30 Jahre C64: Digitale Revolution mit acht Bit

Trier · Er hat das digitale Zeitalter in Köpfe und Kinderzimmer gebracht, sein maßgeblicher Kaufanreiz war ein Ozean von Raubkopien: Vor 30 Jahren begann der Verkauf des Commodore 64 in Deutschland.

Blau leuchtete der Bildschirm von Omas altem Fernseher, nachdem der vor Begeisterung kaum noch klar denken könnende Teenager den hässlichen braunen Kasten erfolgreich angeschlossen und eingeschaltet hatte. "Commodore 64 BASIC V2" stand dort zu lesen. "64 K RAM SYSTEM 38911 BASIC BYTES FREE." Doch diese Ansage interessierte den Teenager nur am Rande. Denn darunter stand das Wort "Ready", und dahinter blinkte ein Cursor, der dringend das Kommando "Load" erwartete. Damit das Spielen endlich beginnen konnte.Im Januar 1982 brachte Commodore den C.64 auf den Markt. Der aus heutiger Sicht jedem drittklassigen Handy weit unterlegene Rechner wurde mit 30 Millionen Exemplaren weltweit zum meistverkauften Heimcomputer aller Zeiten. Er brachte das digitale Zeitalter in Köpfe und Kinderzimmer und wurde zu einem der zentralen Erbauer des Fundaments, auf dem später ein Milliardenmarkt der Computer- und Videospiele entstand. Er weckte in Kindern und Jugendlichen eine Begeisterung für den Umgang mit Hard- und Software, die ihre Freizeitgestaltung der nächsten Jahrzehnte nachhaltig beeinflusste oder ihnen Inspirationen für den späteren Berufsweg lieferte.Ein Teenager hatte 1982 in seinem bisherigen Dasein kaum Erfahrungen mit Unterhaltungselektronik machen können. Der Fernseher im Wohnzimmer der Eltern zeigte ARD, ZDF und eines der Dritten. LPs wurden noch auf Kassette aufgenommen oder Radiosendungen mitgeschnitten.Als die ersten Heimcomputer auf dem Markt erschienen, stürzte sich eine ebenso experimentierfreudige wie technisch unterforderte Generation auf die kleinen Kästen. Was heute prähistorisch erscheint, war damals Science Fiction. Ein echter, eigener Computer. Zu Hause. Unglaublich.So fanden auch kleine Geräte wie der ZX 81 und sein Nachfolger Spectrum aus dem Hause Sinclair ihre Käufer, obwohl sie technisch sehr schwach auf der Brust waren, und auch der Vorgänger des C.64, der Commodore VC 20, war 1981 und 1982 in Deutschland ein Erfolg - mit lediglich fünf Kilobyte Ram. Der C.64 traf mit seinem Verkaufsstart im September 1982 in Deutschland auf einen bereits in Grundzügen existierenden Markt und fegte die Konkurrenz hinweg. Seine Leistungsstärke war damals konkurrenzlos. Doch nicht sie war der Motor des Erfolgs, sondern die Spieleindustrie - unfreiwillig. Denn die meisten Besitzer des C.64 hatten nach der teuren Hardware - 1495 Mark kostete der Computer 1982 und sank später auf 689 Mark, dazu kamen das Floppy-Disk-Laufwerk und vielleicht auch ein Monitor - weder Lust noch Rücklagen, weitere Summen in Spiele zu stecken.Die erste Generation der Computerkids nutzte ihre frisch erworbenen Fähigkeiten, Urheberrecht und Kopierschutzmaßnahmen außer Kraft zu setzen, und trat eine gigantische Lawine von Raubkopien los. Die kostenlosen Spiele machten auf Schulhöfen die Runde und wurden so zu ewigen Klassikern. Summer und Winter Games, Impossible Mission, International Karate, Miner 2049er, Jumpman Junior, Great Giana Sisters - Namen aus der Ruhmeshalle der Spiele. Die Industrie schrie natürlich Zeter und Mordio, doch auch sie musste einsehen, dass die Raubkopien zu den maßgeblichen Gründen vieler junger Menschen gehörten, sich einen Computer zu kaufen.Auch heute kramen viele Spieler gern wieder die alten Klassiker aus. Nicht nur der C.64 oder vergleichbare Computer der 1980er Jahre, sondern auch frühe Konsolen wie das Sega Master System und das Nintendo Entertainment System und ihre Nachfolger aus der 16-Bit-Ära sind immer noch mit dabei. Als Originalkonsole oder mit Hilfe eines Emulator-Programms (siehe unten) spielen Millionen die alten Juwelen. Extra: Der C.64 und andere Heimcomputer wurden von einem Acht-Bit-Prozessor angetrieben - daher die gängige Bezeichnung als Acht-Bit-Computer. Nachfolger wie der Amiga oder der Atari ST hatten 16-Bit-Prozessoren. mc

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