Wahn des Horrorautors

Alan Wake ist ein Hoffnungsträger derjenigen, die es für möglich halten, dass ein Spiel ebenso wie ein Film die Unterhaltungskultur als Leitmotiv prägen kann. Die Geschichte des unter einer Schreibblockade leidenden Horrorautors ist ein interaktiver Gruselfilm.

Trier. (jp) Alan Wake könnte ein Alter Ego von Stephen King sein. Oder einer seiner Protagonisten. Um seine bösen Träume loszuwerden und wieder schreiben zu können, fährt Wake mit seiner Frau in das schöne Städtchen Bright Falls. Kaum dort angekommen, verschwinden Frau und vertraute Umgebung, und Wake erwacht in einer allumfassenden Dunkelheit, in deren Schutz offenbar besessene Kreaturen Jagd auf ihn machen.

Hier wird das Spiel zum Shooter: Wake wird mit diesen Wesen nur fertig, indem er sie aus der Dunkelheit reißt. So wird seine Taschenlampe ebenso wichtig wie jede Schusswaffe. Hoffentlich hält die Batterie.

Entwickler Remedy Entertainment hat grafisch großartige Arbeit abgeliefert. Die grollende, sich drohend ausbreitende und dann alles verschlingende Dunkelheit; die Besessenen, die aus der Schwärze auftauchen wie die untoten Piraten in John Carpenters Klassiker The Fog aus dem Nebel - das ist großes Kino. Die Struktur des Microsoft-Titels entspricht den großen Klassikern der Mystery-TV-Serien Twin Peaks und Akte X: Das Spiel ist in sechs Episoden unterteilt, die wie einzelne Serienteile plus Rückblicke und Cliffhanger präsentiert werden.

Die Kämpfe mit den Kreaturen sind nicht die Erfüllung aller Shooter-Träume. Hier landet Alan Wake im Mittelmaß. Doch das reißen Story und Atmosphäre wieder raus. Der Spieler will wissen, wie es weiter geht und wie die Geschichte sich auflöst.

Die Spannung steigt auch durch dramaturgisch hervorragend funktionierende Elemente: Immer wieder findet Wake während des Spiels einzelne Seiten eines Manuskripts. Offenbar stammt es aus seiner Feder, obwohl er sich an nichts erinnert. Was ist Wahn und was Realität? Der Spieler tappt ebenso im Dunkeln wie der Hauptdarsteller. Was bildlich ebenso zutrifft wie wörtlich.

Alan Wake ist auch einer der Beweise für den langsamen Niedergang des PCs als Spiele-Plattform. Nach einer langen Entwicklungszeit von fünf Jahren überraschten Hausherr Microsoft und Entwickler Remedy die Szene mit der Botschaft, die Geschichte des traumatisierten Horrorautors erscheine exklusiv für die Xbox 360. Alle Proteste empörter PC-Spieler nutzten nichts - ein weiterer Beweis dafür, dass auch ein hochgerüsteter PC gegen die komplikationslose Handhabung einer Konsole ohne Internet-Registrierzwang und ellenlange Installationen im Kampf um die Gunst der Spieler keine Chance hat.

Alan Wake: Microsoft, Xbox 360, frei ab 16 J., ca. 50€.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort