Auf schmalem Grat
Wer dieser Tage versucht, nur ansatzweise nachzuvollziehen, was Europas Regierungschefs zur Eurorettung aushandeln, stößt schnell an seine Grenzen.
Auch an diesem Wochenende werden Angela Merkel und ihr französischer Verhandlungspartner Nicolas Sarkozy in den Hinterzimmern mit ihren Finanzexperten über Rettungsschirme, Hebelmechanismen und Schuldenschnitte mauscheln, ehe in der kommenden Woche ein EU-Gipfeltreffen auf das andere folgt. Für Otto-Normal-Verbraucher ist das inzwischen jenseits des Vorstellungsvermögens, zumal mit Summen gedealt wird, die nach oben scheinbar beliebig geworden sind.
Das Ereignis der Woche, das das Portemonnaie der Verbraucher jedoch direkter betreffen könnte, sind die Razzien der EU-Kommision bei mehreren europäischen Großbanken wegen vermuteter Zinsmanipulationen. Es geht um den so genannten Euribor-Zinssatz (Euro Interbank Offered Rate), den 44 überwiegend europäische Banken - darunter auch neun deutsche Insitute wie die Deutsche Bank, die Commerzbank, die DZ Bank, die WestLB, LBBW und BayernLB - untereinander beim Handel von Einlagen mit einer festgelegten Laufzeit von einer Woche bis zwölf Monate verlangen. Er ist einer der wichtigsten Referenzzinssätze. Denn auch Sparer wären von einer Manipulation des Euribor betroffen. Eine Vielzahl von Spar- und Riester-Verträgen orientiert sich am Euribor. Und auch Dispo-Kredite und andere Darlehen an Verbraucher und Unternehmen wären von einem Gemauschel unter den Banken betroffen. Da wären sie dann hin, die Ersparnisse fürs Alter, die Rücklagen für Investitionen…
Auch wenn die EU-Kommission von einem Anfangsverdacht spricht, so bleibt doch ein bitterer Beigeschmack. Ob man sich nun als Staatsbürger oder Teilnehmer am Wirtschaftsgeschehen betrachtet: Langsam schwindet das Vertrauen in Politik und Institutionen wie Banken. Die Reaktionen der Wutbürger in anderen europäischen Staaten zeigen, wie sehr der soziale Frieden in Gefahr ist. Politik und Finanzwirtschaft befinden sich im Moment auf einem schmalen Grat.