Wie wichtig Fingerspitzengefühl und permanente Achtsamkeit sind, wird deutlich, wenn die beiden Unternehmenslenker von der alltäglichen Arbeit erzählen, die ihre Kräne zu leisten haben. Ein aktuelles Beispiel ist das Kohlekraftwerk Weiher im Saarland, bei dem Filter ersetzt werden. Allein der Transport des Materials zur Baustelle erfordert 42 Schwerlasttransporter, die von firmeneigenen Begleitfahrzeugen sicher über die Autobahnen geführt werden. "Wir müssen bei diesem Kraftwerk mit unseren Auslegern insgesamt 170 Meter überbrücken, dabei haben wir eine maximale Toleranz von 25 Zentimetern Abweichung, um nicht an Bauteile zu stoßen oder notwendige Fluchtwege zu blockieren", schildert Trippel die Dimensionen. Noch viel präziser müssen Kranarbeiten sein, wenn es um die Verarbeitung von Brückenbauteilen geht. Dann werden Hunderte Tonnen schwere Lasten im Gleichklang von zwei Seiten aus millimetergenau aufeinander zu bewegt. Nichts darf hier die Konzentration der Kranführer irritieren.

Computer hilft beim Konzept



Jedes Projekt, das geplant wird, beginnt mit einer Ortsbegehung. Im Fall des saar ländischen Kohlekraftwerks heißt das: Karl Trippel muss fast 90 Meter hoch klettern, um sich einen genauen Überblick zu verschaffen. "Höhenangst geht in unserem Metier gar nicht." Auf Grund von exakten Plänen wird dann in Trier ein computergestütztes Konzept erarbeitet, mit welchen Schritten und räumlichen Dimensionen die jeweilige Herausforderung gemeistert werden kann. "Letztlich hat sich alles als machbar herausgestellt", sagt Birgit Steil, "eine Lösung gibt es eigentlich immer." Auch für Aufgaben, die ein Laie wohl für unlösbar erachten würde. Wie den Aufbau einer gigantischen neuen Presse in der Halle eines Stahlwerks oder auch wie der nachträgliche Einbau von zusätzlichen Krankenzimmern unter dem Hubschrauberlandeplatz des Brüderkrankenhauses in Trier.

"In unserer Branche ist eine Mentalität gewachsen, in der man optimistisch ist, mit genügend Geschick, Kreativität und Ingenieurs-Fachwissen alle anstehenden Probleme zu bewältigen." Bangemachen gilt nicht, und Hindernisse werden überwunden. "Da passiert es bei einem Transport per Schiff auf einem Kanal schon mal, dass der ganze Pegel angehoben wird, damit der Kran problemlos vom Kahn auf die Straße kommen kann", nennt Trippel ein Beispiel.

Neulinge mit mulmigem Gefühl



Nur manchmal gebe es auch ängstliche Momente - vor allem bei Mitarbeitern, die noch nicht über viel Routine und Selbstsicherheit verfügen. "Wenn Sie nach oben schauen, Ihnen schwebt eine tonnenschwere Last über dem Kopf und gleichzeitig ziehen Wolken vorbei, dann entsteht leicht das Gefühl, dass der ganze Kran kippt. Dann braucht man Nervenstärke", schildert Trippel eindrucksvoll das mul mige Gefühl, das sich bei Neu lingen im Job einstellen kann. Das Steil-Team besteht aus erfahrenen Kranführern - das ist mehr als ein LKW-Fahrer mit Zusatz fortbildung und nicht von ungefähr in naher Zukunft ein anspruchsvoller Aus bildungsberuf.

Die Konjunktur für den Bereich Kranarbeiten ist abhängig von der Investitionsgüterindustrie. "Für uns war 2008 ein echtes Superjahr", erläutert Birgit Steil. "Seitdem ist kein wirklicher Boom mehr entstanden. Aber das Thema Windkraft beschert uns gute Zahlen." Die Kompetenz von Steil wird unter anderem für den Neubau von Windenergieparks in Polen, Frankreich oder Rumänien benötigt. Auch die Modernisierung bestehender Windkraftanlagen bringt Umsätze. Doch nicht nur der Energiesektor fungiert als ökonomischer Motor für die Spezialkräne. Bisweilen gibt es auch skurril anmutende Aufträge.

Besonders außergewöhnlich war das Ansinnen eines Lebenskünstlers und pensionierten Stahlkonstrukteurs in Frankreich, der sich als Hobby einen Luxusdampfer selbst gebaut hatte - allerdings daheim im eigenen Garten und nicht in einer Werft mit Docks. "Wir haben das 100 Tonnen schwere Boot dann zur Saar gehievt und es dort zu Wasser gelassen. Der Mann wusste bis zuletzt nicht, ob seine Kreation Marke Eigenbau überhaupt schwimmen kann", erinnert sich Trippel an eine Anekdote mit gutem Ausgang. Der Dampfer war flusstauglich. "Es gibt Fälle, in denen müssen wir auch ohne Vorbereitungszeit sehr spontan und schnell helfen", beschreibt Birgit Steil ein anderes Geschäftsfeld, das weiter zunimmt. Schuld sei die Neigung vieler LKW-Fahrer, sich komplett auf ihre Navigationsgeräte zu verlassen. "Wir haben mittlerweile drei Abschleppwagen mit vier Achsen, die in der Lage sind, auch schwere Lastwagen zu bergen." Immer häufiger komme es vor, dass sich Brummis hoffnungslos in Sackgassen oder viel zu schmalen Straßen verkanten. Dann tritt das Unternehmen Steil in Aktion und befreit die Gestrandeten.

DIE TECHNIK



Die Spezialkräne stammen von den Herstellern Liebherr, Demag, MAN, Daf und Faun. Das schwerste Gerät ist ein Demag TC 2800/1 mit einer Tragfähigkeit von 800 Tonnen, einer Auslegerlänge von 96 Metern und 512 PS. Mit ihm können Großanlagen und Windenergieanlagen sowie Brücken gebaut werden. Das leichteste Gerät im Fuhrpark von Steil Kranarbeiten ist ein Daf Efferkran, der acht Tonnen tragen kann, einen Ausleger von fast 17 Metern hat und über 280 PS verfügt. Er ist geeignet auch für den Einsatz in Hallen und für Sonderaufgaben. Auch für den Hausbau und für Industrie umzüge stehen weitere Schwertransporter und Kräne zur Verfügung.

DAS UNTERNEHMEN



Steil Kranarbeiten ist in ganz Deutschland sowie im EU- Ausland im Einsatz. Das Unternehmen beschäftigt 140 Mit arbeiter an den Standorten Trier, Wittlich, Saar wellingen, Frisange (Luxemburg) und Hettange (Frank reich). Der Familienbetrieb wurde 1924 von Michael Steil als Fach betrieb für Kesselbau gegründet. Sein Sohn Heinrich Steil, der die Firma gemeinsam mit seinen vier Brüdern nach dem Zweiten Weltkrieg führte, baute einen eigenen Abschlepp wagen und kaufte die ersten Gittermastkrane. 1989 übernahm die Tochter Birgit Steil das Unternehmen. Karl Trippel ist technischer Leiter. Videos von Spezialeinsätzen, unter anderem vom Weih nachts markt in Trier, einer LKW-Bergung oder der Errichtung eines Windrads unter www.steil-kranarbeiten.de/imagefilm.htm

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