Kolumne Auslese Auf ein langes Leben

Ich habe gestern Abend zwei Gläser Wein getrunken - und damit mein Leben um 30 Minuten verkürzt. Sie wundern sich? Nein, so steht es ganz fett Schwarz auf Weiß in der Bild-Zeitung. Und auch die ach so seriöse Tagesschau weiß: „Der Konsum von mehr als fünfeinhalb Gläsern Wein pro Woche (!) erhöht das Risiko, früher zu sterben. Bild und Tagesschau berufen sich auf eine Studie, erschienen im britischen medizinischen Fachblatt „The Lancet“.

Ein ehemaliger Schulkamerad, promovierter Biologe, schrieb mich wegen des enormen Medienechos an - mit dem Hinweis, dass Medien nicht alles ungefragt übernehmen sollten, sondern einen genaueren Blick auf manche Studien werfen sollten. Sein Fazit: Gerade im unteren Konsumbereich sei die Studie wenig aussagekräftig. Und ob der Alkoholkonsum oder die damit verbundene Lebensweise ursächlich sei, könne die Studie nicht nachweisen. Schließlich der Hinweis: In der Studie sei ersichtlich, dass das Risiko eines früheren Ablebens bei Weintrinkern nur leicht erhöht ist, bei Bier- und Schnapstrinkern dagegen deutlich.

Keine Frage: Niemand will einem übermäßigen Alkoholkonsum das Wort reden. Jeder weiß, was Alkohol anrichten kann. Allerdings kann man laut Studie nicht schlussfolgern, dass alkoholhaltige Getränke per se schädlich sind. Es kommt nicht nur auf die Dosis, sondern auch auf die gesamte Lebensweise an. Es ist wohl nicht falsch zu behaupten, dass Weintrinker tendenziell genussvoller leben als Bier- und Schnapstrinker. Im Übrigen zeigt die Studie auch auf, dass das Risiko für Herzkreislauferkrankungen bei Weintrinkern sogar verringert. ist.

Ich werde auch heute Abend trotz der Panikmache zwei Gläser Wein trinken. Mein Trinkspruch lautet dann: „Auf ein langes Leben.“

w.simon@volksfreund.de

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