Massenphänomen Ladendiebstahl: Nur jede zehnte Tat wird angezeigt

In Deutschland ist fast jede zehnte bekannt gewordene Straftat ein Ladendiebstahl. Das sind immerhin jährlich rund 390.000 Fälle bundesweit. In der Region Trier werden im Schnitt pro Jahr 1150 Fälle von Ladendiebstahl bekannt. Für Geschäftsinhaber ist die Prävention oft die einzige Möglichkeit, dem Treiben ein wenig Einhalt zu gebieten.

Auf den ersten Blick sind es überwiegend Kinder und Jugend8liche, die sich in die Geschäfte schleichen, verstohlen um sich blicken und ein Päckchen Kaugummi oder ein neues Handy in die Jackentasche stecken. Aber auch ältere Frauen sind überdurchschnittlich häufig Ladendiebe. Dies wird ersichtlich, wenn man die Täterprofile und ihre Anteile an den Ladendiebstählen betrachtet.Dabei ist das Phänomen kein soziales, die Täter kommen aus allen Bevölkerungsschichten. Denn an den Profilen wird auch deutlich, dass fast jeder Ladendieb - nachdem er geschnappt wurde - genug Geld zum Bezahlen hätte, der Reiz des Stehlens jedoch größer zu sein scheint.Markenartikelsind gefragte BeuteWas aber auch deutlich wird: Die Ladendiebe organisieren sich zunehmend in Banden, und gerade im hochpreisigen Bereich des Textileinzelhandels werden immer mehr Langfinger auf frischer Tat ertappt. "Wenn denn Täter erwischt werden, so haben sie nicht selten Luxusware aus gleich mehreren Läden in der Tasche", schildert %Alfred Thielen, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands Trier (EHV) die Erfahrung der Händler in der Region. "Markenartikel sind gefragt, vor allem bestimmte Größen, die sich später wieder gut verkaufen lassen", bestätigt auch Michael Müller, Inhaber des größten rheinland-pfälzischen Herrenausstatters% Die Blaue Hand in Trier und Präsident des Einzelhandelsverbands Trier. "Die Begehrlichkeiten der Diebe sind in etwa identisch mit den Begehrlichkeiten der Kunden."Aber was ist überhaupt ein Ladendiebstahl? Gemeinhin stehlen Ladendiebe in Selbstbedienungsläden und Kaufhäusern während der Öffnungszeit ausgelegte Waren - vor allem dann, wenn die meisten Kunden im Haus sind. Aber auch in den Randzeiten wird verstärkt gestohlen.Gelegenheitstäter nutzen die Abwesenheit oder Beschäftigung des Personals zum raschen Einstecken, während gewerbsmäßige Täter in Gruppen auftreten, das Personal ablenken, auch präparierte Taschen und Tüten zum Diebstahl verwenden oder ganz offen vorgehen.Dabei ist Ladendiebstahl ein Massenphänomen: In Deutschland ist rund jede zehnte bekannt gewordene Straftat ein Ladendiebstahl, insgesamt gibt es jährlich rund 390.000 Fälle im gesamten Land.1150 Ladendiebstählein der Region TrierIn der Region Trier werden laut Polizeiangaben seit einiger Zeit jährlich rund 1150 Fälle von Ladendiebstahl bekannt. Tendenz gleichbleibend. Jeder vierte bekannt gewordene Tatverdächtige ist demnach ein Ladendieb. Auffällig ist: Die Dunkelziffer beim Ladendiebstahl wird auf über 90 Prozent geschätzt - auf jeden erkannten Ladendieb kommen nach Schätzungen von Experten mindestens zehn unerkannte Diebe.Ein gefasster Täter,neun unentdeckte"Unsere Aufklärungsquote liegt zwar bei etwa 90 Prozent. Unser größtes Problem ist jedoch, dass nur wirklich wenige Straftaten auch von den Geschäftsleuten bei uns angezeigt werden", sagt Elmar Esseln, Hauptkommsissar und Leiter des Beratungszentrums beim Polizeipräsidium Trier. Der Haken: Solange ein Täter nicht angezeigt werde und lediglich eine Strafzahlung und ein Hausverbot in manchen Kaufhäusern erhalte, werde er nie in den Polizeiakten auftauchen. Ein polizei8liches Vorgehen auch gegen Banden, die in mehreren Städten aktiv werden, sei so nicht möglich. "So bleiben viele, die irgendwann mal aktenkundig werden, Ersttäter und müssen auch so belangt werden", gibt der Experte für Prävention zu bedenken.Polizei, Detekteien und Wachdienste wie die UTS Protecc Security GmbH in Föhren (Landkreis Trier-Saarburg) unterscheiden zwischen den Gelegenheitsdieben "vom Jugendlichen bis zur 90-jährigen Oma und den bandenmäßig organisierten vor allem osteuropäischen Gruppierungen", erklärt UTS-Geschäftsführer Marc Thurn. Mit 120 Mitarbeitern, davon 70 fest angestellten, gehört der Sicherheits-Dienstleister zu den größten seiner Art in der Region Trier.Seit 2001 bewacht UTS Protecc Security private und öffentliche Baustellen und sichert auch die größten Trierer Kaufhäuser und Shopping-Zentralen wie etwa Kaufhof, Karstadt und die Trier Galerie ab. "Wir beobachten das Verhalten der Leute. Man entwickelt ein Gespür dafür, wer ein potenzieller Langfinger ist", sagt Thurn. Die organisierten Banden kämen häufig zu fünft oder sechst und überrumpelten die Mitarbeiter. "Der Detektiv muss dann entscheiden, auf welches Bandesmitglied er sich konzentriert."In Trier gibt's vieleTatgelegenheitenGelegenheit macht eben Diebe. Und weil vor allem die Trierer Fußgängerzone eine große Ladendichte hat und sich Geschäft an Geschäft reiht, gibt es auch "viele Tatgelegenheiten", stellt Hauptkommissar Esseln fest. Deshalb sei Prävention ein wichtiges, wenn nicht gar das wichtigste Instrument, um den Langfingern die Arbeit zu erschweren.Und hier gibt es mehrere Ansatzpunkte, um den Schaden für den Handel einzudämmen (siehe Artikel auf Seite 9). Neben den technischen Optionen wie Warensicherungssysteme und Videoüberwachung setzt Triers größte Shoppingmeile, die Trier Galerie, auf einen ständig präsenten Wachmann. "Der ist präsent und zu erkennen. Damit geben wir jedem Kunden das Signal: ,Hier ist jemand tätig, der auch im Notfall eingreift'", sagt Christoph Höptner, Centermanager der Trier Galerie. Je nach Besucherfrequenz würden - wie zuletzt an Fastnacht - gleich mehrere Wachmänner eingesetzt, die betrunkene Besucher schon gleich am Eingang abwiesen. "Hell, sicher, sauber - dies ist kein hohler Slogan von uns. Wir beweisen das täglich", sagt Höptner. Er sei überzeugt davon, dass die Anwesenheit eines Wachmannes wichtig sei, um auch offensichtlich das Sicherheitsgefühl der Menschen zu stärken. Und so schätzt er dessen Aufgabe zu 80 Prozent als Präventionsarbeit und zu 20 Prozent als Interventionsarbeit ein.Der Schaden durch Diebstahl ist für den Einzelhandel nicht unerheblich, gehen den Unternehmen deutschlandweit im Jahr rund vier Milliarden Euro oder im Schnitt 0,5 Prozent des Ladenumsatzes durch so genannte Inventurdifferenzen verloren. Laut Schätzungen gehen davon rund drei Milliarden Euro auf das Konto von Ladendieben und eine Milliarden Euro auf den Diebstahl durch eigene Mitarbeiter. Aber auch Lieferantendiebstahl, Irrtum, Bruch und Verderb machen Differenzen aus.Geschulte Mitarbeiterschützen vor DiebstahlElmar Esseln setzt daher auf eine verstärkte Aufklärung der Betriebe und ihrer Mitarbeiter. "Wir machen Präventivabende in großen Häusern, bieten aber auch Einzelgespräche an. Aber leider ist der Erfolg von Prävention in Zahlen nicht zu messen", sagt er.Und wenn Mitarbeiter aufmerksam seien, sich in der Tatsituation richtig zu verhalten wüssten, dann habe allein dieses Verhalten schon präventive Wirkung.Sabine Schwadorf Ladendiebstahl im Strafrecht

Der Ladendiebstahl ist kein eigenständiger Tatbestand, sondern eine kriminologische Bezeichnung für das Vergehen des Diebstahls. Dazu tritt ein Hausfriedensbruch ein, sofern der Dieb erkennbar in der Absicht zu stehlen das Geschäft betritt. An der Erkennbarkeit fehlt es aber in der Regel, da kein Dieb offentsichtlich einen Laden betritt, indem er zum Ausdruck bringt, dass er in dem Geschäft stehlen möchte.Ein Diebstahl geringwertiger Sachen liegt vor, wenn der Wert unter 25 bis 30 Euro beträgt. Neuere Tendenzen der Rechtsprechung setzen angesichts der fortschreitenden Lohn- und Preisentwicklung mittlerweile die Grenze bei 50 Euro an. Diese Regelung betrifft damit die Mehrzahl aller Ladendiebstähle. Nach den Paragrafen 242 und 248a des Strafgesetzbuchs (StGB) ist bei einem Diebstahl geringwertiger Sachen ein fristgemäßer Strafantrag des geschädigten Ladeninhabers erforderlich. Fehlt er, kann dieses Verfahrenshindernis dadurch ersetzt werden, dass die Staatsanwaltschaft einöffentliches Interesse an der Strafverfolgung bekundet. Die Geschädigten stellen jedoch in aller Regel Strafantrag, zumeist ab einem Warenwert von zehn Euro.Der Strafrahmen für Diebstahl sind Geld- oder Freiheitsstrafe bis fünf Jahre. Die konkret verhängte Strafe richtet sich nach einer Vielzahl von Faktoren. Insbesondere sind Ladendiebe oft Ersttäter. Gegen diese stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren häufig - gegebenenfalls gegen Zahlung einer Geldauflage - ein, insbesondere bei einem geständigen Täter.Umgekehrt kann aber gegen einen Wiederholungstäter wegen eines Ladendiebstahls durchauseine Freiheitsstrafe verhängt werden, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Freiheitsstrafen im Bereich von einem oder mehreren Jahren werden aufgrund des vergleichsweise geringen Schadens jedoch grundsätzlich nicht verhängt.Ausnahmen hiervon sind Ladendiebstähle im Rahmen der Beschaffungskriminalität, wenn diese als gewerbsmäßige Diebstähle eingeordnet werden. Daß heißt, der Täter bestreitet seinen Lebensunterhalt oder die Finanzierung seines Drogenkonsums aus den Diebstählen.Die Strafe durch ein Gericht oder die Geldzahlung an die Staatsanwaltschaft bei einer Verfahrenseinstellung darf nicht mit der Vertragsstrafe oder Fangprämie verwechselt werden, die die betroffenen Kaufhäuser zumeist bei der Entdeckung der Tat von den Ladendieben verlangen.Ladendiebstahl ist die Straftat mit der weltweit höchsten Dunkelziffer. Quelle: Wikipedia

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