Reise in die Abgründe der Psyche

Berlin · Moralische Entscheidungen statt Endlosgeballer, emotionale Bindung statt steriler Daueraction: Das deutsche Entwicklerstudio Yager will den Spieler in seinem neuen Titel "Spec Ops: The Line" nicht nur unterhalten, sondern auch fordern.

Berlin. "Meine Aufgabe ist es, Gefühle auszulösen." Die Worte des Drehbuchautors Matt Williams - ein Großer im Spielegeschäft, der auch an der gefeierten Bioshock-Reihe mitgewirkt hat - passen auf den ersten Blick nicht zum Shooter-Genre, in dem die Hitze des Gefechts das Erlebnis bestimmt und in dem Flugzeuge vom Himmel fallen, Panzer durch Wände brechen und Städte in Schutt und Asche gelegt werden.

Das Studio: Das 1999 gegründete und in Berlin sitzende Entwicklerstudio Yager Development meidet diese Action nicht, will sein Spiel "Spec Ops: The Line" aber aus der Masse der straff inszenierten und bombastisch präsentierten Masse der Software-Ballereien herausragen lassen. Was tut der Krieg dem Menschen an? Der Spieler muss schwierige Entscheidungen treffen und deren Konsequenzen verarbeiten - eine Annäherung an Anti-Kriegs-Klassiker wie "Platoon" und "Apocalypse Now".

Die Inspiration: Francis Ford Coppolas grandiose Parabel über den Vietnamkrieg hat "Spec Ops: The Line" auch inhaltlich beeinflusst. Die Bühne des Yager-Titels ist die Wüstenstadt Dubai - allerdings nicht die prunkvolle und lebendige Metropole unserer Zeit, sondern ein von Sandstürmen verwüstetes und zerstörtes Niemandsland und eine Heimat für Gesetzlose. Auf der Suche nach einer verschollenen Einheit begegnet der Protagonist des Spiels, Captain Walker, nicht nur Gegnern und Widerständen, sondern auch den Traumata des Krieges und seinen eigenen Dämonen.

Das Spiel: Yager-Geschäftsführer Timo Ullmann erzählt: "Wir haben uns gefragt, wie wir das Genre der Militär-Shooter in eine neue Richtung entwickeln können." Natürlich bleiben Action und Gefechte tragende Elemente, Yager will den Shooter nicht komplett neu erfinden. Aber: "Wir verlangen dem Spieler moralische Entscheidungen ab, man erlebt die Entwicklung des eigenen Charakters hautnah mit. Das Spiel berücksichtigt vor allem auch die psychologische Komponente." Eine Basis des Spiels ist die Frage, was mit guten Menschen geschieht, die in schlimme Situationen geraten.
Leveldesigner Jörg Friedrich geht näher ins Detail: "Immer wieder wird Captain Walker und damit der Spieler vor Entscheidungen gestellt, in denen er reflektieren muss, wo er als Mensch steht." Was ist wichtiger: die Erfüllung der Mission, das eigene Überleben, Menschlichkeit und Moral? "Es kommt zu Konflikten innerhalb der Einheit, die nicht mehr durch militärische Disziplin überdeckt werden können."

Die Inszenierung: Der Spieler steuert Captain Walker aus der Rückansicht. Die Darstellung der Wüstenstadt Dubai ist ein visuelles Erlebnis: Yager hat aus der Metropole ein Endzeit-Szenario gemacht, das optisch voll überzeugt. Der innere Zerfall der Hauptfiguren zeigt sich auch äußerlich. Uniformen werden verdreckt, Stimmen verwandeln sich in heiseres Bellen, Gesichter spiegeln den Schrecken.
Die Wirkung: Sehr schnell wird dem Spieler klar, dass er hier nicht auf der üblichen Shooter-Achterbahn mitfährt. Schon beim ersten Anspielen zerstört "Spec Ops: The Line" übliche Heldenklischees und konfrontiert den Spieler mit Hilflosigkeit, Angst, sogar Entsetzen. Yager erreicht eine intensivere Wirkung als jeder andere Shooter bisher.

Die Daten: "Spec Ops: The Line" ist für Xbox 360 (der TV hat eine Vorabversion getestet), Playstation 3 und PC erschienen. Der Titel ist frei ab 18 Jahren.Extra

Yager stellt sich: Ein komplettes Interview mit den Machern des Berliner Studios Yager und viele weitere Tests und Berichte aus der Welt der Spiele finden Sie hier im Internet auf volksfreund.de/multimedia

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