Auftritte

Zwei Politiker treten Anfang der Woche nebeneinander vor die Presse, reden über ein gemeinsam in Auftrag gegebenes Gutachten zur künftigen Energieversorgung, insbesondere zur Laufzeitverlängerung von Atommeilern, und kommen dabei zu völlig unterschiedlichen Schlüssen.

Es handelt sich nicht um Vertreter von Regierung und Opposition, sondern um die Koalitionäre Norbert Röttgen, Bundesumweltminister, und seinen Kollegen vom Wirtschaftsministerium, Rainer Brüderle.

Was der Öffentlichkeit da eigentlich mitgeteilt werden sollte, weiß ich bis heute nicht. Was ankam, war Streit. Ein Dauerstreit, den wir seit Beginn der schwarz-gelben Koalition miterleben und der uns langsam wirklich zum Halse heraushängt. Mittlerweile sieht es so aus, als könnten die nicht mehr nur nicht miteinander, sondern als wollten sie es gar nicht mehr. Jetzt soll es wieder Mama Merkel richten, die sich von dieser Pressekonferenz dem Vernehmen nach keinen Kampf um die Deutungshoheit, sondern endlich Einvernehmlichkeit versprochen hatte.

Das klägliche Bild, das Röttgen und Brüderle da abgaben, wäre eine ideale Steilvorlage für die Opposition gewesen. Hätte sich nicht zugleich einer aus den Reihen der SPD ins Rampenlicht gedrängt und bis heute darin gehalten. Thilo Sarrazin, einst Finanzsenator im rot-rot regierten Berlin und seit Donnerstag Bundesbanker auf Abruf, wusste ganz genau, dass er mit seinem Buch ,,Deutschland schafft sich ab" die Nation spalten würde.

Er, der Volkswirt, wusste auch, dass seine abstrusen Thesen über die vererbbare Dummheit, die insbesondere die Integrationsfähigkeit von Moslems erschwere, Parteiausschluss und Jobverlust provozieren würden. Denn er besetzte ganz gezielt die öffentliche Bühne, auf der er sich als Klartextredner verkaufen konnte, als einer, der der Furcht des kleinen Mannes vor dem Fremden im eigenen Land eine Stimme gab.

Gerade weil er sich so perfekt in der Rolle des Buhmanns inszenierte, hinter dem die breite Masse den Helden aufschimmern sehen sollte, nehme ich es ihm nicht ab, dass es ihm tatsächlich ernsthaft um eine Integrationsdebatte ging. Ich glaube, es ist viel simpler. Der Mann suchte den schlagzeilenträchtigen Konflikt, um sein Buch zu verkaufen. Und das ist ihm so meisterhaft gelungen, dass auch seine jetzigen Rückzugsszenarien den Erfolg nicht mehr stoppen können. Wahrscheinlich wird er uns mit weiteren Büchern behelligen.

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