Neue Entwicklungen: Wie fließt das Wasser in Zukunft?

Leipzig/Trier · Wenn eine Gemeinde in ihr Kanalsystem investiert, muss sie die möglichen Entwicklungen der nächsten Jahrzehnte mitbedenken.

Das Angebot bestimmt die Nachfrage, lautet ein Gesetz der Marktwirtschaft. Das gilt auch für die Infrastruktur der Kanalisation: Sie muss dem Wasserbedarf und den örtlichen Gegebenheiten angepasst sein.

Das Schwierige dabei: "Ein Kanalisations- und Wasserversorgungssystem baut man nur einmal für 80 Jahre. Und man kann es nicht permanent anpassen", konstatiert der Biologe und Umweltwissenschaftler Engelbert Schramm. Am Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) beschäftigt er sich unter anderem mit der Zukunft der Wasserinfrastruktur. In einigen Gegenden Deutschlands sei die Kanalstruktur für heutige Verhältnisse zu groß dimensioniert: Demografischer Wandel, weniger Regen und weniger Wasserverbrauch in Privathaushalten und in der Industrie sorgen für weniger Verbrauch und Abgabe.

Den Planern, die einst das System konstruiert haben, sei jedoch kein Vorwurf zu machen, so Schramm. Sie seien von einem steigenden Bedarf ausgegangen. So prognostizierte etwa die Technische Universität Berlin 1980, dass im Jahr 2000 in den alten Bundesländern 219 Liter pro Person und Tag verbraucht würden. Tatsächlich aber verbrauchten Haushalte und Kleingewerbe lediglich 136 Liter (Quelle: BDEW).

Derzeit wird in einigen Ecken der Region in die Abwasserversorgung investiert: Eine EU-Richtlinie schreibt vor, dass alle Haushalte an eine mechanisch-biologische Kläran lage (siehe Seite 9)angeschlossen sein müssen. Rund 85 Millionen Euro hat etwa die Verbandsgemeinde (VG) Bitburg-Land seit Ende der 1970er Jahren in ihr Abwasserkonzept investiert.

In der VG Neuerburg sind derzeit noch 20 Ortslagen sowie Einzelanwesen ohne Anschluss. Das Institut für Stoffstrommanagement (Ifas) des Umweltcampus Birkenfeld hat für die teils sehr kleinen Dörfer das "jeweils wirtschaftlich, wasserwirtschaftlich und ökologisch sinnvollste Konzept" ermittelt, wie es in der entstandenen Studie heißt. Dafür wurde auch die Entwicklung der Einwohnerzahlen mitbedacht. Das Ergebnis: 13 Orte sollten semizentral - eine Kläranlage pro Ort -, der Rest dezentral - eine Kleinkläranlage pro Anwesen - erschlossen werden. Die zentrale Lösung, bei der "mehrere Ortslagen an eine Kläranlage angehängt werden" empfiehlt die Studie nur für ein Dorf.

"Das vollzentralisierte System ist im Grunde eine Antwort von gestern", meint Erik Gawel, Leipziger Professor für Volkswirtschaftslehre. "Das passt nicht mehr zu den demografisch und klimatisch sich verändernden Strukturen." Auch Engelbert Schramm prognostiziert: "Das zentrale System werden wir ganz langsam umbauen. Das wird ein Prozess sein, der über Jahrzehnte geht. Wir brauchen Lösungen, die so flexibel sind, dass sie auch Bevölkerungsänderungen aushalten." Denn es könnte ebenfalls sein, dass die Bevölkerung - anders als derzeit angenommen - wieder zunehme.

Einige Aufwand und Kosten minimierende Innovationen für die Kanal-Infrastruktur gibt es bereits: So können mit einem speziellen Verfahren digitale Kanalkataster erstellt werden, wie es gerade von den Verbandsgemeindewerken Gerolstein gemacht wird. Zugleich wird so der Zustand der Rohre überprüft. Um ein Rohr zu reparieren, muss heute nicht mehr die Straße aufgebuddelt werden. Es gebe sogar die Möglichkeit, ohne Aufgraben ein kleineres Rohr in ein vorhandenes einzulegen, falls die Abwassermenge abgenommen hat, so Schramm.

Der Biologe ist Leiter des Forschungsschwerpunkts Wasserinfrastruktur und Risikoanalyse am ISEO. Dort werden Konzepte entwickelt, wie Infrastrukturen nachhaltig umgebaut und an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden können: "Wie flexibilisiert man ein Kanalsystem? Das sind spannende Forschungsfragen." Ariane Arndt

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