Brief an die Klowand

HAMBURG/TRIER. In einem internen Newsletter ging der Hamburger Werbe-Guru Jean-Remy von Matt hart ins Gericht mit den Webloggern. Nachdem einer von ihnen die E-Mail publik gemacht hatte, geriet die Kritik zum Bumerang.

„Du bist Albert Einstein, Du bist Claudia Pechstein, Du bist Günther Jauch“. Mit knackigen Sprüchen wie diesen startete im vergangenen Jahr die Medienkampagne „Du bist Deutschland“. Ziel: aufrütteln, motivieren, Mut machen, anzupacken. Doch kaum war die Kampagne im vergangenen Jahr gestartet, da hagelte es auch schon Kritik. Von Werbern, von Journalisten und in den Weblogs.

Den Machern der Kampagne schmeckte die Kritik nicht immer. So macht derzeit eine E-Mail im Internet die Runde, die es in sich hat. Dabei handelt es sich um einen internen Newsletter der Hamburger Werbeagentur „Jung von Matt“, die „Du bist Deutschland“ mit umgesetzt hat. Verfasser ist Agentur-Vorstandsmitglied Jean-Remy von Matt, der sich darin mit der Kritik an der Kampagne auseinandersetzt.

Der Inhalt lässt sich durchaus als brisant bezeichnen. Denn die Worte, die von Matt für die Kritiker übrig hat, haben es in sich. So heißt es in der Mail: „Das Ziel (der Kampagne, Anm. d. Red.): die Miesepetrigkeit bekämpfen. Der Dank: Miesepetrigkeit. Glücklicherweise nur von den Gruppen, von denen man nichts Besseres erwarten konnte.“ Die Miesepetrigkeit kam „von den Werbekollegen“, „von den intellektuellen Journalisten von FAZ bis TAZ“. Und: „Von den Weblogs, den Klowänden des Internets. Was berechtigt eigentlich jeden Computerbesitzer, ungefragt seine Meinung abzusondern?“

Nachdem der Blogger Jens Scholz die E-Mail in seinem Weblog publiziert hatte, brach ein Sturm los. Schließlich sprach die Passage über die Weblogger diesen insgeheim das Recht ab, ihre Meinung zu äußern. Und auch der Vergleich mit der „Klowand“ war wenig schmeichelhaft.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht in den deutschen Weblogs. Viele Betreiber von Online-Journalen griffen das Thema auf. Einige bastelten sogar eigene Klowand-Bildchen und -Buttons.

Auch in den TV-Weblogs beschäftigten sich die Autoren mit dem Thema. So schrieb beispielsweise der BlogBlog-Blogger: Damit „bringe ich zum Ausdruck, dass ich das Recht habe – und auch in Anspruch nehme – meine Meinung zu äußern und zwar ungefragt, ungefiltert, einfach abgesondert in meinem persönlichen Weblog, auf meiner persönlichen Klowand! Öffentlich und für alle sichtbar!“ Und DrHool schrieb unter der Überschrift: „Jetzt meint ein Herr von Matt, die Weisheit mit Löffel gefressen und das alleinige Recht auf eine freie (und richtige) Meinung zu haben, nur weil er eine Werbekampagne für Deutschland kreiert hat, die vor Klischees nur so strotzt.“
Die Resonanz auf den nun öffentlich gemachten Newsletter war insgesamt so gewaltig, dass die US-amerikanische Weblog-Suchmaschine „Technorati“, die Millionen von Weblogs weltweit durchsucht, die Begriffe „Du bist Deutschland“, „Klowand“ und „Jean-Remy von Matt“ unter den ersten fünf am häufigsten nachgefragten Wörtern listete.

Der so Gesuchte hat inzwischen selbst reagiert und gestern eine E-Mail an verschiedene Weblogger, die das Thema aufgegriffen hatten, verschickt. Darin entschuldigt er sich für die Verbal-Attacke auf die Online-Journale: „Es ist mir sowohl klar, dass es das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gibt, als auch, wie wichtig dieses Recht ist. Es ist mir insbesondere klar, wie viel die Weblogs für die Verwirklichung dieses Rechts tun – vor allem in Ländern, wo Meinungsfreiheit nicht selbstverständlich ist. Insofern tut es mir Leid, dass ich dieses Recht unbedacht in Frage gestellt habe.“ Allerdings kritisiert er, dass der Newsletter öffentlich gemacht wurde.

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