Computerspiele Auf in den Kampf gegen Herrn Heiler!

Trier · „Wolfenstein 2 — The new Colossus“ von Bethesda Softworks ist eine Granate von einem Spiel. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das Actionspektakel ist einer der besten Titel des Jahres 2017, aber die deutsche Umsetzung ist an einigen Stellen inhaltlich absurd.

 Ein Mann gegen das Regime: William Blazkowicz wird per Steckbrief gesucht.

Ein Mann gegen das Regime: William Blazkowicz wird per Steckbrief gesucht.

Foto: Bethesda Softworks

Wir schreiben das Jahr 1961, befinden uns in Amerika und mögen Spielshows im Fernsehen sehr. Zum Beispiel den Hit „German — or else!“ Sinngemäße Übersetzung: „Deutsch — sonst blüht dir was.“ Es ist ein Riesenspaß, Amerikanern zuzusehen, wie sie mit wunderschönen Begriffen wie „unbezwingbar“ kämpfen. Und man lernt auch noch was dabei, denn ab 1963 ist die englische Sprache schließlich komplett illegal. Man spricht dann nur noch deutsch.

Für die Kleinen bieten sich großartige Alternativen wie die Actionserie „Blitzmensch“ um den Athleten Dieter Gobrecht. Wenn Kinder aber lieber spielen als glotzen, ist die Actionfigur Elite-Hans ideal.

Einen Moment mal. Zwangsdeutsch? Blitzmensch? Elite-Hans? Aus welcher Welt stammen denn bitte diese Pervertierungen der Unterhaltungskultur? Die Frage ist völlig berechtigt und führt auch in die richtige Richtung, denn Elite-Hans und Co. stammen aus einer alternativen Realität — dem Amerika des Jahres 1961, in dem die Nazis den Krieg gewonnen haben und seitdem festlegen, was in Wohn- und Kinderzimmern gesehen und gespielt wird. So sie die Welt in einem der besten Computerspiele des Jahres 2017 aus. „Wolfenstein 2: The new Colossus“ von Bethesda ruft den Spieler deshalb wieder zum Kampf. Wolfenstein-Veteran B. J. Blazkowicz tritt an gegen das Regime, verzichtet dabei völlig auf friedliche und diplomatische Mittel und greift stattdessen zu großen Kalibern.

Der spielerische Umgang mit dem Zweiten Weltkrieg und der Nazidiktatur ist in Deutschland kein komplettes Tabu, aber immer noch ein Problemfeld. Während die Thematik in Buch und Film von den „Inglorious Basterds“ bis zu „Er ist wieder da“ als künstlerische Reflexion verstanden und akzeptiert wird, ist es weiterhin verboten, in Computerspielen Hakenkreuze, SS-Runen oder andere Symbole des Nationalsozialismus abzubilden. Die Kunstfreiheit hilft hier nicht, denn in den Augen des Gesetzgebers sind Computerspiele keine Kunst.

Das hat immer mal wieder Konsequenzen, die so krass sind, dass sie unfreiwillig komisch wirken. In „Wolfenstein 2“ trifft der vom Spieler gesteuerte Soldat Blazkowicz irgendwann auf einen greisen Adolf Hitler des Jahres 1961. In der deutschen Fassung des Spiels findet diese Begegnung nicht statt. Dort findet der Spieler stattdessen einem „Herrn Heiler“, der sich mit „Mein Kanzler“ ansprechen lässt. Auch der Schnauzbart fehlt. Den haben die Entwickler entfernt. Schließlich wollen sie ihr Spiel auch in Deutschland verkaufen.

Um dieses Ziel zu erreichen, gehen sie gleich mehrere Schritte zu weit. Im englischen Original starb die Mutter der Hauptfigur Blazkowicz als Jüdin in einem KZ. In der deutschen Fassung starb sie als Polin in einer „Gefangenschaft“. Generell tauscht die deutsche Version den Begriff „Jude“ einfach gegen „Verräter“ aus. Streng genommen leugnet ein Spiel, das den Kampf gegen ein fiktives Nazi-Regime des Jahres 1961 zeigt, den Holocaust.

Doch dieser Vorwurf ist überzogen. Publisher Bethesda — einer der großen der Spielebranche — und Entwickler Machine Games wollten vor allem ein gutes Actionspiel machen. Das ist ihnen zweifellos gelungen. „Wolfenstein 2“ bringt alles mit, was man von einem bombastischen Shooter erwartet. Blazkowicz’ brachiale Abrechnung mit dem Regime ist eingebettet in einen originellen kulturellen Kontext. Die gezeigte Version des Jahres 1961 reizt immer mal wieder zum Lachen, das Gruseln kommt hinterher. B. J. Blazkowicz geht so rabiat wie immer vor, deshalb ist die Wolfenstein-Serie weiterhin für Erwachsene reserviert.

Fazit: Wer es krachen lassen will, ist hier richtig. Die überängstliche deutsche Fassung ist zwar ein Minus, das die Reflexion und Immersion stört, aber das Spielerlebnis selbst wird nicht gebremst.

Wolfenstein 2 — The new Colossus: Entwickler Machine Games, Publisher Bethesda Softworks. Erschienen für Xbox One (getestet), Playstation 4 und Windows PC. Frei ab 18 Jahren.

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