Wer es hier schafft, der schafft es überall

Die 20 000-Einwohner-Gemeinde Haßloch im Landkreis Bad Dürkheim ist alles andere als außergewöhnlich und gerade deshalb für die Konsumforschung so in ter es sant. Seit mehr als 25 Jahren entscheiden Haßlochs Einwohner, ob etwa ein neues Waschmittel das Zeug dazu hat, den deutschen Markt zu erobern.

 Ob ein neuer Schokoriegel in Deutschland in den Handel kommt, entscheiden häufig 3500 Testhaushalte in Haßloch in der Pfalz.

Ob ein neuer Schokoriegel in Deutschland in den Handel kommt, entscheiden häufig 3500 Testhaushalte in Haßloch in der Pfalz.

Foto: iStock

Es ist nicht die Vertreibung der Alemannen durch die Franken vor etwa 1500 Jahren, die Haßloch so interessant macht. Es hat auch nichts damit zu tun, dass der Kaiser Barbarossa dort 1186 übernachtet hat. Und dass der Ort an der Bahnstrecke Mannheim-Kaiserslautern liegt, ist auch nicht der Grund. Genau genommen hat Haßloch eigentlich nichts Besonderes zu bieten.

Die Menschen, die dort leben, sind nicht reicher oder ärmer als anderswo. Es gibt dort auch nicht vergleichsweise mehr oder weniger Singles, Familien oder Rentner als im restlichen Deutschland. Und eine höhere Bildung haben die Haßlocher auch nicht. Kurzum: Die 20 000-Seelen-Gemeinde ist absoluter Durchschnitt. Nicht mehr und nicht weniger. 40 Quadrat kilometer Deutschland wie aus dem Katalog. Und genau das ist der Grund, warum das an sich langweilige Haßloch für die Marktforschung so spannend ist.

"Es ist so, dass die Einwohner in Haßloch in ihrer Gesamtheit dem bundesdeutschen Durchschnitt entsprechen", erklärt Göran Seil von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Das gelte für die Einkommenssituation und die durchschnittliche Haushaltsgröße genau wie beispielsweise für den Kaufkraft index, erklärt Seil. Er ist bei der GfK Leiter der Abteilung Testmärkte - womit wir bei dem wären, was Haßloch dann doch von allen anderen Gemeinden Deutschlands unterscheidet. In dem Ort an der Weinstraße stehen in den Regalen der Supermärkte und Discounter nämlich Produkte, die es sonst nirgendwo in Deutschland zu kaufen gibt. Denn Haßloch ist eine GfK-Test gemeinde.

Ist sich beispielsweise ein Süßwarenproduzent nicht sicher, ob seine neuen Schokobonbons das Zeug dazu haben, auf dem deutschen Markt zu bestehen, kann er sie zunächst in Haßloch testen. Dort werden sie in den Geschäften platziert, ohne dass der Kunde weiß, dass es sich dabei um ein Testprodukt handelt.

So gibt es in Haßloch insgesamt 3500 Haushalte, die mit einer sogenannten GfK-Identifikationskarte ausgestattet sind. Bei jedem Einkauf werden diese Chip karten an der Kasse durch einen Scanner gezogen. So können die Marktforscher der GfK genau nachvollziehen, wann und wie oft die Kunden das Testprodukt kaufen.

Doch nicht nur das: Von den 3500 Haushalten sind auch 2500 mit einem ganz speziellen Fernsehprogramm ausgestattet. Dieses ist mit dem im Rest der Republik nahezu 100-prozentig identisch, nur dass bei sieben Sendern (ARD, RTL, Sat.1, ProSieben, Super RTL, Vox und Kabel eins) in den Werbepausen etwas getrickst wird. Dort sind dann auch Werbespots der Produkte zu sehen, die es nur in Haßloch gibt. "Wir über blenden einfach die national ausgestrahlten Werbespots", erklärt Seil. Das sei technisch so perfekt, dass der Zuschauer davon nichts merke. Es sei möglich, weil Haßloch bereits seit Mitte der 1980er Jahre über Kabelfernsehen versorgt werde. Und um zu überprüfen, inwieweit diese Spots das Kaufverhalten tatsächlich beeinflussen, haben die übrigen 1000 der 3500 GfK-Testhaushalte nur das auf den Bildschirm, was auch alle anderen deutschen Fernsehzuschauer sehen. Sie dienen bei dem Versuch als Kontrollgruppe.

Als kleine Gegenleistung für ihre Teilnahme erhalten alle Testhaushalte ein kostenloses Abonnement der Fernsehzeitschrift Hörzu, die allerdings ebenfalls im Dienst der Marktforschung steht. Auch darin werden Werbeanzeigen abgedruckt, die auf das Haßlocher Sortiment abgestimmt und sonst nirgendwo in der Republik zu sehen sind. Und weil die Menschen mit Hilfe der vor Ort vorhandenen Supermärkte und Warenhäuser nahezu 95 Prozent ihres täglichen Bedarfs abdecken können, sind sie kaum in der Lage, die Testprodukte ausfindig zu machen. Ihnen fehlt in der Regel der Vergleich zu Geschäften außerhalb des Testgebiets.

Rund 350 Waren wurden bislang im GfK-Testort ausprobiert. Zu den Auftrag gebern gehören namhafte Hersteller wie Bahlsen, Iglo, Bayer oder Kellogg's, zu den Produkten Knabbereien wie Pringles, Ferrero Rondnoir und Kinder-Joy, aber auch Lenor-Waschmittel und Seife von Dove.

Aufwand und Dauer bestimmen Testkosten



Die Kosten für den Test richten sich nach Aufwand und Dauer. So muss beispielsweise eine Seife deutlich länger getestet werden als ein Schokoriegel, da diese nicht so häufig gekauft wird. "Es beginnt bei 20 000 Euro und endet irgendwo im stark sechsstelligen Bereich", sagt der Leiter der Testmärkte. Das sei in manchen Fällen viel Geld, räumt Seil ein, doch immer noch billiger, als ohne Feldversuch mit einem millionenschweren Marketingaufwand zu starten, um dann aufgrund der fehlenden Nachfrage das Produkt wieder vom Markt zu nehmen. Immerhin liege die Floprate in Haßloch bei 70 Prozent, wie der Konsumforscher erklärt. Das heißt: In sieben von zehn Fällen stehen dort Testprodukte im Regal, die kaum einer kauft. Produkte, bei denen es also die richtige Entscheidung war, sie vorher zu testen. "Unsere Prognosegüte ist absolut überlegen", sagt Seil selbstbewusst. "Was der Haßlocher nicht mag, wird auch der Bundesdeutsche nicht mögen."

EXTRA



Mit mehr als 11 000 Mitarbeitern und Standorten in über 100 Ländern gehört die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) nach eigenen Angaben zu den größten Markt forschungsunternehmen der Welt. Zu ihren Auftraggebern zählen Firmen der Konsumgüter-, Pharma-, Medien- und Dienstleistungsbranche. Neben dem pfälzischen Haßloch hat die GfK zwei Testmärkte in Frankreich (Angers und Le Mans) mit jeweils 4500 beteiligten Haushalten. Dort wird das Konsumverhalten mit denselben Methoden gemessen.

TAG DER MARKTFORSCHUNG



Der zweite bundesweite Tag der Marktforschung am 16. Juni steht unter dem Motto "Bürger fragen". Wie die Initiative Markt- und Sozialforschung in Berlin mitteilt, stehen an diesem Tag Markt- und Sozial forscher Rede und Antwort, und Interessierte können sich bei diesen aus erster Hand informieren. Zudem werde es eine Umfrage zur Zufriedenheit mit dem eigenen Wohnort geben. red

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