Alle sind hier blöd - außer mir!

Der Industriekaufmann Klaus Blatter (56) redete sich in Rage. Seine Kollegen? „Ein Haufen intriganter Faulpelze!“ Sein Chef? „Ein Maulheld, hat vom Alltagsgeschäft keinen Schimmer.“ Seine Geschäftsführung? „Die sparen alles weg, am Ende ihr Gehirn.“

Doch ein vernünftiger Mensch ragte aus diesem Narrenschiff: er selbst. Zwar hörte keiner auf ihn, und er war nur deshalb in der Karriereberatung, weil er gerade die zweite Abmahnung kassiert hatte. Aber die Probleme sah er nur bei den anderen, nicht bei sich.

Ich hakte nach: "Was tragen Sie dazu bei, dass ein so angespanntes Klima herrscht?" - "Nichts." - "Aus welchem Grund versorgen Sie Ihren Chef nicht mit mehr Informationen über das Alltagsgeschäft?" - "Bin ich denn sein Nachhilfe-Lehrer?!"

Eine Ahnung beschlich mich: "Wie war es denn in Ihrer letzten Firma?" - "Genau dasselbe Drama." Aha! Hier beklagte ein Geisterfahrer die Fahrtrichtung der anderen! Zwar kann es jedem passieren, dass er auf einzelne Trottel stößt (das ist sogar wahrscheinlich!). Aber wenn einer sich grundsätzlich als Statthalter der Vernunft auf Erden sieht und die anderen als Mafia der Unfähigen, dann kann er den Verursacher des Problems leicht finden - er braucht nur vor den Spiegel zu treten.

Ein solcher Mitarbeiter sollte seine Fähigkeit, übermäßig kritisch zu sein, einmal ausnahmsweise nicht nur auf seine Umwelt, sondern auch auf sich selbst anwenden: Was trägt er zu der Situation bei? Warum ist sein Denken destruktiv statt konstruktiv? Und welche Lösungen ließen sich entwickeln? Intelligente Zeitgenossen wissen: Wer mit einem Finger auf andere deutet, zeigt mit drei Fingern auf sich selbst.

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