Aktive Sterbehilfe - ein unauflösbarer Konflikt

In der ganzen Aufregung über den plötzlichen Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler und der nicht minder überraschenden Nachfolgeempfehlung ist diese Woche ein Thema in den Hintergrund getreten, das uns alle existenziell betrifft und doch so hartnäckig verdrängt wird. Aufgehängt an einem konkreten Fall wird noch im Juni ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes zur Sterbehilfe erwartet.



Anders als bei unseren Nachbarn Belgien, Luxemburg und den Niederlanden ist in Deutschland bisher aktive Sterbehilfe auch unter strengsten Auflagen verboten. Dass gerade wir Deutschen uns mit diesem Thema so besonders schwertun, geht nicht zuletzt auf das Euthanasieprogramm der Hitlerdiktatur zurück, in dem sogenanntes ,,unwertes" Leben, als Gnadentod propagiert, vernichtet wurde. Als unwert galt, was nicht der Norm entsprach. Zu Tausenden wurden Kranke und Behinderte ermordet.

Die heutige Diskussion über Sterbehilfe hat selbstverständlich nichts mehr mit der menschenverachtenden Ideologie der Nazis zu tun. Es geht vielmehr um die Frage, ob todkranke Menschen das Recht haben, in Würde und ohne Qualen sterben zu dürfen, auch wenn sie selbst nicht mehr in der Lage sind, ihren Tod herbeizuführen.

Das Bundesgericht kann diese Frage nicht beantworten. Es kann lediglich einen Rahmen setzten, der Ärzten, Pflegepersonal, aber auch Angehörigen Rechtssicherheit verschafft. Auch die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen kann auf dem Rechtsweg klarer definiert werden. Aber sind wir wirklich so sicher, ob wir das, was wir im Vollbesitz unserer Kräfte verfügen, auch dann noch wollen, wenn wir hilflos und ausgeliefert sind?

Das Beispiel des schwer demenzkranken Schriftstellers und Rhetorikers Walter Jens, der einst ein Vorkämpfer für die aktive Sterbehilfe war, stimmt nachdenklich. Vor etwa einem Jahr schilderte seine Frau Inge öffentlich, wie die Krankheit den einst stimmgewaltigen Intellektuellen, zu dem er sich selber geformt hat, zu einem Menschen wandelte, der seine nächsten Angehörigen nicht mehr erkennt und nur noch auf rudimentäre körperliche Bedürfnisse und Funktionen beschränkt ist. So hätte er sich in der schöpferischen Zeit seines Lebens nie akzeptieren können. Der Walter Jens von früher hat mit dem Menschen von heute nichts mehr gemein. Und doch ist da ein Lebenswille, der sich nicht mehr auf sein geistiges Wirken, sondern auf die bloße Existenz bezieht. Seine Frau, gestern übrigens Gast beim Eifel Literatur Festival in Bitburg, berichtet in den Medien, wie aus dem kaum noch redefähigen Kranken, der in einer Welt lebt, in der er nicht mehr erreichbar ist, ohne äußeren Anlass die Worte ,,nicht totmachen, bitte nicht totmachen", herausgebrochen sind.

Auf der einen Seite ist es absurd und beängstigend, wenn der Sterbeprozess durch die heutigen Möglichkeiten der Medizin verlängert wird, auf der anderen Seite gibt es keine allgemeinverbindliche Antwort darauf, was ein Sterben in Würde bedeutet.

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