LA Noire: Der Gute, die Bösen und die Korrupten

Trier · Welch großartige Spiele hat Rockstar schon präsentiert, etwa das tarantinoeske Gansterepos Grand Theft Auto in mehreren Akten oder Red Dead Redemption als DEN Software-Western schlechthin. LA Noire ist anders. Ernster. Düsterer. Ruhiger. Langsamer. Volksfreund.de hat das Spiel getestet.

Cole Phelps war Offizier der US Marines und kämpfte während des Zweiten Weltkriegs im Pazifik gegen die Japaner. Nach Kriegsende ging er zum Los Angeles Police Departement, um für Wahrheit und Gerechtigkeit zu kämpfen. Ein guter Cop in einer von Korruption, Kriminalität und Gewalt geprägten kranken Gesellschaft. Der vom Spieler gesteuerte Phelps stößt auf Männer, die ihre Frauen schlagen, Kinderschänder, Sexualverbrecher, Mörder und andere kranke Gestalten.

Diese sind kein Kanonenfutter wie in den GTA-Titeln, in denen der Portagonist jeden Gegenspieler mit großem Kaliber begegnet. Schießen darf Phelps nur selten und meist in schnellen Street-Crime-Einsätzen, wenn die Zentrale ihn und seinen Partner zum nächsten Raub, Banküberfall oder sonstigen Notfall schickt. Um im Spiel und in seiner Karriere voranzukommen, muss Phelps Hinweise sammeln, Zeugen befragen, Zusammenhänge herstellen und diese im Schlussverhör zur Anklage zusammenfügen. Simplifizierte Polizeiarbeit ohne Schusswaffeneinsatz.

LA Noire setzt die handelnden Figuren in eine düstere und geradezu deprimierende Atmosphäre, wie man sie in NYPD Blue und auch LA Confidential findet. Phelps soll eine Serie brutaler Morde an Frauen aufdecken, doch sein Partner, der Captain des Morddezernats und der Bezirksstaatsanwalt halten ihre bigotten Wertesysteme, die Schlagzeilen der Presse und die Wiederwahl für wichtiger als die Wahrheit. Da landet nicht immer der Schuldige hinter Gittern. Phelps kämpft, aber schon früh ist klar, dass er das System nicht verändern kann. Der gute Cop steht und kämpft allein.

Dieser Kampf besteht in der Hauptsache aus Ermittlungen und Befragungen, gelegentlich unterbrochen von GTA-typischen Schießereien und Verfolgungsjagden. Hier punktet LA Noire klar: Die Gesichter der handelnden Figuren sind so plastisch und detailliert wie in keinem Computerspiel bisher. Wahrheit, Lüge, Zweifel, Furcht: Der Spieler kann die Emotionen ablesen und die richtigen Schlüsse ziehen. Diese Schlüsse sind allerdings in den meisten Fällen ebenso einfach wie das Finden aller Hinweise und Beweismittel an den Tatorten.

Und eben weil diese Ermittlungen so einfach sind, hat LA Noire einige Längen. Immer wieder Tatorte absuchen, Verdächtige befragen, dann mal eine Verfolgungsjagd zu Fuß oder im Auto, dann wieder ein Verhör, und schließlich ist der Fall beendet - bei weitem nicht immer mit einem befriedigenden Ergebnis. Aber daran kann der Spieler nichts ändern, die Story will es so.

Die Bühne des Spiels ist die Stadt Los Angeles, und hier kommt einfach niemand an Rockstar heran. Ein Moloch von der Glitzerwelt Hollywoods bis zu den Lagern der obdachlosen Kriegsveteranen - allein das Fahren durch LA ist ein Erlebnis. Leider ist die Stadt keine offene Welt wie in den GTA-Titeln, die dem Spieler auch abseits des Weges vieles bietet. Unvergessen ist beispielsweise der Comedy-Club in GTA IV, in dem der Spieler einen Auftritt des britischen Starkomikers Ricky Gervais erleben konnte. In LA Noire ist die Stadt tatsächlich nur eine Kulisse, nicht mehr.

LA Noire ist zweifellos ein Titel, über den man noch lange sprechen wird - und trotz einiger inhaltlicher Längen ein vor allem optisch großartiges Spiel. Jörg Pistorius

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