Massenweise Maschenware
TRIER. (mew) Sie hängen an der Nadel – allerdings an einer harmlosen: Jeder, der den kleinen Laden in der Brotstraße betritt, strickt oder stickt. Den nötigen Rohstoff bekommen sie in dem familieneigenen Fachgeschäft, in dem sich Garne aller Art und Couleur finden lassen. Gegründet wurde es 1929 von Käthe Faber. Mittlerweile sind Tochter Ingrid Moers und ihr Sohn Christoph Meister der Maschenware.
Das Regal schaut aus wie ein überdimensionaler Setzkasten. Hunderte kleiner Quadrate unterteilen die gesamte Rückwand des Geschäfts. Doch statt Zinnsoldaten zieren Wollknäuel der gesamten Farbpalette die kleinen Fächer. Telefonklingeln im rückwärtigen Büro: "Ach ja, sie rufen an wegen des roten Häkelgarns Aida. Wann kommt das? Ende der Woche? Uups..", Christoph Moers' Zeitrahmen scheint etwas aus den Fugen geraten. Häkeln und Hektik passen jedoch nicht zusammen, und so reagiert auch der Geschäftsführer gelassen. Seit vier Jahren ist er wieder in Trier. Nach neunmaligem Umzug als Abteilungsleiter und Einkäufer einer großen Kaufhauskette, hatte der fast Vierzigjährige die Nase voll: "Ich wollte dieses Nomadentum nicht mehr." Seitdem unterstützt er seine Mutter Ingrid, die den Käthe-Faber-Laden zuvor mit ihrer Schwester Karin geleitet hatte. Die Umstellung von der Herrenabteilung auf ein Geschäft, das zu 98 Prozent von Damenkundschaft frequentiert wird, hat der Textilbetriebswirt erfolgreich hinter sich gebracht. "Es geht, seit ich hier bin, stetig bergauf", freut er sich. Zur Nadel greift er nicht. Auf die Frage, ob er überhaupt des Strickens mächtig ist, kommt ihm seine Mutter zuvor: "Er? Höchstens einen Schal", schmunzelt sie. Ein solches Exemplar umrankt in kunstvoller Variante und farbenfroh ihren Hals - natürlich selbst gestrickt. Ingrid Moers hat eine ganz eigene Motivation, um aus glatten Fäden Tragbares zu machen: "Mein Mann möchte immer gemeinsam mit mir fernsehen, je nachdem was er schaut, drohe ich dabei einzuschlafen. Wenn ich dann nebenbei stricke, bin ich wieder topfit." - Maschen wirken unter Umständen offenbar als Muntermacher. Aber auch als Motivationsschub in punkto Selbstbewusstsein funktionieren sie, wobei der Laden hin und wieder zum Laufsteg wird: "Wir haben immer wieder Kunden, die mit ihrem neu gestrickten Kleidungsstück hierher kommen, und sich ausgiebig bewundern und loben lassen", erzählen beide. Stricken macht also auch stolz. Die Maschen-Motivation hat sich in den Jahren gewandelt: "Früher strickten die Leute, um Geld zu sparen, heute um ein Unikat anzufertigen", erzählt Ingrid Moers. Stricken macht also auch einzigartig. Ähnlich einzigartig begann auch die Familiengeschichte. 1929 gründete die Triererin Käthe Faber in der Fleischstraße ihr kleines Imperium. Während des Krieges führte man das Geschäft im Wohnhaus In der Kastilport fort und entdeckt sogar eine Marktlücke: "Wir haben damals Wolle gegen Lebensmittel und Puppenköpfe getauscht", erinnert sich Ingrid Moers. Die Mutter hat Puppenkörper und deren Kleidung gestrickt und gehäkelt. "Die Leute haben uns damals das Haus eingerannt, es gab ja damals keine Puppen." 1979 stirbt Käthe Faber, doch lange vorher war den beiden Mädchen klar, dass sie das Geschäft fortführen, wobei sie die mütterlichen Ratschläge beherzigten. Diese hatte nämlich phasenweise experimentiert und beispielsweise in der Sommersaison Badeanzüge in das Sortiment aufgenommen. Resultat der Geschäftsidee: die Schwimmsachen wurden ausschließlich von den Töchtern des Hauses getragen. Der gewünschte Ertrag blieb aus. Seitdem gilt das mütterliche Motto: "Schuster, bleib bei deinen Leisten." Die kuschelige Ware ist zwar weit entfernt vom zähen Leder der Kollegen, aber Handwerk ist auch hier gefragt. Einen großen Wunsch hegt Geschäftsführer Christoph: "Ich möchte noch das 100-jährige Firmenjubiläum schaffen, danach kann meinetwegen nach mir die Sintflut kommen."