Vor 100 Jahren Über eine Eifel-Schriftstellerin und den Skandal, den sie auslöste (Podcast)

Audio · Geschichte der Region: Clara Viebig beschrieb vor rund 100 Jahren das Leben und Wirken von Männern und Frauen, Arbeitern, Angestellten und Bauern in einer Epoche, die von sozialer Not und technischem Fortschritt geprägt war. Hören Sie im Volksfreund-Podcast, wie die Trierer Schriftstellerin einst gefeiert - und wieder dem Vergessen entrissen wurde.

Clara Viebig, geboren 1860 in Trier, war eine Bestsellerautorin im wilhelminischen Deutschland. In unserer Region ist sie auch als „Eifel-Dichterin“ bekannt, weil sie mit ihren Romanen der Region zwischen Trier und Aachen ein literarisches Denkmal setzte. Dabei war Viebig selbst die Tochter eines preußischen Beamten, den es von weit her an die Mosel verschlagen hatte, genauer aus Posen.

Die Schriftstellerin war mehr als nur eine Heimatautorin, sie porträtierte vielmehr die damalige Gesellschaft und hier vor allem Schichten, die nicht unbedingt im Fokus standen: Frauen und Männer im ländlichen und städtischen Deutschland im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert, die fern der Heimat schuften. Männer, die feiern, wenn sie für wenige Tage nach Hause zurückkehren können. Hausmädchen, die sich in der Großstadt Berlin behaupten müssen. Bauern, die mit technischem Fortschritt und Krankheiten konfrontiert sind. Eine junge Mutter, die verstoßen wird und sich wehrt, als man(n) ihr das Kind wegnehmen will - mit fatalen Konsequenzen. Viebig beschrieb soziale Missstände und das Lebensumfeld ihrer Protagonisten, die denn auch in ihrem jeweiligen Dialekt feiern, schimpfen und Geschäfte abschließen. Später wandte sie sich historischen Persönlichkeiten zu, unter anderem zeichnete sie das Leben von Clemens Wenzeslaus, des letzten Trierer Kurfürsten, oder das einer Giftmischerin im frühen 19. Jahrhundert nach.

Viebig selbst lernte in ihrem realen Leben schon früh andere Schauplätze als nur Trier kennen: Als sie acht Jahre alt ist, wird der Vater nach Düsseldorf versetzt, Viebig kann aber später nach Schulabschluss ein Jahr in der Eifel wohnen und nimmt dort viele Eindrücke auf. Dann stirbt der Vater, die Familie zieht nach Berlin weiter. Hier startet die junge Frau nach einem ersten Versuch, als Sängerin Fuß zu fassen, eine schriftstellerische Karriere und schafft schließlich im Jahr 1900 mit dem Roman „Das Weiberdorf“ den Durchbruch. Als Viebig ihren 70. Geburtstag feiert, wird sie in vielen Zeitungen gewürdigt - auch im Ausland. Der Nationalsozialismus stoppt ihre Karriere. Ernst, ihr einziger Sohn aus der Ehe mit dem jüdischen Verleger Friedrich Cohn (gestorben 1936) muss seiner Herkunft wegen nach Brasilien fliehen. Clara Viebig selbst bleibt in Berlin, publiziert aber kaum noch. Sieben Jahre nach Kriegsende stirbt sie 1952 in Berlin, praktisch vergessen.

Clara Viebig: Vergessen und wiederentdeckt

Dass die Erinnerung an Clara Viebig und ihre Werke nun wieder gepflegt wird, ist unter anderem auch dem Einsatz eines Vereins aus der Eifel zu danken: Christel Aretz und ihr Mann Manfred gründeten 1992 die Clara-Viebig-Gesellschaft in Bad Bertrich. Die heutige Ehrenpräsidentin des Vereins und Autorin einer Biografie über Clara Viebig ist unsere Gesprächspartnerin im Volksfreund-Geschichts-Podcast „Porta“, der Clara Viebig zum Thema hat (Player wird nicht angezeigt? Hier klicken für eine alternative Ansicht).

Geschichte: Podcast über Clara Viebig und ihren Skandal-Roman "Weiberdorf"
Foto: TV/Klaus Kimmling

Auf die Bestsellerautorin war Aretz zusammen mit ihrem Mann erst nach einem Umzug nach Bad Bertrich aufmerksam geworden. „Unser Interesse, mehr über diese Frau zu erfahren, war riesig.“ Das Ehepaar organisierte einen Infoabend zu Clara Viebig, dem schloss sich die Gründung des Vereins an. „Unser Ziel war, Clara Viebig dem Vergessen zu entreißen“, beschreibt Aretz das damalige Ansinnen. Unterstützung erhielten sie und ihr Mann Manfred Aretz unter anderem von den Wissenschaftlern Volker Neuhaus (Uni Köln), Hermann Gelhaus (Uni Trier) und Helga Abret (Uni Metz) sowie Arne Houben, Leiter des Rhein-Mosel-Verlags in Briedel, erhalten. Der Verlag hat einige von Viebigs Werken neu aufgelegt (Infos auf der Homepage des Verlags)

Forschung und Infos über Clara Viebig

Nicht nur die Bad Bertricher Clara-Viebig-Gesellschaft kümmert sich um die Erhaltung des literarischen Erbes der Trierer Schriftstellerin (Mehr Infos auf der Website des Vereins): In Eisenschmitt, dem Schauplatz von „Weiberdorf“, ist das Clara-Viebig-Zentrum beheimatet, welches Originalbücher aus der Zeit Viebigs bereithält (https://clara-viebig-zentrum.de/).

Zum 150. Geburtstag der Trierer Schriftstellerin hat Christel Aretz zusammen mit Peter Kämmereit eine Dokumentation herausgegeben, Titel „Clara Viebig – Ein langes Leben für die Literatur“ (2010). Die aktuelle Forschung wird zudem vertieft durch die „Schriften zur Clara-Viebig-Forschung“ von Ina Braun-Yousefi, deren mittlerweile fünf Bände jeweils mehrere Aufsätze umfassen (Verlag Traugott Bautz). Die Eifeler Autorin und Heimatforscherin Sophie Lange (im Februar 2023 gestorben) hat sich ebenfalls ausgiebig mit Clara Viebig auseinandergesetzt. Unter anderem ging sie der Frage nach, ob das „Weiberdorf“ damals auf dem Index verbotener Bücher der Katholischen Kirche stand.

Volksfreund-Podcast „Porta - Tor zur Geschichte“

Der Volksfreund-Podcast „Porta“ beleuchtet zusammen mit eingeladenen Experten verschiedene Persönlichkeiten und Ereignisse aus unterschiedlichen Epochen unserer Region - wie beispielsweise ein antiker Fund in Bitburg, Kaiser und Gelehrte in Trier, eine selbstbewusste Gräfin im Mittelalter an der Mosel oder Revolutionen und Vertreibung. Alle bisherigen Folgen können Sie hier in unserer Übersicht aufrufen. „Porta – Das Tor zur Geschichte“ wird von den Volksfreund-Redakteuren Miguel Castro und Alexander Wittlings produziert und erscheint alle zwei Wochen. Der History-Podcast ist zusammen mit ergänzenden Informationen sowohl auf volksfreund.de/porta als auch bekannten Streaming-Plattformen wie Spotify und Apple zu finden. Sie haben Fragen oder Anmerkungen? Dann schreiben Sie uns eine Mail. Kontakt: podcast@volksfreund.de

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