Parken und dabei Strom tanken - Ein Kommentar von Rainer Nahrendorf

Der Präsident des Bundesverbands für E-Mobilität, Kurt Sigl, wird ungeduldig. So wird es nichts mit der angestrebten Leitmarktposition, kommentierte er nach dem Elektromobilitätsgipfel im Kanzleramt.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel weiß, dass das Ziel, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen zu bringen, ehrgeizig ist, solange sie Kaufprämien wie in Frankreich und den USA ablehnt. Die zehnjährige KFZ-Steuerfreiheit, Steueränderungen bei E-Dienstwagen und die knapp zwei Milliarden Euro, die die Bundesregierung und die Industrie in die Forschungsförderung stecken, reichen nicht als Anschubhilfe. Deshalb könnten es lediglich 600 000 E-Autos bis 2020 werden.

Glaubt man der Branche, geht es um einen weltweiten Markt von 470 Milliarden Euro, einen Nettozuwachs von 220 000 Arbeitsplätzen allein in Deutschland - Grund genug für die Ökonation Deutschland, Leitanbieter werden zu wollen.

Zunächst müssen Vorurteile gegen E-Autos wie das der zu geringen Reichweite ausgeräumt werden. Sie sind nicht nur City-Flitzer. Das könnte wie in Israel durch Batterie-wechselstationen erreicht werden. Bei Elektrofahrrädern haben diese sich längst eingebürgert. Die Reichweite einer Stromladung von 100 bis 150 Kilometern in der Spitze sollte auch nicht unterschätzt werden. Sie reicht nicht für eine Urlaubsreise, aber für die Fahrt zum Arbeitsplatz, zum Einkauf, zum Arzt oder zum Abholen der Kinder vom Fußballtraining selbst in einer ländlichen Region allemal aus. Besonders, wenn auf dem Firmenparkplatz und in der öffentlichen Parkgarage Ladestationen stehen. Das E-Auto könnte der typische Zweitwagen werden. Es kann eben nicht nur bequem zu Hause an der Steckdose "betankt" werden, sondern immer während längerer Parkzeiten.

In einigen Parkgaragen Münchens findet man schon für Elektrofahrzeuge reservierte Parkplätze mit Ladestationen. Die Stromrechnung wird pauschal mit einem Euro abgegolten und zusammen mit der Parkgebühr entrichtet. In der Schweiz und in Deutschland gibt es auch mit einer Vignettenlösung arbeitende Stromtankstellen (Park & Charge). Um die Reichweiten zu verlängern, sind also nur Parkzeiten nötig, in denen eine Lademöglichkeit genutzt wird.

Die Kombination von Parkplätzen und Ladestationen an den Park&Ride-Parkplätzen und an Bahnhöfen würde das E-Auto selbst für Fernpendler attraktiv machen. Die weite Strecke würden sie dann in einer Fahrgemeinschaft mit einem herkömmlichen Auto zurücklegen oder in die Bahn steigen.

Das Schaffen einer vernetzten Ladeinfrastruktur muss Priorität haben und sollte gefördert werden. Solange es die noch nicht gibt, sind Hybridfahrzeuge mit kombiniertem Elektro- und Verbrennungsmotor der ideale Weg zur Reichweitenverlängerung.

Wenn die Kraftstoffpreise weiter steigen, wird das umweltschonende, energiesparende, reparaturgünstige E-Auto auch die Preisklippe überwinden. Die Möglichkeit, die teure Batterie zu mieten, hat sie bereits ein wenig gesenkt. Die deutsche Autoindustrie muss ihre Zukunft nicht nur als Premiumhersteller klassischer Autos, sondern auch als E-Autohersteller sichern. Der Elektromobilität aus erneuerbaren Energien gehört die Zukunft.

Der Autor ist ehemaliger Handelsblatt-Chefredakteur.

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