Nicht jeder kann auf den Tisch hauen

Noch ist der Coaching-Markt nicht reguliert, und es gibt kein gefestigtes Berufsbild oder gar Berufsverordnungen, an denen sich ein Klient orientieren kann. Doch was zeichnet einen guten Coach aus? Und wie findet man ihn? In Macher, Menschen + Märkte sprechen zwei Experten über gutes Coaching und ihre Arbeit.

An der Universität Trier ist der Psycho loge Ansgar Berger für die Ausbildung von Coaches zuständig. Bereits vor sieben Jahren habe sich der Fachbereich für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie der Universität Trier (Ifabo) mit dem Thema des Trainings für Führungskräfte beschäftigt, erläutert Berger. "Es gibt verschiedene Ansätze und Schulen, die Coaching vermitteln und lehren."

Das Coaching, das die Trie rer Hochschule lehrt, orientiert sich an Wirkfaktoren. Dieses Prinzip stammt aus der Psychotherapie. Für Berger ist es wichtig, dass sowohl der Klient als auch der Coach sich für eine Zusammenarbeit entscheiden. "Dazu ist ein offenes Erst gespräch nötig. Der Klient muss einen Bezug zu seinem Problem haben", erklärt der Psychologe. "Brauche ich eine Klärung, oder brauche ich einen Anstoß, um das Problem anzugehen?"

Ein häufig beobachteter Konflikt sei der Ausstieg eines Mitarbeiters aus einem bewährten Arbeitskreis, weil fachliche Qualifikationen ihn über das Team stellen. "Dann stellt sich für die Person die Frage, ob sie führen kann und wie stark sie die Situation als belastend empfindet, Kollegen Anweisungen geben zu müssen und zu delegieren."

Oft werde das von Klienten als unangenehm empfunden, weil sie für sich noch keine Führungsrolle ausgebildet hätten. "Hier kann zusammen mit einem Coach eine Klärung des Problems stattfinden - dann erst ist es möglich, solche Situationen zu üben", sagt Berger.

Der Coach muss die Ressourcen erkennen



"Eine wichtige Kompetenz des Coaches ist es, zu unterscheiden, ob der Klient in diesem Moment eine Klärung seines Problems braucht oder ob ich mit ihm schon praktisch üben kann." Es ist nach Bergers Meinung auch unrealistisch, jemandem, der eine eher weichere Seite hat, beibringen zu wollen, auf den Tisch zu hauen, damit alles nach seiner Pfeife tanzt.

"Es muss eine Möglichkeit gefunden werden, im Rahmen dessen, was dem Klienten möglich ist zu arbeiten, Ressourcen zu finden, sie aufzudecken - das ist eine wichtige Kompetenz, die ein Coach mitbringen muss", sagt der Experte.

"Ein guter Coach muss bereits im ersten Gespräch den Nutzen einer Zusammenarbeit herausstellen und klare Ansatzpunkte aufzeigen, wie er den Kunden unterstützen kann", sagt Carsten Schiel. Der Sportpsychologe aus Kasel bei Trier gehört dem medizinischen Stab der deutschen Damen-Hockey-Mannschaft an und betreut die Sportlerinnen seit 2006. Bei den Olympischen Spielen in Peking und London stand der 41-Jährige, der in Hamburg aufwuchs und zum Psychologiestudium nach Trier kam, den Hockey-Frauen zur Seite (der TV berichtete).

Seine Arbeit als Sportpsychologe unterscheide sich grundsätzlich nicht von anderen Formen des Coachings, erzählt Schiel. "Da gibt es viele Parallelen. Doch das Ergebnis ist unmittelbar zu sehen: ein Sieg oder eine Niederlage."

Er könne aber nur indirekt eingreifen, betont Schiel: "Ich kann Empfehlungen geben, aber der Sportler oder der Trainer sind die Entscheider. Ich habe keine Befugnis, zu Taktik oder Mannschaftsaufstellung eine Position zu beziehen." Seine Ar beit mit den Athleten besteht aus drei Teilen, sagt Schiel: "Da ist erst einmal das reine Einzel-Coaching: Wie gehe ich mit Stress um und wie schaffe ich es, auch unter Stress meine Leistung dauerhaft abzurufen?" Zusammen mit der Mannschaft geht es um gruppendynamische Prozesse. "Wie harmoniert das Team, wo kann etwas verbessert werden?" Es sei wichtig zu erfahren, ob sich die Mannschaft ein eigenes realistisches Ziel gesteckt hat, das nicht von außen aufgedrückt wurde. Der dritte Ansatz zielt auf jeden Einzelnen: "Da geht es um die Stärken und die Schwächen der Spieler und die Frage, was bei jedem noch optimiert werden kann."

Carsten Schiel sieht ein Psychologie-Studium als wichtig, aber nicht unbedingt als erforderlich an, um Menschen zu coachen: "Ich glaube persönlich, dass ein Studium eine sehr gute Ausgangsposition ist - aber es kommt auf den Anlass des Coachings an. Geht es um Verkaufsstrategien, kann ein Mensch mit Berufserfahrung und Expertise ein genauso guter Coach sein."

Beide Psychologen, sowohl Ansgar Berger als auch Carsten Schiel, sehen auch die negativen Seiten im boomenden Coaching-Markt: "Es wird in der Masse schwerer für den Einzelnen zu erkennen, was wirklich fundiertes Coaching ist", sagt Schiel. "Es wäre wünschenswert, wenn sich ein oder zwei Verbände durchsetzen und zu einer verbindlichen Ausbildungsordnung finden", sagt Ansgar Berger. "Bis dahin muss man als Klient sehr kritisch sein - aber auch wenn man eine Ausbildung in die Richtung Coach sucht, sollte man sich genau informieren."

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