Perspektiven dringend gesucht

Trier · Die Initiative Region Trier ist ab dem Jahresende führungslos, das einstmals stolze Flaggschiff der Region wurde von seinen Eignern zur Segeljolle degradiert, von der Aufbruchstimmung früherer Jahre ist allenfalls noch Nostalgie übrig. Einigkeit herrscht, dass es nicht so weitergehen konnte wie bisher. Aber was stattdessen kommen soll, bleibt bislang nebulös.

Es war an einem Samstagmorgen im Oktober 1998. In der Europahalle rief die Region Trier die Revolution aus – oder jedenfalls das, was man im bedächtigen Landstrich zwischen Eifel und Mosel darunter versteht.

Die versammelte Elite aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik warf der Landesregierung, die den alten Regierungsbezirk gerade abgeschafft hatte, den Fehdehandschuh hin. „Dann müssen wir das Thema Region eben selbst in die Hand nehmen“, postulierte der frisch gewählte Vorsitzende der „Initiative Region Trier“, Harry Thiele, selbstbewusst. Der Zusammenschluss von Unternehmern, Kommunen, Kammern und Hochschulen mit dem einprägsamen Kürzel IRT war von Wirtschafts-Persönlichkeiten wie Bitburger-Chef Tomasz Niewodiczanski gegründet worden – und schickte sich nun an, die Interessen der Region in die Hand zu nehmen.

Gnadenschuss für das einstige Paradepferd

Mit beachtlichen Anfangserfolgen: Wirtschaft, Wissenschaft und Politik entwickelten in etlichen Arbeitsgruppen Zukunftsperspektiven, man erregte in Mainz Aufsehen mit einem „Sonderzug der Region“ gegen den Bahn-Kahlschlag, Kultur und Tourismus wurden als gemeinsamer Schwerpunkt nach vorn gestellt.

Rund zwölf Jahre später, ein lauer Septemberabend. Auf einem Moselschiff veranstaltet der Bundestagsabgeordnete Bernhard Kaster die Aktion „Region in einem Boot“. Zeitgleich wird im Industriepark Föhren die IRT in ihrer bisherigen Form zu Grabe getragen. Aktive Unternehmer wurden schon länger nicht mehr gesichtet, die Front der kommunalen Gebietskörperschaften bröckelt, die Kammern geben dem einstigen Paradepferd den Gnadenschuss.

Zu viel Papier, zu wenig zählbare Ergebnisse, so lautet ihr Fazit. Und zu hohe Kosten, jedenfalls aus der Sicht einiger Landkreise. Das Budget wird um 85 Prozent gekürzt, das Personal um Geschäftsführer Thomas Rabe muss sich nach neuen Jobs umsehen, die IHK übernimmt die Geschäftsstelle. Der frühere Trier-Saarburger Landrat Richard Groß verabschiedet sich als Vorsitzender der IRT mit einer heftigen Philippika gegen das Abhalftern seiner Organisation.

Seither herrscht Ruhe im Schacht. „Es gibt nichts Neues, jedenfalls nichts Spruchreifes“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Arne Rössel, bei dem die IRT zurzeit ressortiert. Ein neuer Vorsitzender? Nicht in Sicht. Ein Programm für 2011? Rössel verweist auf einen Workshop im Dezember. Die Arbeitskreisleiter hat man kürzlich eingeladen und ist übereingekommen, statt einer Vielzahl von Projekten sich auf „drei bis fünf“ (Rössel) zu beschränken. Bleiben soll offenbar das „Fünf-Sterne-Regiomagazin“ als Marketing-Element.

Aus dem erhofften Wiedereintritt des Vulkaneifelkreises ist bislang nichts geworden. „Derzeit kein Thema“, heißt es in Daun, vielleicht nächstes Jahr. Unterm Strich sieht das alles eher nach geordneter Abwicklung oder bestenfalls nach Weitergaren auf ganz kleiner Flamme aus. Aber keinesfalls als Aufbruch.

Einiges geht, wenn man an einem Strang zieht

Dabei sind sich auf der anderen Seite alle einig, dass eine bessere Koordination nach innen und eine gemeinsame Vermarktung nach außen für den ehemaligen Regierungsbezirk Trier dringend nötig wäre. Naturräumliche Initiativen wie die Dachmarke Eifel, aber auch kleinere Zusammenschlüsse wie die Lokale Aktionsgruppe Moselfranken haben gezeigt, dass einiges geht, wenn man an einem Strang zieht – und dass sich in Mainz, Berlin und Brüssel leichter Fördertöpfe finden, wenn man gemeinsam agiert.

Dass sich regionale Zusammenarbeit allemal rentiert, bestätigt der Aachener Professor Dirk Vallée. „Wer national und international besser wahrgenommen werden will, muss als größerer Raum geschlossen auftreten“, sagt der Experte für Regionalplanung. Aber das setze die Bereitschaft voraus, „ein Netzwerk zwischen Politik, Wirtschaft und Medien zu knüpfen“. Und: „Es muss jemand Geld in die Hand nehmen“.

Als gelungenes Beispiel nennt Vallée die Metropolregion Rhein-Neckar. Dort hat man es geschafft, drei Bundesländer, diverse Kreise und mehrere Großstädte unter einen Hut zu bringen. Maßgeblicher Initiator war eine Zukunftsinitiative von Unternehmen wie BASF und SAP, die die Politik zum Handeln trieb.

Mit der offiziellen Anerkennung als Metropolregion im Jahr 2005 räumten die beteiligten Länder dem gegründeten Zweckverband weitgehende Planungsrechte ein. Über eine GmbH koordiniert er seither Marketing, Wirtschaftsansiedlungen, Kultur, Messen, ist bei Verkehrsplanung und Energieversorgung eingebunden.

Dass dieses Modell auf die Region Trier eins zu eins zu übertragen wäre, behauptet niemand. „Aber Rhein-Neckar hat demonstriert, was geht, wenn alle wollen“, sagt Professor Vallée. „Es hängt“, so sein Fazit, „vieles von den handelnden Personen ab“.

Wo aber könnte in der Region Trier eine Handlungsebene liegen? Den radikalsten Vorschlag vertritt schon seit Jahren der Trierer Soziologie-Professor Bernd Hamm. Sein Credo: Die Region brauche eine Art „Regionalregierung“, von den Bürgern durch einen gewählten „Regionalrat“ kontrolliert. Sie solle die Aufgaben der Kammern, Zweckverbände und Kommunalunternehmen „zusammenfassen und ergänzen“.

Die Idee hat Charme, leidet aber darunter, dass im Lande niemand ernsthaft über eine weitere Gebietskörperschaft nachdenkt. Hamms Konzept hätte höchstens dann eine Chance, wenn im Zuge einer Kommunalreform die jetzigen Landkreise der Region zu einem einzigen zusammengefasst würden – auch das eine eher utopische Vorstellung.

Unternehmer wie der Mettendorfer Möbelhändler Willi Hubor denken bei der Zukunft der Region ohnehin weniger an Institutionen. „Nicht immer so viel diskutieren, einfach mehr machen“, sagt der Mann, dessen Projekt „Wohnwerk“ in Trier dieses Jahr sensationelle 45.000 Zuschauer anlockte. Hubor ist die personifizierte Region: Sein Unternehmen lockt Publikum in die tiefste Eifel, sein stärkstes Marketing macht er in der Stadt Trier, und er kooperiert mit über 100 Firmen aus der Region. Nicht zufällig: „Die Region ist meine Heimat“, sagt er, „und da werde ich auch weiter investieren“.

Wie er sich eine gemeinsame Initiative für die Entwicklung der Region vorstellen kann? „Jedenfalls mit Lust und Leidenschaft, und mit Offenheit gegenüber neuen Ideen“. An eine große Organisation denkt Hubor dabei nicht: „Man kann nicht alles unter einen Hut kriegen“, zusammentun müssten sich jeweils „Vermarktungsgruppen, die zusammen passen“. Da liegt er gar nicht so weit von Professor Vallée entfernt. Der empfiehlt, statt mit Grundsatz-Strukturdebatten erst einmal mit „Kamingesprächen und Workshops“ Ideen für die Zukunft der Region auszuloten – bei Bedarf unter Hinzuziehung von externem Sachverstand. Aber eines ist ihm auch klar: „Es gibt keine Rezepte zum Nachkochen“.

Hintergrund

Unter „Region Trier“ versteht man den ehemaligen Regierungsbezirk, der Anfang 2000 vom Land aufgelöst wurde. Dazu gehören die Stadt Trier sowie die Landkreise Trier-Saarburg, Eifelkreis Bitburg-Prüm, Bernkastel-Wittlich und Kreis Vulkaneifel. Hier leben rund 514.000 Einwohner auf 5000 Quadratkilometern Fläche. Die Region ist keine Gebietskörperschaft, es gibt keine Regierung und kein Parlament. Einziges offizielles Gremium ist die eng an das Land angebundene .Planungsgemeinschaft Region Trier.

Meinung

Alles auf Anfang zurück

Von Dieter Lintz

Am Ende hatte niemand mehr richtig Lust auf die Initiative Region Trier. Die Unternehmer nicht, weil ihnen die Zeit zu schade ist, um jahrelang nur Papier zu produzieren. Die Kommunen, die Geld und Kompetenzen lieber für sich behalten. Und die Kammern, die selbst zu viel Bürokratie haben, um noch eine zweite zu unterstützen.

Und doch bleibt wahr: Mit Kirchturmdenken kommt die Region nicht weiter. Anderswo agiert man gemeinsam und ist deshalb überlegen. Effektive Vernetzung ist ein Muss, wenn man handlungsfähig bleiben will.

Beim Computer gibt es eine „Reset“-Taste für den Fall, dass man sich verheddert hat und nicht mehr weiterkommt. Dann gehen vielleicht ein paar Daten verloren, aber man kann danach den Prozess neu – und vielleicht intelligenter – starten.

Die Region sollte die Reset-Taste drücken.

d.lintz@volksfreund.de

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