Affront mit Ansage

Man muss weder gläubig noch katholisch sein, um die Grundregeln der Höflichkeit zu beachten. Wenn Papst Benedikt XVI. im Rahmen seines Deutschlandbesuches am kommenden Donnerstag eine Rede im Bundestag halten wird, wollen 100 Abgeordnete aus den Reihen von SPD, Grünen und Linkspartei der Veranstaltung fernbleiben. Es ist ein Affront mit Ansage.

Denn hinter dem Boykott steht angeblich ein hehres Ziel, das pompös verkündet werden will. Die entsprechenden Parlamentarier fürchten um die Neutralität des Staates. Das ist die Version für die Öffentlichkeit. Und sie ist eine Farce. Denn der Staat zieht doch auch Kirchensteuern ein, Pfarrer geben in öffentlichen Schulen Unterricht.

Auf der anderen Seite betreibt die Kirche unter anderem Krankenhäuser, Kindergärten, soziale Einrichtungen für die ganze Gesellschaft, und Laien dürfen in Gotteshäusern predigen. Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, dass dieses Miteinander die religiöse Neutralität des Staates gefährdet.

Natürlich ist es eine Formalie, dass Benedikt als oberster Repräsentant des Vatikans - und damit als Staatsgast - eingeladen wurde. Aber selbst wenn dem nicht so wäre, ist die Blockade an Kleinkariertheit nicht mehr zu überbieten. Denn der Bundestag ist selbstverständlich frei in der Entscheidung, wer in seinen heiligen Hallen reden darf und hat von diesem Recht schon häufiger Gebrauch gemacht.

Als Vertreter von weltweit über einer Milliarde Katholiken ist der Papst kein Leichtgewicht. Wem so viele Menschen freiwillig zuhören, der muss eine starke Botschaft haben. Ob man ihr folgen will oder sie ablehnt, ist dann eine ganz persönliche Angelegenheit.

Politiker aber repräsentieren den Staat. Da sollte es eigentlich zu ihrem Selbstverständnis gehören, auch Institutionen und Personen Respekt entgegenzubringen, die nicht mit ihrer Weltanschauung übereinstimmen. Alles andere ist schlechtes Benehmen. Oder, um es mit den Worten von SPD-Chef Sigmar Gabriel zu sagen: ,,Man braucht ja seine mitteleuropäische Bildung nicht gleich über Bord zu werfen, nur weil man Politiker ist." Dem ist nichts hinzuzufügen.

Isabell Funk, Chefredakteurin

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