Aufschrei 2.0

Das war wohl Jean-Claude Junckers größte politische Niederlage: Am Donnerstag dieser Woche hat er beim Großherzog den Rücktritt der luxemburgischen Regierung eingereicht – seinen eigenen inklusive. Der kleine Koalitionspartner, die Lëtzebuergesch Sozialistesch Arbechterpartei (LSAP), war nicht mehr bereit, ihn zu tragen.



Erst vor zwei Wochen hatten die Sozialisten in letzter Minute doch noch zu den Christsozialen gehalten und damit ein Misstrauensvotum abgewendet, dass Finanzminister Luc Frieden sonst den Kopf gekostet hätte. Nun haben sie den Premierminister zu Fall gebracht. Und sich selbst gleich dazu. Gut gepokert, oder doch wieder verloren? Das werden wohl erst die Neuwahlen zeigen, die für Ende Oktober angesetzt sind.

Der Aufschrei zum Sturz des Königs - pardon, zum Rücktritt Junckers in seinem 30. Regierungsjahr - davon 18 als Regierungschef - war am Ende verhältnismäßig leise.

Der Staatsminister zieht mit den vorgezogenen Neuwahlen die Konsequenzen daraus, dass er jahrelang die Geschäfte im eigenen Land zu stark schleifen ließ. Während er in der Welt als gewiefter Europapolitiker agierte, tanzten die Mäuse vom Geheimdienst zu Hause auf dem Tisch ... Doch selbst jetzt noch kann sich Juncker der Popularität bei weiten Teilen des Volkes recht sicher sein. Zu hell strahlt sein Stern noch immer, trotz beträchtlicher Schatten aus der Welt der grauen Männer.

Bei den Neuwahlen tritt Juncker wieder an - gar keine Frage. Das hat er schon am Abend nach seiner halbherzigen Rücktrittsankündigung gesagt. Und wenn Luxemburg so bleibt, wie man es aus Tradition erwartet, werden die Schwarzen (konservative CSV) wieder regieren, und Juncker (Foto: dpa) wird sie führen - aber eher mit den Blauen (liberale DP) als den Roten (sozialistische LSAP).

Es sei denn, der Aufschrei über die jahrzehntelang gestählte Kruste im Luxemburger Polit-Establishment wird so laut, dass sich Rote, Blaue und Grüne (genau - die Grünen!) zusammentun, um das neue Luxemburg zu formen, von dem so viele Menschen im Land schon lange träumen - und das von den Traditionalisten und Bedenkenträgern noch nie zu erwarten war. Und auch nie sein wird.

Neuwahlen 2013 - das ist die Chance für den Luxemburger Aufschrei 2.0.

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