Mehr als 101 gute Gründe

Dass der Lipizzaner aus der slowenischen Stadt Lipica stammt, wissen die wenigsten. Eher schon kann man ableiten, dass der Ursprung des Dalmatiners in Dalmatien ist. Wer sich aber in den Sommermonaten rund um Split auf der Suche nach der getupften Hunderasse macht, wird selten fündig.

Dass der Lipizzaner aus der slowenischen Stadt Lipica stammt, wissen die wenigsten. Eher schon kann man ableiten, dass der Ursprung des Dalmatiners in Dalmatien ist. Wer sich aber in den Sommermonaten rund um Split auf der Suche nach der getupften Hunderasse macht, wird selten fündig. Ein zufriedenes Hundeleben ist eben nicht gedacht für Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke. Mehr Schatten, mehr Aktivität am Abend wird sich der Dalmatiner denken. Aber die wenigsten Touristen kommen an die 1777 Kilometer lange kroatische Adriaküste, um nach den dank Disney Pictures berühmt gewordenen 101 Dalmatinern zu suchen. Vielmehr sind es die pittoresken verwinkelten Hafenstädte, die traumhaften Buchten, das mehrfach von der UN-Umwelt-Organisation ausgezeichnete klare Wasser und die (mal mehr, mal weniger feinen) Kiesstrände. Nicht zu vergessen die traditionelle kroatische Küche, die vorwiegend auf Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte setzt. Besondere Spezialitäten sind der Ziegenkäse (vor allem von der Insel Brac) oder der Prsut, der dalmatinische Schinken. Dazu ein Glas des roten Gradac oder Dingac - und die mediterrane Stimmung ist perfekt.

Piratenbuchten und berühmter Marmor

Dalmatien, das schon seit den 1960er Jahren vorwiegend von deutschen Touristen geschätzt wird, gliedert sich in die vier Provinzen Zadar und Sibenik im Norden, Split in der Mitte und Dubrovnik im Süden. Während Dubrovnik im Jugoslawien-Krieg ab 1992 von den Serben arg unter Beschuss genommen wurde, richteten die Auseinandersetzungen rund um Split kaum Zerstörungen an - im Gegenteil, die zahlreichen vorgelagerten Inseln dienten als Zufluchtsorte für vertriebene Kroaten aus anderen Landesteilen. Mit dem Dayton-Abkommen 1995 kam der Frieden, und der Tourismus wurde wieder belebt - mittlerweile zählt Kroatien zu den weltweit am stärksten prosperierenden Urlaubsländern. Doch statt Massen-Hotelburgen wie in der sozialistischen Ära wurde nun mit Bedacht gebaut, wurde die Architektur mit der Landschaft in Einklang gebracht. Sich für eine der dalmatinischen Provinzen als das Urlaubsziel zu entscheiden, fällt schwer, jede Region hat ihren eigenen Charme. Immer gleich ist allerdings die geologische Formation entlang der vom damaligen Staatspräsidenten Tito erbauten Adria Magistrale (die 1200 Kilometer lange Küstenstraße vom heutigen Slowenien bis Montenegro): Hinter der Küste erheben sich mächtige Gebirge mit den jeweiligen Pendants der am Meer gelegenen Orte und Städte. Die Bergdörfer dienten als Schutz vor kriegerischen Eindringlingen oder Piraten. Bekannt waren vor allem die Neretvaner Piraten, die ihren "Hauptsitz" im Mittelalter in der malerischen Stadt Omis hatten. Oberhalb der Stadt thront die mächtige Festung Starigrad, von wo man einen herrlichen Ausblick auf die Cetina-Schlucht hat. Per Boot kann man den Canyon erkunden. Wer es wilder mag, kann sich auch raftend fortbewegen. Omis eignet sich als Ausgangs- oder Mittelpunkt für eine Rundreise durch Mitteldalmatien und die vorgelagerten Inseln. Im Süden schließt sich mit der Makarska Riviera eines der touristischen Zentren mit mehr als 60 000 Betten in Hotels und Pensionen an. Zentrum ist Makarska mit einem für die kroatische Adria typischen eng verwinkelten, mit mittelalterlichen Stadtkern, wo man zahlreiche Marmorfassaden findet, und malerischen Plätzen und Gassen. Von Makarska erreicht man mit der im Sommer mehrmals täglich verkehrenden Fähre die drittgrößte der 1185 kroatischen Inseln, Brac. Der Marmor, der dort abgebaut wurde, ziert den Berliner Reichstag, das Weiße Haus sowie zahllose Paläste in Venedig. Noch berühmter ist allerdings die 500 Meter lange Landzunge Zlatni Rat ("Das goldene Horn") in Bol, das je nach Wind und Strömung seinen Zipfel nach rechts oder links neigt und dank seines feinen Kieses im Sommer einer der meist bevölkerten Strände ist und zudem als Surferparadies gilt. Von Bol, das rund um den - im Sommer mit Luxusyachten gefüllten - Hafen ebenfalls mediterranes Flair versprüht, geht es mit dem Schiff weiter auf die Insel Hvar. Die schönsten Orte sind die gleichnamige Inselhauptstadt sowie die Hafenstädte Stari Grad und Vrboska, wo auch die Fähre aus Bol anlegt. Im Insel-Innern dominiert wie auf Brac eher eine karge Berglandschaft. Die frische Meeresbrise einatmen und den Ausblick auf die Inseln Brac und Solta genießen heißt es stattdessen bei der rund 90-minütigen Fähr-Überfahrt von Hvar in die Provinzhauptstadt Split.

Split: Erst trist, dann atemberaubend

Die Einfahrt in den Hafen der größten Stadt Dalmatiens (200 000 Einwohner) verspricht noch wenig Ansehnliches: Die Skyline wird dominiert von sozialistisch inspirierten Hochhäusern und Plattenbauten sowie großen Industrieanlagen. Selbst bei der Ankunft im Hafen erschließt sich noch nicht das Weltkulturerbe in unmittelbarer Nähe. Der Diokletian-Palast ist das bedeutendste römische Bauwerk der Region, umschließt zahlreiche sehenswerte Plätze und Straßen, die Kathedrale sowie Kellergewölbe, die nun ebenerdig sind und zum Flanieren einladen. Nicht minder eindrucksvoll ist die rund 20 Kilometer entfernte, ebenfalls mehr als 2000 Jahre alte Stadt Trogir, die zuletzt in Deutschland höchstens als Geburtsort der in den Fußball-Wettskandal involvierten Brüder um Ante S. bekannt wurde. Trogir ist eine Insel, die nur über Brücken erreichbar ist. Kathedrale, Fürstenpalast, Glockenturm und Uhrenturm, aber vor allem die geschmückten Gässchen mit viel Marmor, die Romanik und Gotik verbinden, sind einen ausgedehnten Spaziergang wert. Alles in allem bietet Dalmatien für jeden etwas: Badespaß, Wassersport und Erholung an den Stränden, malerische Küstenorte für Flanierer, viel Historie für Architektur- und Kunstinteressierte, gutes Essen für Genießer. Und gelegentlich auch einen Dalmatiner für Hundefreunde.

Björn Pazen

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