Wenn der Spielspaß-Killer droht

Der PC ist seit Mitte der 90er die wichtigste Plattform für virtuelle Spiele, doch diese Ära geht gerade zu Ende. Der unaufhaltsame Abschied des klassischen Rechners von der Spiele-Bühne wird ausgerechnet durch den wichtigsten und besten Titel des Jahres 2008 dokumentiert: Grand Theft Auto IV. Wer diesen auf einem PC spielen will, braucht Glück, Geduld und gute Nerven.

Trier. Spannung und Vorfreude waren riesig. Am 29. April 2008 hatte Rockstar Games das Spiel "Grand Theft Auto IV" für Xbox 360 und Playstation 3 veröffentlicht. Millionen Fans hatten den vierten Teil einer der erfolgreichsten Spiele-Serien der Welt seit Monaten erwartet. Kritiker und Spieler waren sich schnell einig: Die fiktive US-Metropole Liberty City, in der "Grand Theft Auto IV" spielt, ist die bei Weitem lebendigste und atmosphärisch dichteste virtuelle Umgebung der Spiele-Industrie. Der Protagonist hätte aus der Feder des Kult-Regisseurs Quentin Tarantino stammen können. Der Serbe Nico Bellic, der in Liberty City eine Gangster-Karriere durchlebt, verfügt über einen knochentrockenen Humor und keine moralischen Skrupel.

Sechs Millionen Spiele in einer Woche verkauft



Rockstar verkaufte schon in der ersten Woche nach der Veröffentlichung mehr als sechs Millionen Spiele. Das Medienecho war gewaltig und durchgehend positiv. Man war sich einig: Mit diesem Titel hat das Spiel den Film als Leitmedium der Unterhaltungskultur eingeholt, wenn nicht sogar abgelöst. Diese Erfolgsgeschichte lief weiter bis zum 3. Dezember 2008. An diesem Tag veröffentlichte Rockstar die PC-Version ihres Jahrhundertspiels. Seitdem ist die Hölle los.

Internet-Foren sind voll mit Wutausbrüchen, Frustration und Unverständnis. Deren Basis: Während die Konsolenspieler seit Monaten einfach nur die Disk einlegen und danach sofort ungebremsten Spielspaß erleben, müssen sich PC-Spieler eine langwierige Installation von insgesamt sechs Programmen, Internet-Registrierungen, einen paranoiden Kopierschutz und eine utopische Hardware-Anforderung gefallen lassen.

Und auch wenn der Spieler das alles überstanden hat, muss er möglicherweise feststellen, dass dieses Spiel auf seiner Systemkonfiguration entweder gar nicht oder in einer inakzeptabel langsamen Geschwindigkeit läuft. Einige Fachmagazine, die "Grand Theft Auto IV" als Konsolen-Version noch bejubelt hatten, warnten ihre Leser vor dem Kauf der PC-Fassung.

Lauter denn je stellen viele Spieler weltweit momentan die Frage, warum ein Titel auf einer Konsole fehlerfrei und ohne jeden Installationsaufwand läuft, während die Besitzer eines wesentlich teureren und leistungsfähigeren PCs - so manche Grafikkarte kostet mehr als eine komplette Xbox 360 - von Spielspaß allenfalls träumen können. Denn zu allem Übel stellt die PC-Variante Hardware-Anforderungen, von deren Erfüllung ältere Maschinen oder Durchschnitts-Rechner weit entfernt sind.

"Grand Theft Auto IV" ist der bisherige Negativ-Höhepunkt einer Entwicklung, die sich seit Jahren ankündigt. Auch früher mussten PC-Besitzer schon erleben, dass ihr auf ehrliche Weise erworbenes und bezahltes Spiel den Start verweigerte, weil der Kopierschutz der Meinung war, das Original sei eine Kopie. Danach begannen viele Entwickler damit, eine Internet-Registrierung zwingend vor auszusetzen. PC-Spieler ohne Internet-Anschluss wurden quasi über Nacht vom aktuellen Markt abgeschnitten. Mittlerweile wechseln die Spieler in Scharen vom PC zu einer Konsole. Die Leistungsfähigkeit und völlig komplikationslose Bedienung der Next-Generation-Maschinen Xbox 360 und Playstation 3 sowie die innovative Steuerung und das familienfreundliche Software-Angebot von Nintendos Wii stellen die Möglichkeiten eines PC ins Abseits. Die meisten Titel werden zuerst für Konsolen und erst Monate später, wenn überhaupt, für den PC veröffentlicht - in manchmal miserabler Qualität. Die Zeiten, in denen der PC ein Muss für Spieler war, sind vorbei.

Meinung

Die Rache der Spieler

Eine komplette Industrie zieht sich selbst den Stecker raus. Die Angst der Hersteller von PC-Spielen vor Raubkopien ist so groß, dass sie eine absolute Todsünde begehen: Sie verärgern ihre ehrlichen Kunden mit miserablen Konvertierungen, die Monate nach der Konsolen-Fassung kommen, extremen Schutzprozeduren, die ein normal im Laden gekauftes Original-Spiel unbrauchbar machen, und einem Internet-Zwang. Die Kurve zeigt nach unten für die Spiele-Plattform PC - schade und vollkommen unnötig. Diese Not haben die Hersteller selbst verursacht. j.pistorius@volksfreund.de

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